Urlaubssperre in den Ministerien? (K)ein Sommerloch und seine Folgen für die polizeiliche Arbeit

01.09.2023

Der Kriminalist, Editorial 9/2023
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Stellenweise konnte man in den zurückliegenden Sommermonaten den Eindruck gewinnen, dass die Mitarbeitenden der Ministerien die parlamentarische Sommerpause insbesondere dazu genutzt haben, Gesetzesentwürfe in einer Taktung zu produzieren, die es auch Interessierten schwer machte, noch hinterherzukommen. Hiermit verbunden war natürlich auch, dass eine begleitende Befassung des BDK und seiner Gremien, sei es in Form angeforderter Stellungnahmen oder der fachlichen Bewertung und Vorbereitung zu erwartender Anhörungen in den jeweiligen Ausschüssen des Deutschen Bundestages, erhebliche Arbeitsaufwände verursachte.

Von der Stärkung der risikobasierten Arbeitsweise der FIU, der Verbesserung der Bekämpfung von Finanzkriminalität (beide Bundesministerium der Finanzen) über den kontrollierten Umgang mit Cannabis (Gesundheitsministerium) zur Änderung des Europol-Gesetzes (Bundesministerium des Innern und für Heimat) bis zur Regelung des Einsatzes von Verdeckten Ermittlern und Vertrauenspersonen sowie zur Tatprovokation und der Begrenzung der Eingriffsbefugnisse im Rahmen der Quellen-Telekommunikationsüberwachung und der Online-Durchsuchung (beides Bundesministerium der Justiz) - die Vielfalt der Befassungen unserer Gremien ließ keine Wünsche offen.

Insbesondere die von Bundesjustizminister Buschmann beabsichtigten Gesetzesvorhaben zur Quellen-Telekommunikationsüberwachung (QTKÜ) und zum Einsatz von Vertrauenspersonen (VP) sorgen auf Seiten der bislang befassten Fachlichkeit für erhebliche Bedenken.

Der Einsatz von Vertrauenspersonen – ein Relikt vergangener Tage der Kriminalitätsbekämpfung?

Der vom Bundesministerium der Justiz vorgelegte Gesetzentwurf sieht u.a. vor, den Einsatz von VP künftig im neu einzufügenden § 110b StPO-E zu regeln. VP-Einsätze unterliegen hiernach einem Richtervorbehalt, wobei das anordnende Gericht die Benennung der Personalien der VP verlangen kann. Der Einsatz soll in seinen rechtlichen Möglichkeiten erhebliche deliktische Einschränkungen erfahren und die Zusammenarbeit mit VP auf maximal 5 Jahre begrenzt werden. Um den Kreis infrage kommender VP noch mehr einzugrenzen, wird die Zusammenarbeit mit Personen gesetzlich untersagt, die wegen eines Verbrechens oder zu einer Freiheitsstrafe verurteilt wurden, die nicht zur Bewährung ausgesetzt wurde.

Aus Sicht der kriminalpolizeilichen Praxis dürfte die Umsetzung dieses Gesetzvorhabens die nahezu vollständige Abschaffung von VP-Einsätzen bedeuten und somit eines der gerade in den letzten Jahren immer wichtiger werdenden „Einsatzmittel“ nicht mehr zur Verfügung stehen. Es steht zu befürchten, dass die Zusammenarbeit mit dem überwiegenden Teil der aktiven VP eingestellt werden muss und die Anwerbung neuer VP kaum noch möglich sein wird. Der Bundesjustizminister scheint die hieraus resultierenden erheblichen Erkenntnisdefizite in Ermittlungsverfahren der Schweren und Organisierten Kriminalität, aber auch bei der Bekämpfung der Politisch Motivierten Kriminalität in Kauf nehmen zu wollen.

Wer nutzt schon WhatsApp oder Threema? Erhebliche Einschränkungen bei der Quellen TKÜ

Ähnlich verhält es sich bei der Begrenzung der Eingriffsbefugnisse im Rahmen der Quellen-Telekommunikationsüberwachung (QTKÜ), die bei in Kraft treten des hierzu verfassten Gesetzentwurfes ebenfalls zu einem eklatanten Fähigkeitsverlust der deutschen Polizei führen wird.

Während die rechtlichen Anforderungen an die QTKÜ bislang denen der klassischen TKÜ (Katalogtaten) angepasst waren, beabsichtigt das Bundesjustizministerium nun die Anforderungen des Straftatenkatalogs aus §100b StPO, den besonders schweren Straftaten, auf die QTKÜ anzuwenden, was eine enorme Verschärfung und Anhebung der Eingriffsschwelle bedeutet.

Die zweite gravierende Einschränkung wird sich aus der Regelung ergeben, dass ausschließlich laufende Kommunikation überwacht und aufgezeichnet werden darf. In der praktischen Umsetzung von QTKÜ-Maßnahmen liegt üblicherweise eine gewisse Zeit zwischen der richterlichen Anordnung einer QTKÜ und der tatsächlichen Umsetzung der Maßnahme, da diese nicht einfach nur „geschaltet“ werden kann wie eine klassische TKÜ. Der Entwurf ignoriert den Zeitpunkt der richterlichen Anordnung, da die Kommunikationsdaten, die ab dem Anordnungszeitraum bis zur erfolgreichen Realisierung anfallen, nicht ausgeleitet werden dürften, was einen erheblichen Informationsverlust bedeutet.

Zusammenfassend wird die Umsetzung des Referentenentwurfs zu eklatanten Erkenntnisdefiziten in vielen Deliktsbereichen von erheblicher Bedeutung führen und deren Aufklärung wesentlich erschweren oder sogar gänzlich verhindern.

„Wir machen die Bekämpfung der Organisierten Kriminalität (OK, einschließlich der sogenannten Clankriminalität) zu einem Schwerpunkt unserer Sicherheitsbehörden: durch mehr und bessere Strukturermittlungen, die Nutzung strafrechtlicher Möglichkeiten“.

Ein Zitat aus dem Koalitionsvertrag unserer aktuellen Regierungskoalition – der BDK wird jede Gelegenheit nutzen, (nicht nur) daran zu erinnern.

Herzliche Grüße

Dirk Peglow
Bundesvorsitzender

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