Wirbel und Kritik – die Umfrage „Spannungsfeld Männlichkeit“

12.06.2023

„Gewalt in der Partnerschaft: Für jeden dritten Mann (33 Prozent) ist es akzeptabel, wenn ihm bei einem Streit mit der Partnerin gelegentlich die Hand ausrutscht.“
M.T ElGassier on Unsplash

12.06.2023

Der aktuelle Bericht von Plan International Deutschland e. V.

Der mediale Wirbel am letzten Wochenende war groß. Eine der aufgegriffenen Schlagzeilen war diejenige in der Unterüberschrift. Unter der Ergebnisrubrik „Gewalt in der Partnerschaft“ findet sich zudem folgende Aussage: „Mehr als ein Drittel der befragten Männer (34 Prozent) gibt an, dass sie gegenüber Frauen schon mal handgreiflich werden, um ihnen Respekt einzuflößen.“

Die Umfrage stammt von Plan International Deutschland e. V. Im März 2023 wurden nach Angaben von Plan International je 1.000 Männer und 1.000 Frauen von 18 bis 35 Jahren mittels Online-Befragung zu „zehn Aspekten von Männlichkeit“ befragt. Es soll sich um eine repräsentative, bundesweite Umfrage handeln.

Kritik wird zunehmend laut

Nun zu Wochenbeginn wird die Kritik – auch an den Medien selbst – lauter. So schreibt der Deutschlandfunk am 12.06.2023: „Ein Drittel der Männer in Deutschland finde Gewalt gegen die Partnerin „akzeptabel“, meldeten Medien am Wochenende. Dahinter steckte keine wissenschaftliche Studie, sondern eine Umfrage der Organisation Plan International – mit begrenzter Aussagekraft.“ Auch das ZDF hat „Zweifel an der Repräsentativität“.  

Gewalt gegen Frauen und Partnerschaftsgewalt
Das Thema ist zu wichtig, es darf nicht klein geredet werden. Unabhängig von der aktuellen Diskussion um die Veröffentlichung durch Plan International sind die Zahlen häuslicher Gewalt in Deutschland erschreckend hoch.  

Das Hellfeld in der Polizeilichen Kriminalstatistik

Das BKA wertet seit 2015 zielgerichtet Daten zur Partnerschaftsgewalt aus. Im Zuge der Einrichtung der „Unabhängigen Berichterstattungsstelle zu geschlechtsspezifischer Gewalt“ am Deutschen Institut für Menschenrechte berichtete die Bundesregierung über die Zahlen des Jahres 2021 (Die Zahlen des Jahres 2022 sind noch nicht veröffentlicht) und die geplanten weiteren Maßnahmen.

Demnach stellt sich die polizeiliche Lage (das Hellfeld) wie folgt dar: „

  • „2021 wurden (…) 143.604 Opfer von Partnerschaftsgewalt polizeilich erfasst.“
  • „Die ganz überwiegende Zahl der Opfer – nämlich 80 Prozent – waren Frauen, während die Täter zumeist Männer waren (79 Prozent).“

Opfer in Partnerschaften im Jahr 2021 insgesamt:

  • Opfer von Tötungsdelikten: 301 Frauen und 68 Männer (davon mit tödlichem Ausgang: 113 Frauen und 14 Männer)
  • Opfer von vorsätzlicher einfacher Körperverletzung: 67.201 Frauen und 18.341 Männer
  • Opfer von Bedrohung, Stalking und Nötigung: 30.703 Frauen und 4.015 Männer
  • Opfer von gefährlicher Körperverletzung: 11.947 Frauen und 5.512 Männer
  • Opfer von Vergewaltigung, sexueller Nötigung: 3.527 Frauen und 91 Männer

Nicht nur das BKA vermutet ein hohes Dunkelfeld!

Das Zuhause sollte ein Ort sein, an dem sich alle sicher und geborgen fühlen. Ein Rückzugsraum für Klein und Groß, für Frau und Mann. Ob Schutz- oder Kriminalpolizei, wir alle kennen Einsatz- und Tatorte im „Zuhause“, an denen Dinge hinter verschlossenen Türen passiert sind, die kein Nachbar vermutet hätte. Einsätze bei häuslicher Gewalt sind oft unübersichtlich und auch für die Einsatzkräfte sehr gefährlich.

Partnerschaftsgewalt zieht sich durch alle Gesellschaftsschichten und allzu häufig findet sie im Verborgenen statt. Die Aufhellung des Dunkelfeldes muss also Ziel aller Akteure im Bereich der Öffentlichen Sicherheit sein. BKA-Präsident Münch wird in der u. a. Pressemitteilung der Bundesregierung wie folgt zitiert: „Hinsehen statt wegschauen! Sowohl die Beratungsstellen als auch die Polizei sind für Sie da. Jede Anzeige eines solchen Delikts – durch Betroffene selbst, aber auch durch Zeuginnen und Zeugen – trägt dazu bei, die Täter zur Verantwortung zu ziehen.“  - das können wir nur unterstreichen.

Es ist deswegen richtig, dass nunmehr umfassende Dunkelfeldstudien geplant werden bei denen Bundesministerien und das BKA kooperieren und deren Ergebnisse 2025 vorgelegt werden sollen. Wir brauchen hierzu solide Forschung! 

Eine schon etwas ältere Studie des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zum Abschluss

Mit dem Titel "Lebenssituation, Sicherheit und Gesundheit von Frauen in Deutschland. Eine repräsentative Untersuchung zu Gewalt gegen Frauen in Deutschland." Gab das Bundesministerium im Jahr 2004 die Ergebnisse einer zentralen und (eher unumstrittenen) repräsentativen Studie heraus, bei denen 10.000 Frauen im Alter zwischen 16 und 85 Jahren in zweijähriger Studie durch die Uni Bielefeld in Kooperation mit infas, Institut für Sozialforschung, befragt worden sind. Gezielt wurden ergänzend in einer Teilstudie auch schwer erreichbare Bevölkerungsgruppen einbezogen, wie Frauen osteuropäischer und türkischer Herkunft sowie Prostituierte, Frauen in Asylbewerberheimen und Gefängnissen.

Die Studie umfasst in der Langfassung 878 Seiten und war Grundlage für verschiedene Folgemaßnahmen, die den Rahmen dieses Textes sprengen würde.

Ein Ergebnis soll dennoch herausgegriffen werden: „Insgesamt 37 % aller befragten Frauen gaben in der vorliegenden Untersuchung an, seit dem 16. Lebensjahr körperliche Übergriffe erlebt zu haben“.

Das ist eine Zahl aus einer langangelegten, seriösen Studie, die weiterhin nachdenklich machen muss. Wir haben ein gesellschaftliches Problem und müssen darüber sprechen!

 

Hilfsangebote

  • Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“: Frauen, die von Gewalt betroffen sind können rund um die Uhr anonym, barriere- und kostenfrei Hilfe in Anspruch nehmen – Angebot in 18 Sprachen: Telefon 116 016, https://www.hilfetelefon.de/
  • Hilfetelefon „Gewalt an Männern“: https://www.maennerhilfetelefon.de/ - Telefon: 0800 1239900

 

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