Unzureichende Leichenschau in MV – beginnt jetzt ein Umdenken?

03.09.2017

Schon vor einigen Jahren hat der BDK in Mecklenburg-Vorpommern gewarnt, das Personal und die Leistungen der Rechtsmedizin im Nordosten zu reduzieren. Jetzt schrecken uns zwei Meldungen auf, die unsere Befürchtungen und Hoffnungen gleichermaßen bestätigen.
Unzureichende Leichenschau in MV – beginnt jetzt ein Umdenken?

Hoffnungsvoll stimmen uns entsprechende Meldungen vom 1. September 2017 aus dem Bundesland Bremen. Dort müssen seit dem 1. August 2017 alle Verstorbenen einer qualifizierten Leichenschau unterzogen werden. Das bedeutet, dass alle Leichen nach der Feststellung des Todes durch niedergelassene oder Krankenhausärzte zusätzlich durch Rechtsmediziner oder besonders geschulte Ärzte untersucht werden. Auf diese Weise soll und wird die Fachlichkeit der Leichenschau erhöht. Außerdem steigt natürlich die Wahrscheinlichkeit der Erkennung möglicher anderer Todesursachen bis hin zum Ausschluss oder zur Bestätigung eines Tötungsdeliktes. Hierbei handelt es nicht um Kritik an den niedergelassenen oder Krankenhausärzten, denn auch jeder Arzt ist wie jeder Polizist ein Spezialist auf seinem Gebiet. Und für die Leichenschau sind nun einmal die Rechtsmediziner die anerkannten Fachleute. Mit dieser neuen Regelung soll zumindest in Bremen eine Wiederholung der offensichtlichen Mordserie des bereits für sechs Morde verurteilten Pflegers am Delmenhorster Klinikum verhindert werden.

Und dann gab es ebenfalls am 1. September 2017 eine wirklich erschreckende Meldung aus unserem Bundesland.

Eine Studie der Universität Rostock zeigte jetzt eindeutig auf, was viele Kenner der „Szene“ nicht nur in Meck-Pomm wussten oder ahnten. Unter 10.000 untersuchten Totenscheinen aus dem Zuständigkeitsbereich des Rostocker Krematoriums waren nach den Angaben der Rostocker Rechtsmediziner lediglich 223 ohne Fehler, bei mehr als einem Viertel der Todesbescheinigungen mussten gravierende Fehler festgestellt werden. Auch die angeführte Studie nimmt – nach unserer Auffassung völlig zu Recht – die niedergelassenen oder Krankenhausärzte in Schutz. In der Veröffentlichung zur Untersuchung der Universität Rostock heißt es daher: Es sei aber zu einfach und nicht zielführend, den Ärzten Oberflächlichkeit oder mangelnde Mühe vorzuwerfen. Die Leichenschau außerhalb einer Klinik sei eine schwierige Aufgabe und es müssten bei der Ausstellung eines Totenscheines gleich eine Reihe von Gesetzen und Vorschriften beachtet werden. Es seien ganz einfach keine Spezialisten am Werk: „Wenn ein niedergelassener Arzt beispielsweise zweimal im Jahr zu einer Leichenschau gerufen wird, stellt sich bei ihm kaum eine Routine ein“.“ Ähnlich wie wir als Berufsvertretung in der Polizei argumentieren, wird also von erfahrenen Rechtsmedizinern darauf verwiesen, dass spezialisierte Tätigkeiten eben nur von Fachleuten auszuführen sind.

Die Rechtsmediziner im Nordosten unserer Republik regen deshalb an, dass künftig spezialisierte Ärzte oder medizinisch geschulte Spezialisten die Leichenschau außerhalb der Krankenhäuser vornehmen sollen. Ein Vorschlag bzw. eine Anregung, die jener Bremer Handlungsanleitung entspricht. Darüber schlagen die Rostocker Fachleute vor, eine einheitliche Todesbescheinigung für ganz Deutschland einzuführen. Gegenwärtig entscheide jedes Bundesland selbst über die Verfahrensweise nach einem Todesfall. Darüber hinaus sollten mehr Sektionen durchgeführt werden, da fast jede zweite Leichenschaudiagnose nach einer Sektion korrigiert werden müsse.

Genau wie der Bund Deutscher Kriminalbeamter kritisiert die Fachgesellschaft der Rechtsmediziner in Deutschland wiederholt die Praxis und die auftretenden Irrtümer bei der ärztlichen Leichenschau. Die Folgen einer unzureichenden Leichenschau sind nicht nur mögliche unentdeckte Tötungsdelikte, sondern auch eine fehlerhafte amtliche Todesursachenstatistik.

Angesichts ernstzunehmender Schätzungen, nach denen etwa jedes 2. Tötungsdelikt unentdeckt bleibt, brauchen wir dem bisher Beschriebenen wohl nichts mehr hinzuzufügen. Gehen auch wir in MV endlich den Bremer Weg und folgen den Forderungen der hiesigen Rechtsmediziner. So bekommen die ärztliche Leichenschau die dringend und zwingend notwendige Qualitätssteigerung und viele Opfer von Mord oder Totschlags ein klärendes Verfahren.

Für Rückfragen:

Ronald Buck