Übertragung der Tarifergebnisse per Gesetz

13.11.2024

Eine durchaus kritische Nachbetrachtung des BDK BW.
Bruno Glätsch - Pixabay

13.11.2024

Sachstand zur Umsetzung

Erst am 23.10.2024 hat es der Landtag von Baden-Württemberg geschafft, das Übertragungsgesetz der Tarifverhandlungen[1] zu verabschieden. Dieses ist Voraussetzung dafür, dass die aktiven Beamtinnen und Beamten sowie die Versorgungsempfängerinnen und Versorgungsempfänger an den Tarifentwicklungen teilhaben können. Der Tarifabschluss ist vom 9.12.2023.

 

Grenzen und Chancen

Für die Regierung und im zweiten Schritt für den Gesetzgeber, gibt es keine Verpflichtung zur Übertragung von Tarifergebnissen auf die Beamtenschaft – aber auch keine Beschränkung. Das heißt, es können auch andere Themen des Besoldungs- und Versorgungsbereichs angepasst werden. Das passiert regelmäßig und es öffnet auch den Gewerkschaften und Berufsvertretungen die Möglichkeit, sich umfassender zu notwendigen Bedarfen zu äußern. Es sollte allerdings nicht verwundern, dass dies in die Kategorie „Bohren von dicken Brettern“ fällt – also klassische politische Lobby-Arbeit.

Der BDK BW hat die Möglichkeit genutzt, und im Anhörungsverfahren eine Stellungnahme abgegeben. Im Gesetzgebungsverfahren führt das dazu, dass die Abgeordneten des Landtags von Baden-Württemberg sämtliche Vorschläge mit Bewertung der Regierung – hier unter Federführung des Finanzministeriums – vorgelegt bekommen. Der zuständige Ausschuss des Parlaments (hier Finanzausschuss) befasst sich eingehender mit dem Gesetzesentwurf und den Anhörungen und erstellt dann einen Beschlussvorschlag. In den Ausschüssen sind im Übrigen alle Parteien des Parlaments nach ihrem Stimmengewicht vertreten und können sich einbringen.

 

Notwendige Anpassungen des Besoldungs- und Versorgungsrecht aus Sicht des BDK BW (Langfassung unserer Stellungnahme als Anlage verlinkt – Komplettfassung der Landtagsdrucksache (Gesetzesvorlage des Parlaments) als externer Link)

 

Zu Artikel 1 § 2 und § 3:

„Polizeizulage erhöhen und ruhegehaltsfähig ausgestalten“

Votum der Landesregierung – Nicht berücksichtigt

Stellenzulagen wie die Polizeizulage gehören nicht zum Kernbereich der Besoldung, sind grundsätzlich nicht ruhegehaltfähig und nehmen grundsätzlich nicht an den regelmäßigen Besoldungsanpassungen teil. Eine Anhebung beziehungsweise eine Dynamisierung oder die Einführung der Ruhegehaltfähigkeit von Stellenzulagen ist nicht vorgesehen.

Reaktion des BDK BW: Wir haben darauf hingewiesen, dass der Polizeiberuf in den letzten Jahren erneut gefährlicher geworden ist. Die Gewalt gegen die gesamte Blaulichtfamilie und im Besonderen gegen die Polizei steigt weiter an. Daneben hat speziell die Polizeifamilie im Jahr 2024 mit der feigen Tötung von Rouven L. einmal mehr vor Augen geführt bekommen, wie unberechenbar unser Beruf sein kann. Kurz darauf starb unser Kollege Thomas H. auf tragische Weise im EM 2024-Einsatz. Dass diese Argumente die politischen Entscheider offenbar nicht dazu bewegen können, zu handeln, spricht für sich.
Die Versicherungen werden hingegen genau auf diese Entwicklungen schauen und prognostisch ihre Beiträge für Lebens- und Dienstunfähigkeitsversicherungen für Polizeibeamtinnen und -beamten anpassen. Die Polizeizulage bleibt indes eingefroren auf dem Stand des Jahres 2008.

 

Zu Artikel 2, 3:

„Stichtagsregelung 9. Dezember 2023“ überdenken u. a. mit Blick auf Personen, die in Elternzeit waren.

Votum der Landesregierung – Nicht berücksichtigt

Auszug: Die Stichtagsregelung stellt demnach gerade auch eine Typisierung in der Zeit dar. Ausnahmen von der Anknüpfung an den vorgenannten Bezügeanspruch beziehungsweise weitergehende Differenzierungen sind demnach auch im Sinne der Verwaltungsvereinfachung und -ökonomie nicht vorgesehen. Dass Personen, die sich ohne Bezügeanspruch in den Referenzzeiträumen beispielsweise in Elternzeit befinden, keine Inflationsausgleichszahlungen erhalten, steht im Einklang mit dem Gleichheitssatz und stellt auch keine mittelbare Diskriminierung dar. (…) Leider lassen sich (Einzelfall-)Härten, die sich aus der erforderlichen stark typisierenden und pauschalierenden Stichtagsregelung ergeben, auch zugunsten eines Gleichklangs mit dem Tarifbereich, nicht gänzlich vermeiden.

„Inflationsausgleichsprämie für Teilzeitbeschäftigte und Versorgungsempfänger:innen“

Votum der Landesregierung – Nicht berücksichtigt

Teilzeitbeschäftigte, Auszug: Das InflAbmilBG 2024 sieht daher wie der TV Inflationsausgleich bei einer Teilzeitbeschäftigung (mit gleichmäßig sowie ungleichmäßig verteilter Arbeitszeit bei beispielweise einem Altersteilzeitmodell) vor, die Inflationsausgleichszahlungen entsprechend des auf Antrag individuell zwischen dem Dienstherrn und der teilzeitbeschäftigten Person vereinbarten Teilzeitumfangs auszuzahlen. Dieser Teilzeitumfang liegt auch den gezahlten Dienstbezügen zugrunde.

Versorgung, Auszug: Die Versorgung ist durch die Anwendung des Ruhegehaltssatzes seit jeher niedriger bemessen als die Besoldung einer Person in Vollzeit.

  

Zu Artikel 1, 2, 3:

„Zur Einbeziehung der Inflationsausgleichzahlungen in Nominallohnindex und folglich auch in die Besoldungsentwicklung (unter Bezugnahme auf die verfassungsrechtlichen Ausführungen Seite 61 ff.)“ – grundsätzliche Ausführungen zu Einmalzahlungen und speziell dem Abstandsgebot bei Übertragung eines Sockelbetrags zum 1.11.2024

Votum der Landesregierung – Nicht berücksichtigt

Umfangreich begründet die Landesregierung auch mit Blick auf verfassungsrechtliche Rechtsprechung, dass nichtlineare Einmalzahlungen bei der Anpassung von Besoldung und Versorgung möglich sind.

Auszug: Mit Blick auf die finanzielle Tragweite der Inflationsausgleichszahlungen gemäß InflAbmilBG 2024 entspricht deren Berücksichtigung bei der Besoldungsentwicklung zudem der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 4. Mai 2020, 2 BvL 4/18, Rn. 31), wonach nichtlineare Besoldungserhöhungen (beispielsweise Einmalzahlungen) auf der ersten Prüfungsstufe zu berücksichtigen sind, wenn von vornherein feststeht, dass sie einen erheblichen Einfluss auf die Besoldungsentwicklung haben (können).

 

Reaktion des BDK BW (zu den vorherigen Blöcken): Die Länderregierungen des Gültigkeitsbereichs des Tarifvertrags TV-L haben die Inflationsausgleichsprämie in die Tarifverhandlungen einbezogen und damit Einmaleffekte erzielt, nichts anderes bedeutet nun die Umsetzung auf die Beamtinnen und Beamten – wenngleich man durchaus kritisch hinterfragen darf, ob hier nicht Äpfel mit Birnen verglichen werden oder Rosinenpickerei betrieben wird (Anm.: das Begriffspaar Äpfel und Birnen benutzt die Landesregierung selbst in der Drucksache und die Rosinenpickerei ist ein gern gewähltes Bild der Rechtsprechung wenn es um Vergleiche zwischen Besoldung/Versorgung und Arbeitsentgeltfragen geht). Mehr Weitblick wäre notwendig.

 

Zu Artikel 9:

„Erschwerniszulagen für Nachtdienste, Dienste an und vor Sonn- und Feiertagen – unvollständige Regelungen und Notwendigkeit einer Gesamtbetrachtung des Zulagenwesens für „DUZ und LOD““

Votum der Landesregierung – Nicht berücksichtigt

Zum Thema der Gesamtbetrachtung schreibt die Regierung: Nicht Gegenstand dieses Gesetzgebungsverfahrens.

Zum Thema: Erhöhung auch der Zulagen für Nachtdienst und Samstagnachmittagsdienst

Votum der Landesregierung – Nicht berücksichtigt
Erschwerniszulagen nehmen ebenso wie Stellenzulagen grundsätzlich nicht an den regelmäßigen Besoldungsanpassungen teil. Mit dem Gesetzentwurf sollen nur diejenigen Erschwerniszulagen dynamisiert werden, die auch in der Vergangenheit schon bei linearen Anpassungen berücksichtigt wurden.

„Erschwerniszulagen für besondere Tätigkeiten – unvollständige Anpassungen“

Die Gesetzesvorlage sah vor, dass die Taucherzulage nach § 11 EZulVOBW angepasst wird. Wir haben darauf hingewiesen, dass Zulagen für MEK, SEK, Verdeckte Ermittler und Personenschützer sowie Angehörige der Hubschrauberstaffel hingegen nicht angepasst werden sollen und auch hier eine Dynamisierung erforderlich ist, weil Zulagen wie eben die Polizeizulage auch, sonst jährlich durch Inflation entwertet werden.

Votum der Landesregierung – Nicht berücksichtigt
Erschwerniszulagen nehmen ebenso wie Stellenzulagen grundsätzlich nicht an den regelmäßigen Besoldungsanpassungen teil.

„Aufnahme weiterer Gruppen“

Aus Sicht des BDK sind Erschwerniszulagen auch für zwei Einheiten des LKA BW zu gewähren, die Mobilfunkaufklärung und die Fahndungs- und Observationseinheit Staatsschutz.

Votum der Landesregierung – Nicht berücksichtigt
Eine Ausweitung des anspruchsberechtigten Personenkreises bei der Zulage für besondere Einsätze ist nicht vorgesehen.

Reaktion des BDK BW (zur Erschwerniszulagenverordnung): Die gestellten Fragen bleiben unbeantwortet – warum werden nur einzelne LOD/DUZ-Parameter geändert und warum wird ein einzelner Bereich bei einer Anpassung herausgenommen?

Nur um die Auswirkungen von Inflation klar zu machen. Eine Zulage in Höhe von 300, wie sie beispielsweise das MEK oder SEK bekommt, wird bei einer Inflationsrate von rund 10 % im relevanten Betrachtungszeitraum der durch die aktuellen Tarifverhandlungen abgedeckt wird auf rund 270 Euro reduziert.

Kleine Bonusberechnung zur Polizeizulage (für alle Leserinnen und Leser, die noch am Ball sind): Seit 2008 hatten wir eine Gesamtinflation von über 30 % - die eingefrorene Polizeizulage aus dem Jahr 2008 in Höhe von 132,69 Euro wurde damit auf etwa 90-93 Euro in den letzten Jahren entwertet. Wir alle wissen, was die Versicherungen die letzten Jahre aufgeschlagen haben.

 

Weitere Hinweise

„Notwendige Dynamisierung der Einkünftegrenze in der Beihilfe“

Votum der Landesregierung: Nicht Gegenstand dieses Gesetzgebungsverfahrens.
Eine Regelung zur Dynamisierung der Einkünftegrenze wird nicht eingeführt. Es soll weiterhin dem Willensbildungsprozess des Gesetzgebers obliegen, wann eine Änderung der Höhe der Einkünftegrenze angebracht erscheint.

„Notwendige Anpassungen im Bereich von Versorgungslücken“

Votum der Landesregierung: Nicht Gegenstand dieses Gesetzgebungsverfahrens
Bei der aufgeworfenen Problematik handelt es sich um eine familien- und rentenrechtliche Thematik, welche auf einem individuellen privaten Lebenssachverhalt außerhalb der Erwerbskarriere beruht. Insofern besteht aus Fürsorgegründen keine Verpflichtung des Dienstherrn dies zugunsten der betroffenen Beamtinnen und Beamten innerhalb des Beamtenversorgungsrechts auszugleichen.

„Notwendige Anpassungen im Bereich der Mütterrente I und II“

Votum der Landesregierung: Nicht Gegenstand dieses Gesetzgebungsverfahrens
Die Einführung der „Mütterrente“ dient der sozialen Stütze derer, die wegen langer Kindererziehungszeiten eine niedrige Altersversorgung zu erwarten haben. Der Alimentationscharakter der Versorgungsbezüge begründet bereits eine ausreichende Versorgung außerhalb der sogenannten Mütterrente, die den Beamtinnen und Beamten und deren Hinterbliebenen einen angemessenen Lebensunterhalt sichert. Insoweit dürfen die Versorgungsbezüge einen bestimmten Betrag, die sogenannte Mindestversorgung, nicht unterschreiten. Dies gilt auch bei langen Zeiten der Kindererziehung. (…) Im Sinne einer nachhaltigen und generationen-gerechten Haushaltspolitik müssen Rechtsänderungen, welche zusätzliche Ausgabeverpflichtungen für einen langen Zeitraum begründen, genau abgewogen werden. Eine Übertragung der Mütterrente ist daher nicht vorgesehen.

Reaktion des BDK BW: Alle drei Themen sind wichtige Verbandsthemen und müssen regelmäßig in das politische Bewusstsein gerückt werden – hier verbergen sich sehr dicke Bretter, um im obigen Bilde zu bleiben.

„Fehlende Anpassung im Bereich des Trennungsgeldes bei Abordnungen und Versetzungen“

Votum der Landesregierung: Nicht Gegenstand dieses Gesetzgebungsverfahrens
Ungeachtet dessen ist die Forderung sachlich nicht gerechtfertigt. Die Trennungsgeldberechtigten erhalten beispielsweise die im Rahmen der Abordnung anfallenden notwendigen und angemessenen Unterkunftskosten ersetzt. Bei inflationsbedingten gestiegenen Unterkunftskosten werden dann auch die gestiegenen Kosten ersetzt. Dasselbe gilt für Fahrtkosten mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Die Wegstreckenentschädigung bei Benutzung eines Kfz richtet sich nach dem Landesreisekostengesetz.

Gesamtfazit BDK BW:

Wir haben zurückliegend bereits darauf hingewiesen, dass die Zeitläufe zur Umsetzung des Gesetzes erstaunen müssen, da bereits am 1. November 2024 die erste Anpassung bei einer 1:1 Übertragung des Tarifergebnisses greifen mussten. Erst am 23. Oktober wurde das Gesetz verabschiedet. Es klingt etwas wie Hohn, dass eine Vorweggewährung der geplanten Umsetzung (vgl. zurückliegende Mitteilung des LBV) als Erfolg seitens Regierung gewertet wird.

Hätte das Gesetz umfangreiche und sinnvolle weitere Ergänzungen erhalten – einige Vorschläge haben wir unterbreitet, andere gute Anregungen gab es von anderer Seite (unter anderem gab es Ansätze auch in der Beratung im Landtag zum Gesetz – vgl. Videolink), dann hätte man das gut akzeptieren können – leider setzt sich fort, was sich mit der Umsetzung des sog. 4-Säulenmodells angedeutet hat. Das Finanzministerium setzt um, was es muss und versucht eng an der Grenze des verfassungsrechtlich Zulässigen zu bleiben und nicht darauf hinaus Regelungen zu treffen.

Hierzu gehört auch das im Landtag von Staatssekretärin Gisela Splett (GRÜNE) aufgegriffene Thema der Weiterentwicklung des Familienmodells bei der verfassungskonformen Betrachtung der Alimentation – wonach die Lebenswirklichkeit in Baden-Württemberg darin besteht, dass es im Kern keine Alleinverdiener-Familie mehr gibt, sondern dass meist beide Partner:innen arbeiten. Hier muss die Frage nach Ursache und Wirkung gestellt werden. Zum letzten Themen – siehe auch nachfolgender Hinweis.

 

Ergänzender Hinweis: Am 28. Oktober 2024 erreichte uns ein Schreiben des Finanzministeriums zum Thema „Familienergänzungszuschlag in der Besoldung“, das wir unseren Mitgliedern zuleiten werden. Mitglieder im aktiven Beamtenverhältnis in A10, die verheiratet sind und mindestens ein Kind haben, müssen aktiv werden, wenn die Ehegattin/der Ehegatte kein Einkommen bzw. weniger als 6.000 Euro Nettoeinkommen im Jahr hat.

 

Link: Stellungnahme BDK Baden-Württemberg zum Gesetzgebungsverfahren

Externe Links:

 

[1] Gesetz über die Anpassung von Dienst- und Versorgungsbezügen in Baden-Württemberg 2024/2025 und zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften (BVAnp ÄG 2024/2025)