VGH BW zu Beurteilungen und Beförderungspraxis

17.06.2014

VGH BW, Beschluss vom 17.06.2014, Az. 4 S 494/14. Schlagworte: Beurteilung, Beförderung, Anlassbeurteilung, Auswahlverfahren, Konkurrentenstreit.
VGH BW zu Beurteilungen und Beförderungspraxis

Leitsätze:

  1. Die regelhafte Erstellung von Anlassbeurteilungen von Amts wegen - ohne Bewerbung des Beamten - zur Vorbereitung eventueller späterer Beförderungsentscheidungen kommt nach Erreichen der Altersgrenze für die Erstellung von Regelbeurteilungen (hier: Nr. 2.3 Spiegelstrich 1 VwV-Beurteilung Pol) grundsätzlich nicht in Betracht.

  2. Ist das Auswahlverfahren durch mehrere grundlegende Mängel (hier: fehlende Dokumentation der Auswahlentscheidung, zum Auswahlstichtag fehlende Beurteilungsgrundlage, fehlerhafte Handhabung der vorgegebenen Richtwerte bei Erstellung der Regelbeurteilungen sowie fehlerhafte regelhafte Erstellung von Anlassbeurteilungen von Amts wegen) gekennzeichnet, sind die Erfolgsaussichten des unterlegenen Bewerbers bei einer erneuten Auswahl regelmäßig als offen anzusehen.

Externer Link:

- Verwaltungsgerichtshof Mannheim

vorgehend Beschluss des VG Stuttgart vom 19.02.2014, Az. 12 K 4747/13

 

Leitsätze

  1. Die Bekanntgabe der Auswahlkriterien rechtzeitig vor Ernennung des Mitbewerbers genügt den Anforderungen nach Art. 33 Abs. 2 GG i.V.m. Art. 19 Abs. 4 GG. Eine frühzeitige Bekanntgabe ist nicht erforderlich.

  2. Sind die dienstlichen Beurteilungen zum Zeitpunkt der Auswahlentscheidung (Auswahlstichtag) vom Letztbeurteiler noch nicht unterzeichnet, fehlt es an einer Entscheidungsgrundlage für die Auswahlentscheidung.

  3. Die Ausschreibungspflicht nach § 11 Abs. 2 LBG entfällt nicht durch Einbeziehung aller beförderungsreifen Beamten "von Amts wegen" in das Auswahlverfahren. Die Ausschreibungspflicht dient der Transparenz und Nachvollziehbarkeit der Stellenbesetzungen im öffentlichen Dienst (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 15.10.2013 - 2 B 10707/13); sie ist dem Bewerberverfahrensanspruch vorgelagert, weil sie die Bildung des Bewerberkreises zur Folge hat.

  4. Die Erstellung von regelmäßigen Anlassbeurteilungen nach Erreichen des maßgeblichen Lebensalters, ab dem keine Regelbeurteilungen mehr erfolgen, ist unzulässig.

  5. Die für die Erstellung von Regelbeurteilungen ggf. zu beachtende Richtwerte für die Vergabe von Spitzenbeurteilungen müssen sich auch bei Anlassbeurteilungen niederschlagen (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.11.2012 - 2 VR 5/12).

  6. Dem Gebot der inhaltlichen Ausschöpfung von dienstlichen Beurteilungen entspricht es nicht, lediglich den Durchschnittswert der Leistungsbeurteilungen heranzuziehen.

  7. Indizien für eine an sachfremden Gesichtspunkten ausgerichtete Beurteilungs- und Beförderungspraxis können ein ungewöhnlich langer Zeitraum zwischen Zeitpunkt der Beurteilungskonferenz und Unterzeichnung der dienstlichen Beurteilungen, eine erhebliche Überschreitung der Spitzensätze nach der VwV-Beurteilung Pol, eine Einbeziehung von Anlassbeurteilungen, die ohne Berücksichtigung der vorgegebenen Spitzensätze erstellt wurden sowie erhebliche und nicht gesondert begründete Notensprünge in den Anlassbeurteilungen der erfolgreichen Bewerber sein.