VG Freiburg zur Entlassung aus dem Polizeidienst wegen Mitgliedschaft in einer WhatsApp-Gruppe mit nationalistischem und rassistischem Inhalt
19.10.2020
Leitsätze:
- Die Entlassung eines in Ausbildung befindlichen Polizeibeamten auf Widerruf gemäß § 23 Abs. 4 Satz 1 BeamtStG wegen berechtigter Zweifel an der charakterlichen Eignung kann auch aufgrund einer weitgehend passiven Mitgliedschaft in einer polizeiinternen WhatsApp-Gruppe, innerhalb der nationalsozialistische, antisemitische, rassistische, gewaltverharmlosende und -verherrlichende sowie frauenverachtende Kommentare und Bilder geteilt werden, gerechtfertigt sein, ohne dass es der Feststellung einer gefestigten eigenen rechtsextremen Überzeugung bedarf. (Rn.52)
- Von einem Polizeibeamten ist zu erwarten, dass er zu jeder Zeit und ohne jeden Vorbehalt für die Verteidigung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung und die Grundwerte eines friedlichen Zusammenlebens eintritt. (Rn.51)
Auszüge/Ergänzungen:
RN51: (…) „Die Verpflichtung zur Verfassungstreue verlangt, dass der Beamte sich zu dieser freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekennt, aktiv für sie eintritt und sich eindeutig von Gruppen und Bestrebungen distanziert, die den Staat, seine verfassungsmäßigen Organe und die geltende Verfassungsordnung angreifen, bekämpfen und diffamieren (…)“
RN52: „Das Hinnehmen und kritiklose Kommentieren von nationalsozialistischen und antisemitischen (vgl. hierzu etwa die Vorfälle Nr. 1; 3; 4; 7; 8 ; 9; 12; 13; 14; 18), rassistischen (vgl. hierzu Nr. 17; 19; 21), gewaltverharmlosenden und -verherrlichenden (vgl. hierzu Nr. 9; 14; 15; 16; 20) sowie frauenverachtenden (vgl. Nr. 5; 6; 10; 20) Äußerungen, Symbolen und Bildern innerhalb der geschlossenen WhatsApp-Gruppe von Polizeianwärtern begründet berechtigte Zweifel an der persönlichen Eignung des Antragstellers für den Polizeiberuf, ohne dass es der Feststellung einer gefestigten eigenen rechtsextremen Überzeugung bedarf. Von einem Polizeibeamten ist zu fordern, dass er entsprechende Chats, in denen das Verschicken von Hakenkreuzsymbolen, Hitlerbildern, antisemitischen, das nationalsozialistische Unrecht verharmlosenden oder gewaltverherrlichenden, rassistischen und frauenverachtenden Äußerungen als „normal“ oder als „lustig“ („Schwarzer Humor“) angesehen wird, nicht einfach hinnimmt. Vielmehr ist bereits während der Ausbildungszeit zu erwarten, dass sich der Widerrufsbeamte für die Grundwerte des gesellschaftlichen s aktiv einsetzt und dem widersprechenden Verhalten (gerade) auch innerhalb des Kollegenkreises etwas entgegensetzt. Die auch im vorliegenden Verfahren zum Ausdruck kommende undifferenzierte und unreife Haltung des Antragstellers begründet erhebliche Zweifel an seiner charakterlichen Eignung. Dem Antragsteller wird insoweit nicht fremdes Verhalten zugerechnet, vielmehr wird sein eigenes Handeln bewertet.“
RN59: „(…) Er war zwar innerhalb der WhatsApp-Gruppe eher ein „Mitläufer“ und gehörte nicht zu den Tonangebenden innerhalb dieser Gruppe. Das aber hindert aus den vorgenannten Gründen die vom Antragsgegner getroffene Einschätzung nicht. Die Aktivitäten des Antragtellers in der Gruppe belegen ebenso wie sein Vorbringen im vorliegenden Verfahren, dass er die in der Gruppe geteilten Bilder und Äußerungen verharmlost und bagatellisiert. Deren Häufigkeit über einen längeren Zeitraum lassen auch ein „Augenblicksversagen“ ausgeschlossen erscheinen. Der Rückschluss von den Chatinhalten und dem in diesem Zusammenhang gezeigten Verhalten des Antragstellers auf seine innere Einstellung ist vom Antragsgegner auf der Grundlage einer Gesamtwürdigung seines Verhaltens unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls erfolgt und genügt insoweit den rechtlichen Anforderungen (…)“
Anmerkung: Aus Sicht des BDK BW besteht kein Zweifel daran, dass die Anforderungen an die Verfassungstreue und das aktive Eintreten für die fdGO an Beschäftigte im öffentlichen Dienst, im Besonderen im Bereich der Polizei, anderen Maßstäben unterliegen müssen, als dies für die Allgemeinbevölkerung gilt. Die konsequente Bewertung der HfPol BW (insb. RN26) und die Bestätigung durch das Verwaltungsgericht in Freiburg sind deswegen richtig und zu begrüßen.
Externer Link:
VG Freiburg, Beschluss im Volltext