VG Karlsruhe mit Ausführungen über Beihilfefähigkeit im Allgemeinen, im Speziellen zu einem Therapiestuhl

05.06.2020

VG KA, Urteil vom 05.06.2020, Az. 9 K 66/19. Schlagworte: Beihilfe, BVO, Höchstgrenze, Fürsorgepflicht.
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05.06.2020 

Leitsatz: Zur Beihilfefähigkeit von Therapiestühlen als „Behindertenstühle und -sessel" (Therapiestuhl „Smilla“) nach der Beihilfeverordnung Baden-Württemberg in der ab 01.01.2017 geltenden Fassung. 

Hinweise:

  1. Zur speziellen Fragestellung Therapiestuhl – Behindertenstuhl vgl. insb. RN 19
  2. Allgemeine Ausführungen zum Thema Beihilfefähigkeit: RN20 (Auszug): „Es ist grundsätzlich, insbesondere mit Blick auf den allgemeinen Gleichheitssatz und die Fürsorgepflicht des Dienstherrn, nicht zu beanstanden, wenn der Verordnungsgeber die Beihilfefähigkeit durch Höchstbetragsregelungen begrenzt. Die Beihilfe ist eine ergänzende Fürsorgeleistung und soll lediglich die notwendigen und angemessenen Aufwendungen unter Berücksichtigung der Eigenvorsorge und der zumutbaren Eigenbelastung decken (vgl. BVerwG, Urteil vom 02.04.2014 – 5 C 40.12 –, juris, Rn.19). Auch das Bundesverfassungsgericht hat bestätigt, dass die Fürsorgepflicht eine lückenlose Erstattung jeglicher Aufwendungen nicht verlangt (vgl. Beschluss vom 07.11.2002 – 2 BvR 1053.98 –, juris, Rn. 29). Daher ist eine Begrenzung oder Versagung für bestimmte krankheitsbedingte Aufwendungen möglich, sofern die einschränkende Regelung die Fürsorgepflicht nicht in ihrem Wesenskern verletzt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 03.03.1989 – 2 NB 1.88 –, juris, Rn.7). Auch pauschalierende Festsetzungen von Höchstbeträgen sind möglich und verstoßen grundsätzlich nicht gegen die Fürsorgepflicht. Das Bundesverwaltungsgericht führt in ständiger Rechtsprechung aus, dass wegen des ergänzenden Charakters der Beihilfe auch Härten und Nachteile hingenommen werden müssen, die sich aus der pauschalierenden und typisierenden Konkretisierung der Fürsorgepflicht nach der Beihilfevorschrift ergeben und die keine unzumutbare Belastung bedeuten (vgl. Urteil vom 18.06.1980 – 6 C 19.79 –, juris, Rn. 33). Nur wenn der Satz so niedrig läge, dass eine unerträgliche Belastung der amtsangemessenen Lebensführung eintreten würde, könnte die Fürsorgepflicht in ihrem Wesenskern beeinträchtigt und eine derartige Regelung ungültig sein. Bis zu dieser äußersten Grenze hat der Dienstherr einen weiten Ermessensspielraum, wie er die Beihilfeleistung ausgestaltet (vgl. BVerwG, Urteil vom 18.06.1980 – 6 C 19.79 –, juris, Rn.33). (…) Eine lückenlose Erstattung jeglicher Aufwendungen gebietet auch die Fürsorgepflicht des Dienstherrn nicht.“
  3. Allgemeine Ausführungen zum Thema Härtefallregelung: RN21 (Auszug): „Weitergehenden Ansprüche kann die Klägerin vorliegend auch nicht aus der Härtefallklausel des § 5 Abs. 6 BVO herleiten. Nach § 5 Abs. 6 Satz 1 BVO kann bei Anlegung eines strengen Maßstabes in besonderen Härtefällen mit Zustimmung der obersten Dienstbehörde und nur im Einvernehmen mit dem Finanz- und Wirtschaftsministerium zu Aufwendungen im Sinne des § 78 LBG ausnahmsweise abweichend von den in dieser Verordnung genannten Voraussetzungen Beihilfe gewährt werden. Dies gilt jedoch nach § 5 Abs. 6 Satz 3 nicht für Aufwendungen, die ausdrücklich von der Beihilfefähigkeit ausgenommen oder der Betragshöhe nach begrenzt sind. Damit hat der Verordnungsgeber eine Vorschrift geschaffen, um ganz besonderen Fällen gerecht werden zu können, in denen die durch die Beihilfeverordnung erfolgte typisierende, pauschalierende und abschließende Konkretisierung der gesetzlich und verfassungsrechtlich gebotenen Fürsorgepflicht ausnahmsweise nicht ausreichend ist, um den Wesenskern der Fürsorgepflicht gegenüber dem beihilfeberechtigten Beamten und seinen Angehörigen zu gewährleisten. In derartigen Einzelfällen, in denen in Folge eines die Beihilfeberechtigung hervorrufenden Tatbestands eine unerträgliche Beeinträchtigung der Möglichkeit zur amtsangemessenen Lebensführung auftritt, kann eine Verletzung des Wesenskerns der Fürsorgepflicht gegeben sein und einen Anspruch auf weitergehende Beihilfe begründen (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 11.11.2008 – 4 S 2725/06 –, juris, Rn. 38) (…)“

 

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