Zu schnelle Schuldzuweisung?

30.09.2013

(Gastkommentar des BDK Landesvorsitzenden Niedersachsens Ulf Küch in der Braunschweiger Zeitung vom 30.09.2013 bzw. Onlineausgabe vom Tag zuvor.) Der Vorsitzende des NSU-Untersuchungsausschusses, Sebastian Edathy (SPD), erklärte mehrfach in den Medien, dass die Hauptursache im systemischen Versagen der Behörden gelegen habe. Weiterhin wird er im Deutschlandradio Kultur wie folgt zitiert: Es müsse nun nach Wegen gesucht werden, damit sich „ein solches massives, historisch beispielloses Behördenversagen“ nicht wiederholen kann. Herr Edathy hat sicherlich grundsätzlich recht. Aber er macht es sich sehr einfach und findet nach meinem Dafürhalten zu schnell die „wahren und einzigen Schuldigen an dem Ermittlungsdesaster“. Denn das sind danach die insgesamt unfähige Polizei, allen voran das Bundeskriminalamt, und die geheimnisvollen und schlecht zu durchschauenden Verfassungsschutzämter.
Zu schnelle Schuldzuweisung?
Ulf Küch BDK Niedersachsen

Nur, wer ist für den Zustand der Verfassungsschutzämter eigentlich verantwortlich? Und, wer bestimmt die organisatorischen und politischen Richtungen der Sicherheitsbehörden?

Das machen doch nicht die Polizei und der Verfassungsschutz selbst. Beide unterstehen dem jeweiligen Innenminister ihres Bundeslandes.

Aber schauen wir uns mal viele Länderpolizeien genauer an. Viele Länderpolizeien sind leider zu klassischen Spielwiesen für Landesinnenminister mutiert. Damit leiden die Polizeien noch mehr unter regelmäßigen „Reformen“ als die Schulsysteme, die auch nach jedem Wechsel der jeweiligen Landesregierungen dem Zugriff von „Experten“ der jeweils regierenden Parteien ausgesetzt sind.

Um entweder zu „sparen“ oder „schlanker“ zu werden sind viele Dienststellen der Kriminalpolizei und der Wasserschutzpolizeien entweder ganz aufgelöst oder soweit reduziert und umorganisiert worden, dass hinterher kaum noch funktionierende Dienststellen vorhanden waren. Dazu kam eine jahrlange stark reduzierte Einstellung, und damit stehen wir demnächst vor einem demografischen Desaster in vielen Länderpolizeien. Die Zusammenarbeit der Länderpolizeien scheitert nach wie vor an den X-verschiedenen Computersystemen der Bundesländer und den sonstigen bürokratischen Kleinstaatereien. Überregionale Ermittlungen gegen organisierte Banden sind eher die Seltenheit, da niemand alleine zuständig sein mag. Das beste Beispiel ist das Chaos in der Bewertung der Rockerkriminalität.

Ich möchte an dieser Stelle auch einmal daran erinnern, dass gerade in der NSU-Mordserie auch noch ein leider vielfach unterschlagener Aspekt zum Tragen kam, der die Ermittlungen erheblich behindert hat. Die Sache mit den Wattestäbchen. Da irrten Mordkommissionen jahrelang einem Phantom hinterher, nur weil die Herstellerfirma der für die DNA-Spuren zur Sicherung benutzten Wattestäbchen behauptete, ihre Produktion sei absolut steril. Ein Wissenschaftler in Saarbrücken stellte dann fest, dass die „Spurenverursacherin“, so auch angeblich bei dem Heilbronner Mord an unserer Kollegin, ein und dieselbe Person sein musste, die jahrelang „raubend, einbrechend und mordend“ durch Frankreich, die südliche Bundesrepublik, die Schweiz und Österreich gezogen war. Aber es war dann eben nicht Frau Zschäpe mit ihren verbrecherischen Mordkumpanen, sondern eine Angestellte der „Wattestäbchen firma“. Und diese arme Frau war natürlich vollkommen unschuldig. Damit wurden Dutzende Ermittlungen jahrelang in eine vollkommen falsche Richtung geführt.

Möglicherweise sind insgesamt auch handwerkliche Fehler bei den Polizeibehörden erfolgt. Das kann und will ich von hier nicht beurteilen.

Nur, und das ist meine Intention: So einfach den „schwarzen Peter“ in Richtung Polizei und Verfassungsschutz weiterzureichen, das geht so meines Erachtens nicht.

 

Link auf den Originaltitel:

http://www.braunschweiger-zeitung.de/debatte/kommentare/zu-schnelle-schuldzuweisung-id1171405.html

 

Ulf Küch BDK Landesvorsitzender Niedersachsen