Regionalversammlung des Regionalbezirks Bad Segeberg / Pinneberg am 15. Mai 2024
08.06.2024
Am 15. Mai 2024 ab 15 Uhr fand in den Räumlichkeiten des Polizeireviers Pinneberg die jährliche Regionalversammlung des Regionalbezirkes Bad Segeberg / Pinneberg der Berufsvertretung der Kriminalpolizei statt. Der Abend war in zwei Teile gegliedert: ein erster interner Teil für Mitglieder und ein zweiter offener Teil zum Thema „Kriminalpolizei in der nördlichen Metropolregion Hamburgs“ mit geladenen Gästen, darunter einige der regionalen Abgeordneten des Schleswig-Holsteinischen Landtages.
Interner Teil
Die Veranstaltung begann um 16:00 Uhr mit der Begrüßung der Mitglieder durch den Regionalsprecher Frederik Fidora. Er berichtete aus dem Landesvorstand zu den derzeitigen Erfolgen (u. a. Personalratswahlen im Jahr 2023, Knattertonehrenmützenverleihung 2023) und Herausforderungen (aktuellen Bemühungen, Zielsetzungen, Engagement) des BDK Schleswig-Holstein (u.a. der Schieflage der Besoldung des öffentlichen Dienstes). Außerdem wurde ein Ausblick auf die nächsten Termine gegeben. Ein Überblick über weitere Schwerpunkte und Termine kann auch auf der Internetseite www.bdk.de/sh erlangt werden.
Offener Teil
Um 16:00 Uhr empfing Frederik Fidora die geladenen Mitglieder des Schleswig-Holsteinischen Landtages Birte Glißmann (CDU), Martin Balasus (CDU), Ole-Christopher Plambeck (CDU), Annabell Krämer (FDP) und Thomas Hölck (SPD), welche sich trotz der Hochphase des Europawahlkampfes Zeit für diese Veranstaltung genommen haben. Auf Nachfrage von Mitgliedern zu der Abwesenheit der Abgeordneten der Partei der Grünen wurde auf deren ausgebliebene Rückmeldung zur Einladung hingewiesen.
Auf dem Weg in den Veranstaltungsraum unter dem Dach des Dienstgebäudes der Polizei Pinneberg konnten sich die Gäste bereits einen ersten Eindruck von der Sanierungsbedürftigkeit machen. Im Veranstaltungsraum wurde mit Erfrischungsgetränken und kleinen Knabbereien versucht den warmen Temperaturen des Tages entgegenzuwirken.
Frederik Fidora begrüßte neben den Landtagsabgeordneten auch die weiteren Gäste: den BDK-Landesvorsitzenden Frank Ziegler, seine Stellvertreterin Larissa Merker, den Medienbeauftragten im BDK-Landesvorstand Henrik Reershemius, die Tarifsprecherin im Hauptpersonalrat Heike Czarnetzki sowie die Vertreter der Partnergewerkschaften GdP und DPolG.
Außerdem konnten die Dienststellenleiter der Kriminalpolizei Norderstedt und Elmshorn unter den Gästen begrüßt werden.
Insgesamt waren 40 Personen mit großem Interesse der Einladung gefolgt.
Die Thematik des Abends war von Seiten des BDK in fünf Leitgedanken gegliedert worden, die durch den Regionalsprecher Frederik Fidora als Einführung in den Abend vorgestellt wurden.
1. Personalnot trotz erhöhter Einstellungszahlen?!
Die Kriminalpolizei im Hamburger Rand beklagt sich über Personalnot trotz der vollständigen Besetzung aller Planstellen?
Für das Hintergrundverständnis ist zunächst ein Blick in die Personalverteilung bei der Kriminalpolizei notwendig. Grundlage ist ein von der Politik vorgegebener Stellenplan für die gesamte Kriminalpolizei. Hieraus wird zunächst sämtliches Personal für die Sonderaufgaben im Landeskriminalamt bspw. zur Terrorbekämpfung oder bei den Bezirkskriminalinspektionen bspw. zur Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität oder Kinderpornografie abgezogen. Die restlichen Planstellen werden vermeintlich fair, je nach erhobener Belastung auf die Kriminalpolizeistellen verteilt.
Jedoch sind die Aufgaben dieser untersten, aber gleichzeitig grundlegenden Ebene der Kriminalpolizei in den letzten Jahren erheblich angewachsen. Dazu gehören neben Anpassungen im Strafrecht, die zu erhöhtem Fallaufkommen führen, auch die von der Justiz an die Ermittlungsdienststellen gestellten Anforderungen zur gerichtsfesten Beweisführung. Darüber hinaus zeigt sich ein erheblicher Mehraufwand bei Auswertungen, Berichts- und Meldepflichten und deren Dokumentation. In der Folge steigt auch der tatsächliche Personalbedarf enorm.
Gleichzeitig sind zwei Besonderheiten des Hamburger Rands und der Westküste nicht zu vernachlässigen.
Trotz der guten fachspezifischen Ausbildung an der Fachhochschule in Altenholz bleibt die kriminalpolizeiliche Arbeit ein Erfahrungsberuf, der viele Jahre Berufserfahrung erfordert, bevor ein vollständig selbstständiges und effizientes Arbeiten möglich ist. Doch regelmäßig verlassen die gerade eingearbeiteten jungen Kommissar:innen die hiesigen Dienststellen nach vergleichsweise kurzer Zeit. Im Resultat müssen wieder neue junge Ermittler:innen frisch nach dem Studium eingearbeitet werde, womit Erfahrung und Kontinuität nur schwer erlang werden können.
Daneben sorgen die langen Fahrtwege zu Besprechungen und Fortbildungen zu den Standorten der Aus- und Weiterbildung nach Kiel und Eutin regelmäßig für erhebliche zeitliche Mehrbelastungen. Sogar einige Fachdienststellen aus Kiel scheuen die langen Anfahrtswege in ihrem Zuständigkeitsbereich bis an die Grenze vor Hamburg und arbeiten lieber nur direkt vor ihren Türen.
2. Digitalisierung bringt keine Erleichterung?!
In der kriminalpolizeilichen Sachbearbeitung bedeutet die Digitalisierung – überspitzt formuliert: Die Postkutsche durch eine E-Mail zu ersetzen. Die Meldewege bleiben die gleichen, eine einheitliche vollumfassende Digitalisierungsstruktur bei der Landespolizei ist nicht zu erkennen. Smartphones sind bei uns bisher nur in wenigen Bereichen angekommen, wären aber bei Durchsuchungen oder Vernehmungen durchaus hilfreich. Die Statistiken müssen – inzwischen zwar am Computer – aber einzeln und händisch ausgefüllt werden. Ein automatisierter Datenabfluss findet nicht statt.
Auf Software, welche uns den Alltag erheblich vereinfachen würde – z. B. Speech to Text, Software zur Auswertung von erheblichen Datenmengen (Chatverläufe, Bilder und Videos) – warten wir in der Fläche vergeblich, während Spezialdienststellen mit ähnlichen Aufgaben entsprechende Programme schon längere Zeit erfolgreich verwenden. Funktionierende Software wie die Office-Produkte sollen im Gegenzug abgeschafft werden, obwohl nur diese mit bestimmten Schnittstellen und Fachanwendungen kompatibel sind.
Von Frederik Fidora wurde eine landesweite Innovationsgruppe zur tatsächlichen Erprobung von experimenteller Soft- und Hardware durch interessierte Kriminalist:innen aus allen Ebenen vorgeschlagen. Hier könnte – anders als in den vielen bisherigen Arbeitsgruppen in den konzeptionellen Überlegungen – unmittelbar im Echtbetrieb getestet werden. Wenn etwa kleine betriebliche Probleme auftreten würden, könnten diese und mögliche Erleichterungen im kriminalpolizeilichen Alltag frühzeitig festgestellt, Schritt für Schritt verbessert und in den Gesamtbetrieb überführt werden. Vielleicht käme so eine Annäherung an die perfekte Lösung zustande, auf die wir seit Jahren vergeblich warten.
3. Gebäudesituation und Ausstattung
Bereits seit weit über 10 Jahren erwarten wir die Umsetzung von dringend notwendigen Bau- und Renovierungsarbeiten insbesondere an den Standorten der Kriminalpolizeien Pinneberg und Norderstedt: Die Steckdosen hängen aus den Wänden und Stromschläge bestätigen das Drücken eines Lichtschalters. Fenster lassen in geschlossenem Zustand die kalte Winterluft hinein, zeigen bei leichtem Druck Spalten durch die hindurchgesehen werden kann und die dem norddeutschen Regenwetter nicht standhalten. Toiletten die regelmäßig ausfallen und ansonsten ihre Funktionsfähigkeit durch erhebliche Gerüche beweisen.
Aufgrund der anstehenden Umbaumaßnahmen, die nach aktuellem Stand frühestens ab dem Jahr 2028 bzw. 2030 starten sollen, wird auf die inzwischen dringend notwendigen Sanierungsmaßnahmen verzichtet. Lediglich neue Farbe an den Wänden soll die erhebliche Baufälligkeit verdecken.
Im bundesweiten Vergleich wird die persönliche Schutzausstattung in Schleswig-Holstein gut vorangebracht. Danke für die hier zur Verfügung gestellten Mittel!
Doch gibt es immer noch erhebliche Defizite in der Sachausstattung der Kriminalpolizei. So hat der KDD Pinneberg im Landesvergleich eine der höchsten Laufleistungen ihrer Fahrzeuge mit bis zu 100.000 Kilometern pro Jahr. Doch die Fahrzeugbeschaffung dauert länger, als ein Fahrzeug an Lebenszeit aufweist.
Bei den Ermittlungsdienststellen stehen Fahrzeuge in unzureichender Menge und Größe (zwecks Ausrüstung) zur Verfügung. Die Berechnung der Fahrzeuge anhand der Kilometerbelastung und Fahrten können nicht den tatsächlichen Bedarf abdecken. Wir benötigen regelmäßig für Durchsuchungsmaßnahmen gleichzeitig mehrere Fahrzeuge für den Transport von Personal, Beschuldigten und großen Mengen von Asservaten.
Auch bei den Polizeirevieren der Schutzpolizei ist die Fahrzeugausstattung nicht besser. Die dort angesiedelten Präventionsbeauftragten müssen inzwischen regelmäßig ihre Privatfahrzeuge nutzen, da keine ausreichende Anzahl an Dienstwagen mehr zur Verfügung steht.
Zudem sind Spezialfahrzeuge Mangelware. Eine Schwarz-Weiß-Trennung, bei den Feuerwehren zur Arbeitssicherheit bereits Standard, ist bei der Polizei nicht möglich. So müssen Ermittler:innen ihre Schutzkleidung auf offener Straße an- und ablegen. Möglichkeiten zum Händewaschen bestehen nicht. Die nach den Ermittlungen mit Asbest und ähnlichen Giftstoffen besetze Bekleidung kann in Alukisten transportiert werden – sofern diese in dem Fahrzeug Platz finden. Dies ist bei den vorhandenen Fahrzeugen leider zumeist keine Selbstverständlichkeit. Geschweige denn, dass ausreichend gereinigte Schutzkleidung zur Verfügung steht.
4. Gesunderhaltung und Arbeitszufriedenheit
Im Themenpunkt der allgemeinen Gesunderhaltung stand die Wichtigkeit der psychologischen Gesunderhaltung aller Polizist:innen im Vordergrund. Für den Ermittlungsbereich der Kinderpornografie ist vom psychologischen Dienst der Landespolizei bereits ein gutes Programm ausgearbeitet worden. Dieses deckt allerdings den Ermittlungsbereich des tatsächlichen Missbrauchs von Kindern nicht mit ab. Dort erfolgt neben der Auswertung von Bild- und Videomaterial der Missbrauchshandlungen der Kinder auch deren Anhörung und die Vernehmungen der traumatisierten Angehörigen. Hierbei bringt der persönliche Kontakt der Ermittlungsbeamt:innen eine zusätzliche Belastung mit sich.
Die psychische Belastung der Tarifbeschäftigten, die diese digital aufgezeichneten Anhörungen zur Verschriftlichung wieder und wieder anhören müssen, um jedes beschreibende Wort der missbrauchten Kinder, jedes „Äh“ oder Stottern für die Akte zu dokumentieren, darf dabei ebenfalls nicht außer Acht gelassen werden.
Nicht nur unmittelbar belastende Tätigkeit führt zu gesundheitlichen Problemen. Auch die viel zu hohe Arbeitsbelastung, beispielsweise mit teils dreistelligen Vorgangszahlen im Betrugsbereich, drängt die Sachbearbeiter:innen über den Bereich der steigenden Motivation bis hin zur Resignation und in den Burnout.
Es muss für alle Beschäftigten der Landespolizei die Möglichkeit geben, vorbeugende Maßnahmen wahrzunehmen. Der Anspruch muss sein, dass die Teilnahme an Resilienz fördernder Supervision eher die Regel wird als die Ausnahme!
5. Kriminalassistenz - ein Zukunftsmodell in der Kriminalitätsbekämpfung!
In vielen Bereichen unseres alltäglichen Berufslebens findet eine immer feinere Spezialisierung statt. Die Ermittlungsarbeit bleibt davon nicht verschont, da die rechtlichen Voraussetzungen und tatsächlichen Umsetzungen immer komplexer werden.
Hier könnte eine weitergedachte Spezialisierung und Weiterentwicklung im Tarif-Bereich eine gute Unterstützung bieten.
Doch statt diese Möglichkeit zu forcieren, wird an anderer Stelle die vorhandene Spezialisierung abgebaut. So wird im Bereich der Führungsstellen der Kriminalpolizei immer weniger Wert auf langjährig erworbene kriminalpolizeiliche Erfahrung gelegt. Besonders komplexe und schwierige Sachverhalte sollten durch Hauptsachbearbeiter:innen, die sich durch große Erfahrung in den Sachgebieten auszeichnen, bearbeitet werden. Doch bewerben kann sich darauf vielleicht bald jede:r Polizist:in, unabhängig davon, ob dafür die kriminalpolizeilichen Voraussetzungen und Erfahrungswerte vorliegen.
Für den Bereich der Tarifangestellten begann Hamburg in den vergangenen Jahren das Berufsbild der Kriminalassistenz zu entwickeln und führte dieses im Jahr 2023 erfolgreich ein. Damit wird Tarifangestellten einerseits eine Ausbildung, aber auch eine kontinuierliche Möglichkeit der Fortbildung und Weiterentwicklung (sowohl fachlich als auch finanziell) ermöglicht. Aus unserer Sicht ein gutes und denkbares Modell auch für Schleswig-Holstein. Mehr dazu ist unter https://www.bdk.de/der-bdk/was-wir-tun/aktuelles/bdk-forderung-erfuellt oder im dk 1-2/24 zu finden.
Im Anschluss an die einführenden Worte des Regionalsprechers bedankten sich die Gäste des Landtags Birte Glißmann (CDU), Martin Balasus (CDU), Ole-Christopher Plambeck (CDU), Annabell Krämer (FDP) und Thomas Hölck (SPD) für die Einladung und die bereits erfolgten Impulse, wollten – ganz im Sinne des Abends – direkt in die offenen Gespräche einsteigen.
An den vorbereiteten Thementischen wurden in kleinen und größeren Gruppen aus den persönlichen Erfahrungen berichtet. Diese Berichte stießen immer wieder auf Verwunderung: Smartphones gehören doch inzwischen zum Alltag, doch die Polizei ist noch nicht vollständig ausgestattet? In der Zusammenarbeit mit Hamburg müssen die Akten noch analog übersandt werden, da die Sachbearbeitungsprogramme nicht kompatibel sind?
Wir stellten schnell fest, dass wir sehr ähnliche Vorstellungen von moderner Polizei- und auch im Allgemeinen von digitaler Verwaltungsarbeit haben. Doch dass wir sie noch nicht leben können, liegt an vielen Faktoren. Gemeinsam wollen wir daran arbeiten, die Probleme Stück für Stück weiter zu beheben.
Liebe Gäste! Herzlichen Dank, dass Sie und Ihr alle bei diesem spannenden Austausch dabei waren und zu diesem erfolgreichen Abend beigetragen habt! Wir hoffen die Hotdogs in vegetarischer und nicht vegetarischer Form haben geschmeckt.
Wir werden an die Gespräche anknüpfen und freuen uns auf die weiteren avisierten Termine mit Ihnen!
Frederik Fidora
Regionalsprecher Bad Segeberg / Pinneberg
Kontakt
Regionalbezirk Bad Segeberg
frederik.fidora@bdk.de
www.bdk.de/sh