Wer braucht schon die Meinung von Fachleuten?
13.03.2024
Bereits seit vielen Jahren setzen die Strafverfolgungsbehörden auf den Einsatz von sogenannten Vertrauenspersonen (VP).
Hierbei handelt es sich um Personen, die als menschliche Quelle Erkenntnisse aus dem Inneren krimineller Gruppierungen erlangen, die die ermittelnden Behörden über herkömmliche polizeiliche Maßnahmen nicht erlangen können.
Der Einsatz von VP war bislang durch die "Gemeinsamen Richtlinien der Justizminister/-senatoren und der Innenminister/-senatoren der Länder über die Inanspruchnahme von Informanten sowie über den Einsatz von Vertrauenspersonen und Verdeckten Ermittlern im Rahmen der Strafverfolgung (Anlage D zur RiStBV)" geregelt, die festgeschrieben haben, wie die Inanspruchnahme von Informanten oder Vertrauenspersonen aber auch von verdeckten Ermittlerinnen und Ermittlern im Rahmen der Strafverfolgung zu erfolgen hat.
Bundesjustizminister Marco Buschmann hat im Kabinett heute einen Gesetzentwurf beschließen lassen, der nach seinen Aussagen Klarheit schaffen soll, damit keine Missverständnisse mehr entstehen. Jeder Einsatz von VP soll nun strengen Regeln unterliegen. Konkret soll der Einsatz von Vertrauenspersonen
- nur zur Aufklärung von Straftaten von erheblicher Bedeutung möglich sein
- Die Anordnung der Maßnahme durch ein Gericht ist zwingend erforderlich
- Die Vertrauensperson darf nicht eingesetzt werden, wenn die Geld- und Sachzuwendungen für den Einsatz auf Dauer ihre wirtschaftliche Lebensgrundlage darstellen.
- Der Einsatz einer Vertrauensperson darf max. insgesamt 10 Jahre andauern.
Zurückzuführen ist dieser Gesetzentwurf u. a. auf die mediale Berichterstattung zu einer einzigen Vertrauensperson, die im Umfeld von Anis Amri, dem Attentäter des Berliner Breitscheidplatzes, agiert hat und bei dessen Einsatz bekanntlich viele Dinge schiefgelaufen sind. Dirk Peglow sagt dazu:
„Aus meiner kriminalpolizeilichen Erfahrung kann ich sagen, dass Vertrauenspersonen hervorragende Ergebnisse liefern, die Ermittlungsverfahren fördern und im Zusammenspiel mit anderen kriminalpolizeilichen Maßnahmen dazu beitragen, dass Verurteilungen erfolgen.
Die Transparenz, die jetzt hier geschaffen werden soll, mag richtig sein, sie ist aber zugleich auch immer wieder eine Gefahr der Enttarnung von eingesetzten Vertrauenspersonen.
Darüber hinaus wird durch die neue Regelung der Personenkreis, der Kenntnis über den Einsatz von Vertrauenspersonen erlangt, erweitert. Das sehen wir als Bund Deutscher Kriminalbeamter sehr kritisch, denn das V steht hier ganz klar für Vertrauen. Wir haben es also erneut mit einem Gesetzentwurf zu tun, der einen Regelungscharakter hat, den wir in der Praxis aber gar nicht umsetzen können. Das wird zur Folge haben, dass wir den Einsatz von Vertrauenspersonen, der in bestimmten Kriminalitätsfeldern evident wichtig ist, einfach weniger oder kaum noch durchführen können.“
Der Bund Deutscher Kriminalbeamter hat sich bereits im Vorfeld gegen diesen Gesetzentwurf ausgesprochen. Und damit ist er nicht allein. Alle Generalstaatsanwaltschaften haben sich ganz klar gegen den Entwurf ausgesprochen. In einer gemeinsamen Stellungnahme der Generalstaatsanwälte heißt es:
„In einer Zeit steigender Herausforderungen der Strafverfolgungsbehörden durch demokratiefeindliche Bevölkerungsgruppen und kriminelle Parallelgesellschaften spielt der Referentenentwurf Schwerkriminellen – auch aus dem Bereich politischer Kriminalität – in die Hände1."
Und der Hamburger Generalstaatsanwalt Jörg Fröhlich führt dazu aus:
„Es verfestigt sich mittlerweile der Eindruck, dass es bei vielen Gesetzesänderungen nicht einmal mehr ansatzweise um die Belange der Staatsanwaltschaften geht.2“
Und auch die AG Kripo, die Arbeitsgemeinschaft der Leitungen der Landeskriminalämter mit dem Bundeskriminalamt, hat sich ebenso wie der Deutsche Richterbund gegen das Gesetzesvorhaben ausgesprochen.
Der Bundesjustizminister schießt mit seinem neuerlichen Gesetzentwurf einmal mehr über das Ziel hinaus. Auf die Expertise der Fachlichkeit legt er dabei leider wieder einmal keinen Wert. Aber wer braucht schon die Meinung von Fachleuten?
Weitere Informationen inkl. Stellungnahmen des BDK:
Tagesschau
Deutschlandfunk
NDR