Reduzierung der Wochenarbeitszeit – Lebensarbeitszeitkonto

27.07.2018

Kommentar des Landesvorsitzenden Steffen Mayer
Reduzierung der Wochenarbeitszeit – Lebensarbeitszeitkonto

Die Arbeitszeit- und Urlaubsverordnung (AzUVO) beziffert die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit für Beamtinnen und Beamte in § 4 im Durchschnitt auf 41 Stunden. Das sind täglich 8 Stunden und 12 Minuten im Tagesdienst (ohne Mehrarbeit, die regelmäßig anfällt). Eine solche Regelung wäre nach § 3 des Arbeitszeitgesetzes gar nicht möglich bei einer 5-Tage-Woche. In einem Arbeitsvertrag wäre hier bei maximal 40 Stunden Schluss. Einen Arbeitsvertrag haben wir aber nicht, sondern ein Dienst- und Treueverhältnis – das beinhaltet ein Geben und Nehmen von beiden Seiten.

Die Frage muss erlaubt sein, warum für die Beamtenschaft eine solche Arbeitszeitregelung getroffen wurde und heute noch beibehalten wird. Es gab früher nämlich andere Regelungen, eine Arbeitszeitreduzierung auf zeitweise bis zu 38,5 Wochenstunden, die nebenbei bemerkt, damals teuer mit Gehaltseinbußen erkauft worden ist. Die anschließenden Arbeitszeiterhöhungen (zuletzt im Jahr 2003 auf 41 Wochenstunden) geschahen dann ohne einen finanziellen Ausgleich in die andere Richtung. Man könnte auch sagen, es war für uns zweimal teuer. Die finanzielle Lage der Öffentlichen Hand war damals eine andere als heute. Die Staatskasse ist heute voll, die Steuereinnahmen sprudeln. Für viele Projekte ist Geld da, das ist erfreulich. Bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wird aber häufig weiter gespart. Ein Beispiel: 2018 musste die Beamtenschaft bei der Übertragung der Tarifergebnisse ein halbes Jahr eine Nullrunde hinnehmen, die Erhöhung wurde erst am 1. Juli des Jahres umgesetzt.

Deswegen ist es durchaus richtig und ich finde es auch nicht unverschämt, derzeit Ansprüche an eine Verkürzung der Arbeitszeit zu artikulieren – aber bei all dem muss beachtet werden, ob ein solches Vorhaben aktuell überhaupt politisch umsetzbar ist, sonst sattelt man sein Pferd und reitet gegen Windmühlen an. In der Stuttgarter Zeitung war am 3. Juli 2018 zu lesen, dass eine Reduzierung der Wochenarbeitszeit rund 180 Mio. Euro kosten würde, und zwar für den Bedarf an insgesamt 1.731,1 Neu-Stellen. Der größte Teil würde auf das Innenresort entfallen – 762,3 Stellen, wie der Stellungnahme des IM in der Landtagsdrucksache 16/4168 zu entnehmen ist

Wir wissen in der Polizei alle wie mau die Stellensituation ist und wir sind in der Talsohle noch gar nicht angelegt. Diese kommt erst in den nächsten beiden Jahren und sie wird noch einmal schmerzhaft, denn wir sind in vielen Dienststellen am Rande der Leistungsfähigkeit angelangt. Eine Fehlleistung der Personaleinstellungspolitik, die über zehn Jahre zurückreicht und bei der sich weder die aktuellen Regierungsparteien noch die heutigen Oppositionsparteien in den damaligen Regierungen vollständig aus der Verantwortung herausziehen können.

Wie also sollen die politisch Verantwortlichen auf eine solche Forderung heute reagieren – in dem sie sie vehement ablehnen. Das ist für mich tatsächlich nachvollziehbar. Denn mit Blick auf die Einstellungsoffensive und die jetzigen Kapazitätsprobleme der Hochschule muss man sich die Frage stellen, wie wir die jetzige Zahl an Neueinstellungen noch einmal mit einer dreistelligen Anzahl aufstocken könnten. Ich meine, das wäre nicht zu leisten.

Was für Möglichkeiten gibt es aber dann, einerseits der Politik ein Stück entgegen zu kommen, gerade nicht gegen Windmühlen zu kämpfen, und andererseits auch den Beamtinnen und Beamten? Wie ließe sich das eingangs erwähnte Geben und Nehmen konkret umsetzen?

Wir sehen die Möglichkeit eine lange BDK-Forderung endlich anzugehen, in dem ein Lebensarbeitszeitkonto eingeführt wird. Das löst natürlich nicht die Probleme der generellen Arbeitsbelastung, der vielen Mehrarbeit oder der unfreiwillig angehäuften Gleitzeitstunden (weil Mehrarbeit regelmäßig erst ab 10 Stunden entsteht) – aber es wäre ein politisch umsetzbares Projekt, dass einige Probleme z. B. den in manchen Bereichen fast nicht mehr realisierbaren Abbau von aufgestauter Mehrarbeit lösen könnte. Natürlich bedeutet dies eine Investition in Personalmanagement und Personalplanung – aber ist nicht genau das wichtig für Unternehmen in der heutigen Zeit? Und wäre es nicht eine konkrete Maßnahme, um die zunehmenden Herausforderungen bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie – Eltern- und Pflegezeiten zu meistern. Würde ein planbares Sabbatjahr für Polizistinnen und Polizisten dazu beitragen, etwas aktiv gegen die zunehmenden körperlichen und seelischen Belastungen des Polizeiberufs zu unternehmen, durch eine längere Abwesenheits- und Erholungsphase? Wäre das nicht ein Angebot, eines modernen Arbeitgebers, der durch solch ein Lebensarbeitszeitkonto Freiräume schafft, die es bisher nicht gibt? Würde das nicht die Attraktivität des Berufs steigern?

Ich bin der Ansicht, dass man in der jetzigen Phase genau darüber – über ein Lebensarbeitszeitkonto – nachdenken sollte, denn die in der Tat notwendige Reduzierung der Arbeitszeit ist derzeit und wohl auch in den kommenden Jahre nur schwer realisierbar, auch wenn ich sie mir mit Blick auf die zunehmenden Belastungen des Polizeiberufs dringend für meine Kolleginnen und Kollegen wünsche.

 

Herzliche Grüße!

Steffen Mayer
BDK-Landesvorsitzender BW

 

 

 

 

Fundstellenhinweise:

Artikel der Stuttgarter Zeitung vom 3. Juli 2018: https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.41-stunden-woche-im-verruf-innenminister-veraergert-den-beamtenbund.f563cf31-29ef-44ce-82e3-1417e5a9c24c.html

 

Antrag der SPD „40-Stunden-Woche für Landesbeamte“, Landtagsdrucksache 16/4168: https://www.landtag-bw.de/files/live/sites/LTBW/files/dokumente/WP16/Drucksachen/4000/16_4168_D.pdf