"1984" ist im Vergleich zur heutigen Wirklichkeit eine Utopie

18.08.2019

Es wird immer schlimmer, wir leben in einem Polizei- und Überwachungsstaat. Spitzel an jeder Ecke, in jeder Leitung und an jeder Datei. Äh, nein! Ein Kommentar des Landesvorsitzenden Steffen Mayer mit Daten des jährlichen TKÜ-Berichts.
"1984" ist im Vergleich zur heutigen Wirklichkeit eine Utopie
Landtag von Baden-Württemberg

Es gab eine Zeit, in der habe ich intensiv mit Kritikern der VDS (der Begriff Mindestdatenspeicherung ist mir immer noch lieber) in Foren im Netz debattiert. Sie liebe Leserin, Sie lieber Leser, ahnen natürlich sofort, für welche Seite ich mich stark machte und mache. Mit Wenigen konnte man sich vernünftig austauschen, die meisten konterten mit abstrusen Ausführungen, die sich beispielhaft und auf den Punkt zugespitzt in Titel und Teaser wiederfinden. Die Frage welche Kompetenzen die Polizei in einer zunehmend digitalisierten Welt haben soll und haben muss, um ihrem gesetzlichen Auftrag nachzukommen, müssen einerseits Fachleute führen und andererseits natürlich auch die Gesellschaft - aber bitte mit Niveau. Keine leichte Aufgabe, das habe ich auch in diversen Nächten im Netz bemerkt und irgendwann habe ich meine Zeit für andere Dinge verwendet.

Dieser Beitrag ist in gewisser Weise einer Fortschreibung dieses Beitrags, das soll noch erwähnt werden: https://www.bdk.de/lv/baden-wuerttemberg/bw-aktuell/jaehrlicher-bericht-zur-lokalisierung-von-mobiltelefonen-und-praeventiver-tku

Die jetzt zu Rate gezogene Landtagsdrucksache 16/6505 enthält den Jahresbericht zu TKÜ-Maßnahmen des Jahres 2018 - auch dieser Bericht eine Maßnahme, um den Landtag (seit 1994) jährlich über die verdeckten Ermittlungsmaßnahmen im Bereich der TKÜ zu informieren. Da diese Landtagsdrucksache öffentlich zugänglich ist, kann sich auch die Bevölkerung ein Bild vom status quo machen.

Werfen wir gemeinsam einen Blick in den kriminalpolizeilichen Alltag - wobei dieser Satz nicht die Zahlen widerspiegelt, denn die TKÜ ist keine Standardmaßnahme jeder kriminalpolizeilichen Ermittlung. Gott sei Dank, möchte ich mit Blick auf die notwendigen personellen und materiellen Ressourcen hinzufügen, gerade dann wenn Dolmetscher notwendig sind.

Telekommunikationsüberwachung im Jahr 2018

In 624 Ermittlungsverfahren wurden 1.832 TKÜ-Maßnahmen angeordnet, hinzu kamen 319 Verlängerungsanordnungen.

Viel eindrucksvoller ist diese Zahl: In 0,07 % der 844.699 bei den Staatsanwaltschaften BWs anhängig gewordenen Verfahren ist überhaupt nur eine TKÜ-Maßnahmen geschaltet worden.

Oder diese Zahl: 3.375 Anschlüsse von 1.503 Betroffenen wurden überwacht. Baden-Württemberg hat über 11 Millionen Einwohner. Sie können gerne einmal nachrechnen wie viel Prozent der baden-württembergischen Einwohner dann "geklemmt" worden sind. Zudem muss man um Gegenstand einer solchen Maßnahme zu werden schon Verdächtiger einer Katalogstraftat nach § 100a StPO sein, oder seinen Anschluss diesem Personenkreis zur Verfügung stellen oder als Nachrichtenmittler für ihn arbeiten. Jedenfalls sollte man in den letztgenannten Fällen den Umgang dann umgehend beenden, wobei es vielleicht schon zu spät sein könnte, den Kopf ganz aus der Schlinge zu ziehen; Kavalliersdelikte enthält § 100a StPO nämlich nicht.

Den Rest des Berichts können Sie natürlich gerne weiterstudieren, mir jedenfalls reichen diese Zahlen aus, um das eingangs erwähnte "Äh, nein!" zu unterstreichen. QED und schönen Sonntag (oder anderen Wochentag, an dem Sie diesen Beitrag lesen)!

 

Quelle: Landtagsdrucksache 16/6505 vom 28.06.2019
 

"Bericht der Landesregierung zu einem Beschluss des Landtags;hier: Jahresbericht zur Telekommunikationsüberwachung 2018(Untersuchungsausschuss „Praxis der Telefonüberwachung“)"