Revolution Train – Pragmatische Impulse versus sozialwissenschaftliche Strategien!?
11.11.2021
Nachdem bereits einige Jahre zuvor in den unterschiedlichen Ressorts und Gremien der öffentlichen Verwaltung der Revolution Train eine kontroverse Diskussion der Experten bewirkt hatte, ergab sich die Gelegenheit für Stephan und Tanja Nietz, am 29. Oktober 2021 in Bad Segeberg direkt vor Ort einen Eindruck über die Aufklärungsarbeit in Zusammenhang mit dem besonderen Zug der Prager Stiftung zu gewinnen.
Zuvor hatte der bemerkenswerte Zug bereits mehrere Tage Station in Norderstedt gemacht und dort ebenfalls etlichen Schülerinnen und Schülern sowie interessierten Eltern und Jugendlichen zur Verfügung gestanden.
Ohne den intensiven Einsatz entsprechender Förderer, hier sei insbesondere Jürgen Schlichting von der Kreisverkehrswacht Bad Segeberg genannt, wären die notwendigen Rahmenbedingungen für den Aufenthalt des begehrten Präventionszuges in Schleswig-Holstein wohl kaum zustande gekommen. Ebenso bemerkenswert erscheint die geschlossene Mannschaftsleistung des Teams aus zahlreichen ehrenamtlichen Kräften wie auch Schulsozialarbeitern, die an den jeweiligen Vormittagen die Schülergruppen als Moderatoren durch die verschiedenen Abteile und Stationen des Zuges führen.
Der engagierte Kollege Jürgen Schlichting ermöglichte den Besuchern des BDK SH nach Abstimmung mit der Projektleiterin Patrizia Jonson die Begleitung einer Schülergruppe aus der im Einzugsbereich liegenden Gesamtschule bei deren Führung durch den Antidrogenzug. Diese fand unter besonderem Engagement des hierfür gezielt vorbereiteten Schulsozialarbeiters Tim Reuter statt und begann mit einer visuellen Darstellung der aktuell häufigsten Suchtproblematiken.
Schulsozialarbeiter Tim Reuter
Schülergruppe wird über legale und illegale Drogen sowie weitere Süchte informiert
Im Anschluss an die Sensibilisierung für die bestehende Vielfalt an Süchten wurde die Besuchergruppe in ein Abteil mit entsprechenden Sitzreihen gelotst, in der ausgeteilte Fragebögen von den Einzelnen auszufüllen waren. Hierin wurden – neben anonymisierten allgemeinen Angaben - auch Erfahrungswerte in Zusammenhang mit legalen und illegalen Drogen erfragt.
Anschließend erläuterte der Moderator die besondere Auskleidung der Abteilwände, die den menschlichen Organen nachempfunden sei. In diesem frühen Stadium der Führung würden die inneren Organe noch recht frei von schädlichen Einflüssen sein.
Auf einer in Laufrichtung platzierten Leinwand folgte dann ein Film über den Konsum legaler Drogen wie Nikotin und Alkohol, dargestellt anhand jugendtypischer Situationen in einer Gruppe – verbunden mit der Frage des Filmsprechers, ob die Zuschauer denken, dass sie in zwei Jahren rauchen werden.
Situation in einer Kneipe; Hochverfügbarkeit der Alkoholika
In einem zweiten Teil wird eine Gruppe junger Menschen dargestellt, die trotz Alkohol-, Ecstasy- und Cannabiskonsum in einer Diskothek völlig überdreht mit einem geliehenen Wagen durch die Nacht fahren. Dabei kommt es filmisch zu einem Beinahe-Unfall und später zu einem Frontalzusammenstoß mit einem Motorrad.
Darstellung der im Film erwähnten Unfallsituation nach Einrollen der Leinwand
Der Begleiter nutzte eine Filmpause, um die Gruppenmitglieder nach Alternativen zu fragen. Insgesamt wurden gute Antworten gegeben, wie ein derartiges Ereignis hätte vermieden werden können (Taxi, Bus, abholen lassen….).
„Charme“ einer Gefängniszelle
In einem dritten Filmbeitrag in einem weiteren Abteil wird gezeigt, dass der verursachende Autofahrer zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren ohne Bewährung verurteilt wird.
In einer weiteren Einspielung wird eine Drogenwohnung gezeigt, in der sich der Abhängige mittlerweile mit seiner Freundin aufhält. Das Abteil, durch das die Besuchergruppe dann geführt wird, ist wie eine typische heruntergekommene Wohnung aufgebaut, eingerichtet mit den wenigen Gegenständen, die maßgeblich für den Drogenkonsum und zur Verrichtung menschlicher Bedürfnisse erforderlich sind.
Nachbildung einer Konsumentenwohnung
Der anschließende Filmbeitrag Nr. 4 stellt eindrucksvoll dar, dass die ebenfalls drogenabhängige Freundin des schwerstabhängigen Dealers aufgrund des Entzugsdrucks für ihren Freund anschaffen geht. Gemeinsam wird von dem erarbeiteten Geld die nächste Ration Heroin gedrückt.
Nach dem Einfluss einer Freundin lässt sich die junge Drogenabhängige näher untersuchen und es werden eine Schwangerschaft sowie Hepatitis C festgestellt. An dieser Stelle wird etwas sehr optimistisch dargestellt, dass die Betroffene nach dreijähriger Therapiezeit clean und ihr Kind nahezu frei von Behinderungen sei (bei dem zugrundeliegenden Realsachverhalt soll es stärkere Beeinträchtigungen als in dem Film dargestellt gegeben haben). Der seinerzeitige, psychisch mittlerweile nahezu zerstörte Freund wird noch einmal dargestellt, als sich die junge Mutter mit ihrem Kind flehentlich an ihn wendet, um auch ihn zum Aussteigen zu bewegen.
Nach nur kurzer Verweilung folgt das nächste Abteil mit einem symbolisierten Baum des Lebens. Von dem Boden her werden die verschiedenen Lebensjahre und entsprechende Möglichkeiten zur fortwährenden Wahl zwischen mehreren Alternativen zur weiteren Gestaltung des Lebens illustriert. Hier soll offenkundig verdeutlicht werden, dass es stets eine Wahl gibt, bereits eingeschlagene Wege auch in eine andere Richtung zu verlassen.
Baum des Lebens
Abschließend wurden die Jugendlichen durch den Moderator zur Vervollständigung der noch offenen Punkte auf dem mitgegebenen Fragebogen und um eine kleine Bewertung gebeten. Dann endete die Führung mit einer ganzen Menge Input, die in den nächsten Tagen in der Arbeit der Schulen ihre Nachbereitung finden soll.
Insgesamt wird deutlich, dass der Revolution Train in seiner Version 2.0 zahlreiche Anpassungen vorgenommen hat. Dennoch wird die Auseinandersetzung über den „richtigen Weg in der Suchtprävention“ sicher noch andauern. Der BDK-Landesverband Schleswig-Holstein hofft, dass diese Diskussion intensiv und konstruktiv im Sinne der übergeordneten Ziele von allen Beteiligten fortgeführt wird.
Der Landesvorstand