Tatort Deutschland - Mafialesung in Böblingen

27.04.2009

Bund Deutscher Kriminalbeamter fordert bessere europäische Zusammenarbeit und ein Ende mit dem Gezeter über den angeblichen Untergang des Rechtsstaates
Tatort Deutschland - Mafialesung in Böblingen

In Böblingen fand am 20. April in der Stadtbibliothek Böblingen eine Lesung der Journalistin Petra Reski aus ihrem aktuellen Buch Mafia - Von Paten, Pizzerien und falschen Priestern statt. Dem überwiegend fachkundigen Publikum wurde durch die Journalistin ein beklemmender Blick auf die süditalienische Lebenswirklichkeit und der dort herrschenden  omnipotenten Mafiadurchdringung eröffnet. Das ernüchternde Fazit nach Lesung und Fachdiskussion bleibt haften, dass auch der 6-fache Mafiamord von Duisburg und die nachfolgenden intensiven Ermittlungen in Italien, Deutschland und den Niederlanden und die damit in Verbindung stehenden Festnahmen die Macht der Mafia in keinster Weise gebrochen hat.

Der Moderator der Veranstaltung, der Vorsitzende des BDK-Verband Bund, Thomas Mischke, stellte fest, dass die von Frau Reski in ihrem Werk zusammengestellten Themen zwar literarisch leicht, prickelnd und zeitweilig gar poetisch daherkommen, wie eine lebensfremde Fabel oder eine burleske Überhöhung a la Tom Sharpe anmuten, doch leider weder Fiktion noch Satire sondern die unvorstellbare süditalienische Realität darstellen.

Mischke stellte weiter fest, dass spätestens die Morde von Duisburg gezeigt haben, dass die kalabrische Ndrangheta ihre Machtpositionen schon sehr gefestigt haben muss, wenn sie das jahrhundertealte Gebot der Unsichtbarkeit aufgibt und ihren langen bedrohlichen Arm so für alle Augen sichtbar macht.

Die Verantwortlichen in Politik, Justiz und Polizei müssen endlich realisieren, dass es neben der Bekämpfung des islamistischen Terrorismus immer noch die Organisierte Kriminalität und nicht nur die von italienischen Gruppierungen gibt. Wenn seit einigen Jahren Rückgänge in der OK-Statistik festzustellen sind, mag das zwar beruhigend klingen, verstellt jedoch die Blick auf die Wirklichkeit. Alle Bereiche der OK-Bekämpfung in Polizei und Justiz sind von Stellenkürzungen, -Streichungen und vor allem von Aufgabenverlagerungen in den Bereich der Terrorismusbekämpfung betroffen, da sei ein Sinken der festgestellten Verfahren, kein Erfolg sondern ein Offenbarungseid, so Mischke weiter.
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Die logistischen und finanziellen Möglichkeiten der Organisierten Kriminalität sind unerschöpflich. Die Flexibilität, die Skrupellosigkeit, die schwer nachvollziehbaren Wege des Geldes, insbesondere aber die Verschwiegenheit gegenüber Außenstehenden sind immer noch deren großer Vorteil.
Diesem Problem gilt es gegenzusteuern, so Mischke. Auch im Jahre 2009 sei es trotz aller Europäischen Verträge und Übereinkommen für Ermittlungsbehörden in der Bundesrepublik nach wie vor sehr schwierig Erkenntnisse von ausländischen Polizeibehörden direkt zu verwerten, so sie nicht über den langwierigen Rechtshilfeweg bestätigt werden. Auch hinderten Eifersüchteleien konkurrierender Polizeiorganisationen in einem Land oftmals den umfassenden und schnellen Datenaustausch.
 
An dieser Stelle muss die Politik ansetzen und auf europäischer Ebene die Hürden der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit abschaffen. Egal wo in der EU Daten zu kriminellen Täterstrukturen rechtmäßig erhoben wurden, müssen diese in einem immer enger vernetzten Europa jederzeit zu verwenden sein.

Der BDK fordert auch die Politik auf die Beratungen zur dringend notwendigen Kronzeugenregelung zügig voranzubringen und so zu gestalten, dass insbesondere die Bekämpfung der OK davon partizipiert. Nichts hat der Mafia in Süditalien so weh getan wie die Aussagen der "reuigen Pentiti" die gegen Strafboni den Strafverfolgungsbehörden umfassende und unglaubliche Einblicke in das Beziehungsgeflecht der kriminellen Organisationen ermöglicht hat.

Abschließend formulierte Mischke eine Bitte an die Politik endlich mit dem Gezeter um den Untergang des Rechtsstaates aufzuhören, wenn den Polizeibehörden Befugnisse im Kampf gegen die OK eingeräumt werden. Es seien schließlich nicht die Polizeien, die den Rechtstaat bedrohten, sondern die kriminellen Organisationen und ihre unvorstellbaren finanziellen Möglichkeiten. Wirkungstreffer könne man nur erzielen, wenn man an die Gewinne dieser OK - Organisationen herankommt.

Rückfragen:
Thomas Mischke
Tel. (0177) 8833996