Qualitätsoffensive „Spurensicherung“ und „Kriminalpolizei 2020“

10.04.2019

Im Rahmen der „Qualitätsoffensive Spurensicherung“ hat der BDK Sachsen-Anhalt die Situation in der Landespolizei Sachsen-Anhalt beschrieben und auf wichtige Handlungsfelder verwiesen, um die erkannten Probleme in der Folge einer Lösung zuzuführen.
Qualitätsoffensive „Spurensicherung“ und „Kriminalpolizei 2020“
Sichern von daktyloskopischen Tatortspuren

Ausgangslage

Für eine gerichtsfeste Beweisführung in den zu bearbeitenden Strafverfahren bildet eine qualifizierte Tatortaufnahme die Grundvoraussetzung.  Dabei kommt der kriminaltechnischen Spurensicherung und -auswertung eine elementare Bedeutung zu. Die schrittweise Umsetzung der Polizeistruktur 2020 in der Landespolizei Sachsen-Anhalt ab Januar 2019 bietet aus unserer Sicht die Chance zur dringend gebotenen Verbesserung der gegenwärtigen Situation im Bereich der Kriminaltechnik verstanden werden. Ziel sollte dabei sein, die Schaffung einheitlicher Strukturen und Voraussetzungen in den entsprechenden Dienstbereichen landesweit vorzuhalten.

Im Rahmen der Bund-Länder Gremienarbeit werden zur Festlegung von Standards der Sichernden Kriminaltechnik (SiKT= Spurensicherung/Tatortarbeit) seit nun mittlerweile 8 Jahren mit hohem politischem Anspruch bundeseinheitlich abgestimmte Standards und Methodenbeschreibungen für die Spurensicherung erarbeitet. Dies führte im Jahr 2015 zum AK II – Beschluss zur Umsetzung der Handlungsempfehlungen SiKT.  Eine Landesarbeitsgruppe zur Erstellung einer Konzeption zu Qualitätsstandards der SiKT in der Polizei Sachsen-Anhalt wurde eingesetzt. Die erarbeitete Konzeption wurde mit Erlass des MI vom 10.12.2018 in Kraft gesetzt.

Diesbezüglich sei angemerkt, dass bereits im September 2018 die internationale Norm ISO 21043-1 Forensic Sciences für den gesamten forensischen Prozess vom Tatort bis in den Gerichtssaal existiert. Auch wenn diese nicht verbindlich und nicht akkreditierungsfähig ist, wird sie aber mit hoher Wahrscheinlichkeit in zukünftigen Gerichtsverfahren von Bedeutung sein. Die von der Bundes-AG SiKT entwickelten Standards/Methodenbeschreibungen entsprechen der Norm und sind im Zuge der Bearbeitung durch die Landes-AG beachtet worden.

Derzeit verfügt die Landespolizei über zu wenig entsprechend qualifiziertes Spurensicherungspersonal. Dies gilt im Besonderen für qualifizierte Delikte. Dieser Mangel ist in den Dienststellen jedoch sehr ungleichmäßig ausgeprägt. Hinzu kommt die Überalterung der derzeit handelnden Kriminaltechniker im Land.

Die Zuständigkeiten von Spurensicherungskompetenz für qualifizierte Delikte sind organisatorisch in fast allen Dienststellen unterschiedlich geregelt. Mal gibt es Bereitschaftsdienste, mal einen Kriminaldauerdienst KDD, mal überhaupt nichts. Eine solche einheitliche Regelung ist jedoch eine Grundforderung der SiKT und sollte daher schnellst möglich erfolgen.

In der Konzeption ist die Qualitätssicherung gefordert. Dies meint ein etabliertes System von qualifizierten Kollegen in den Revieren und Zentralen Kriminaldiensten zur Überprüfung der gestellten Untersuchungsanträge im Hinblick auf Geeignetheit, Vollständigkeit und Plausibilität. Schon seit der Organisationsfortentwicklung finden sich hier keine beschriebenen Dienstposten mehr, auch die Polizeistruktur 2020 sieht hierfür keine Dienstposten vor! Es ist jeder Polizeibehörde, bzw. Dienststelle, selbst überlassen, dies zu regeln und findet daher, nicht nur wegen bestehenden Personalmangels, kaum mehr statt. Die Konsequenzen sind dramatisch und werden sich weiter verschärfen, sollte hier nicht schnellstmöglich gegengesteuert werden. Welche Auswirkungen fehlerhafte Untersuchungsaufträge für die Beweisführung im Ermittlungsverfahren haben, bedarf aus Sicht des BDK keiner Erläuterung. Reaktionen der Justiz sind vorprogrammiert und zum Teil bereits erfolgt.

Zukünftig sollen Polizeibeamte der Reviereinsatzdienste die Spurensuche und –sicherung bei kleineren Delikten vornehmen. Dafür werden sie mit Spurensicherungskoffern ausgestattet. Die gesicherten Spuren gelangen im Anschluss mit den gestellten Untersuchungsanträgen ohne Qualitätssicherung zur Spurenauswertung in das Landeskriminalamt. Daraus deutet sich bereits jetzt an, dass es im Landeskriminalamt aufgrund der Quantität zu nicht vertretbaren Bearbeitungszeiten kommen wird. Eine fehlende Qualitätsfilterung auf der Revierebene führt zu einer Untersuchungsschwemme im Landeskriminalamt.

Das Vorhalten von Räumen zur Wahrnehmung kriminaltechnischer Aufgaben in der Landespolizei sollte schnellstmöglich dem SiKT-Konzept, angepasst werden. Investitionen werden in der stark wissenschaftlich geprägten Abteilung 2 des Landeskriminalamts nur mit jahrelangen Vorläufen realisiert. Die dringend benötigten, oft sehr kostenintensiven, Maßnahmen fallen der verordneten Mehrfach-Priorisierung der investiven Beschaffungsmaßnahmen zum Opfer und werden daher nur selten realisiert. Das hat zur Folge, dass nur die Maßnahmen realisiert werden, die zur Aufrechterhaltung der Arbeits-bereitschaft unbedingt erforderlich sind. Eine zeitgemäße, moderne Ausrüstungskonfiguration der benötigten Analyse- und Messtechnik ist so absehbar nicht erreichbar.

Im Landeskriminalamt, Bereich Daktyloskopie, erfolgt die Vergleichsarbeit immer noch an analogen Vergleichsgeräten. Die Einführung der aus einem Bund-Länder-Projekt entwickelten Software, die ebenfalls zur Verfügung steht, scheitert derzeit an fehlenden Beschaffungsmitteln. Die benötigte Technik entspricht dabei sogar überwiegend der IT aus den Rahmenverträgen. Diese Software würde zu einer erheblichen Effizienz- und Qualitätssteigerung in der Fingerspurenbearbeitung führen und erheblich Ressourcen sparen. Darüber hinaus wäre ein modernes und polizeiweit eingesetztes  Asservatenverwaltungssystem angezeigt, die Polizei hat bereits vor Jahren ein entsprechendes Programm gekauft, es aber noch nicht eingeführt.

Lösung

Nach verschiedenen vorgelagerten Gesprächen mit Behördenleitern und anderen Verantwortlichen, kam es Anfang März zu einem Gespräch im Ministerium für Inneres und Sport (MI), bei der Abteilungsleiterin 2, Frau Ministerialdirigentin Bergmann. In sehr offener Atmosphäre wurden die bisher erkannten Herausforderungen diskutiert und nachfolgende sieben Punkte benannt, die zeitnah, besser sofort umgesetzt werden sollten:

  1. Verbindliche Festlegung des Einsatzes von QS Managern in den Dienststellen;
  2. Zusätzliches Personal in den relevanten Bereichen des LKA;
  3. Umsetzung der in der Konzeption bezeichneten Anforderungen an kriminaltechnische Untersuchungs- und Lagerräume;
  4. Einführung eines Programms digitale Daktyloskopie durch Beschaffung der Hardware;
  5. Zentrale Beschaffung des KT Verbrauchsmaterial nach Qualitätskriterien;
  6. Schulung der KT Kräfte Vermittlung der erforderlichen Kompetenz in den Dienststellen;
  7. Einführung eines modernen Asservatenverwaltungssystems.

Seitens des MI, so Frau Bergmann, sind die meisten Herausforderungen bereits auf der Agenda und können schnell realisiert werden. Zusätzliches Personal obliegt natürlich dem Haushaltsvorbehalt des Ministeriums der Finanzen. Dies gilt auch für die Herrichtung von kriminaltechnischen Untersuchungs- und Lagerräumen.

Alle anderen Punkte werden umgesetzt, insbesondere die Einführung des Asservatenverwaltungssystems, die Benennung von QS Beauftragten in den Dienststellen und die Einführung eines Programms „Digitale Daktyloskopie“.

Da die aufgerissenen Herausforderungen nur den Bereich der objektiven Beweisführung, kriminaltechnische Spurensicherung und -auswertung betreffen und exemplarisch sind, wurde vereinbart, dass weitere Spitzentreffen zwischen dem MI und dem BDK erfolgen sollen, um den weiteren  Fortgang zu begleiten.

Qualitätsoffensive „Kriminalpolizei 2020“

Zwischenzeitlich wurde auf der 3. Landesvorstandssitzung der 8. Legislaturperiode des BDK Sachsen-Anhalt ein Beschluss zur Einrichtung einer Arbeitsgruppe "Qualitätsoffensive Kriminalpolizei 2020“ verabschiedet. Ziel ist es die erfolgreiche Qualitätsoffensive „Spurensicherung“ dahingehend zu erweitern, dass Informationen zu allen Bereichen der Kriminalpolizei in Sachsen-Anhalt beschrieben und dokumentiert werden, um wichtige Handlungsfelder zu erkennen und diese mit den Verantwortlichen zu lösen.

 Alexander Meißner