Presseerklärung: IT-Strukturdesaster bei der Polizei Hamburg
20.01.2020
Konkrete Beispiele für veraltete, untaugliche, störungsanfällige, nicht richtig funktionierende und dennoch bei der Polizei Hamburg in Anwendung befindliche IT-Systeme:
WINDOWS 7: Die Stadt Hamburg und damit auch die Polizei ist Kunde der Firma MICROSOFT. Das auf den Computern der Polizei Hamburg aufgespielte Betriebssystem ist somit das MICROSOFT Produkt WINDOWS. Jedoch nicht das heute aktuelle WINDOWS 10, sondern die Vor-Vorgänger-Version WINDOWS 7! Denn seit geraumer Zeit versucht die IT-Abteilung der Polizei Hamburg erfolglos WINDOWS 10 zu implementieren. Nur schade, dass – wie seit Jahren bekannt - der Support von MICROSOFT für WINDOWS 7 am 14.01.2020 ausgelaufen ist und sich MICROSOFT den Exklusivsupport von der Hamburger Polizei, wenn überhaupt leistbar, so richtig gut bezahlen lassen wird. Von mindestens 100.000,00 EUR monatlich ist dabei die in Polizeikreisen Rede. Neben den tausenden Arbeitsplatzrechnern bei der Polizei Hamburg werden zusätzlich auch zahlreiche Stand-Alone-Rechner an den Dienststellen betrieben, welche ebenfalls mit dem Betriebssystem WINDOWS 7 laufen. Vollkommen ungeklärt ist es, wer auf diesen Geräten, welche ja nicht am Polizeinetz hängen, die erforderlichen Sicherheitsupdates durchführt. Eine kleine Zusatzanekdote zum Thema WINDOWS 7 / 10. Die Hamburger Polizei richtet fortlaufend neue Telearbeitsplätze ein, nur gehen mittlerweile die dafür benötigten LAPTOPS aus, weil im Handel nur noch Geräte mit WINDOWS 10 Betriebssystemen gekauft werden können, die aber nicht kompatibel zum Polizeinetzwerk sind.
CRIME (Criminal Research Investigation Management Software): Die Fallbearbeitungssoftware CRIME, eine seit zwanzig Jahren in Verwendung befindliche Eigenentwicklung der Polizei Hamburg, ist den Anforderungen an eine modernes elektronisches Fallbearbeitungssystem (FBS) schon lange nicht mehr gewachsen und ist u.a. Grund dafür, dass wichtige Daten mit anderen Polizeibehörden im Bundesgebiet nicht ausgetauscht werden können.
MobilPol (Mobile Sachbearbeitung bei der Polizei): Die bereits auf der Cebit 2016 vorgestellte Polizei-App, mit welcher auf handelsüblichen Smartphones und Tablets in einer gesicherten Nutzerumgebung vertraulich gechattet, Dateien und Anhänge einem definierten Nutzerkreis zur Verfügung gestellt werden soll, steckt seit Jahren unausgereift in der Pilotierung fest. Die den Polizistinnen und Polizisten der Stadt seit Jahren versprochenen App-basierten, mobilen Abfragemöglichkeiten polizeilicher Auskunftssysteme wie POLAS, ZEVIS und EWO, mobiler Pass- und Fingerabdrucküberprüfungen und ein tauglicher Messengerdienst, werden wohl noch lange auf sich warten lassen.
ComVor (Computergestütztes Vorgangsbearbeitungssystem): Die Entwicklung ComVors wurde für die Hamburger Polizei kurz vor der Jahrtausendwende zu Millionengrab, da man zunächst versucht hatte, das Vorgangsbearbeitungssystem aus eigener Kraft zu entwickeln und daran kläglich scheiterte. Erst ein extern eingekaufter IT-Manager brachte das System schließlich zum Laufen. Dabei ist ComVor bildlich gesprochen nicht viel mehr als der digitalisierte Vordruckschrank der Schutzpolizei aus den Zeiten analoger Schreibmaschinen. Und genau hier liegt das Problem. Die in das antiquierte ComVor eingegeben Daten, lassen sich nicht an alle anderen polizeilichen Systeme übertragen und so wird ComVor zum Hemmschuh anderer polizeilicher IT-Entwicklungen von regionaler (s.o. MobilPol) und nationaler (PIAV) Bedeutung. Ferner ist ComVor aus kriminalpolizeilicher Sicht für die Bearbeitung von umfangreicheren Ermittlungsberichten vollkommen unbrauchbar, weil es nicht einmal über die simpelsten Anwendungsmöglichkeiten eines Texteditors, wie z.B. „Fußnoten“ verfügt.
LIMS (Labor-Informations- und Management-System): Es handelt sich um ein softwarebasiertes Labor- und Informations-Managementsystem, welches den Betrieb eines modernen Labors unterstützen soll. Das funktionierende LIMS-System wurde von der Polizei Rheinland-Pfalz für den Laborbetrieb in der Kriminaltechnik (LKA 3) eingekauft und hängt nunmehr seit Jahren in der Anpassung an die Hamburger IT-Struktur fest.
ALIS (Allgemeine Lageinformationssystem) 4.0: Das Reporting Werkzeug (ALIS 4.0) bündelt einlaufende Daten aus verschiedenen Verfahren und soll der Polizei erlauben, über eine einfache Oberfläche individuelle Auswertungen und Lagedarstellungen zu erstellen und diese als Dashboard zu speichern. Datengrundlage dieses Systems ist die von der Polizei Hamburg vor über 20 Jahren entwickelte Vorgangsbearbeitungssoftware ComVor (s.o.) und das DEM (Datenergänzungsmodul). Die fragile IT-Infrastruktur und fehlendes IT-Personal führen regelmäßig zum Ausfall von ALIS, was insbesondere bei der Bekämpfung von Wohnungseinbruchskriminalität und anderen Seriendelikten zum Problem wird.
FARMEx (Normierung und Auswertung von Verbindungsdaten mit einem auf VBA basierten Excel Tool): Das einst von der Polizei NRW entwickelte EXCEL-Tool FARMEx wird seit vielen Jahren zur Normierung und Auswertung von Verbindungsdaten eingesetzt und hält der Masse und Bedeutung an heutigen Verbindungsdaten nicht mehr Stand. Die Bedienung des Excel-Tools FARMEx ist alles andere als selbsterklärend. Ausbildungslehrgänge werden aufgrund der Einstellungsoffensive kaum noch angeboten. Sprich immer weniger Kriminalbeamte können mit dem Tool umgehen.
Messenger24 (Mobiler Messenger Dienst): Auch oder gerade operative Einheiten der Polizeien sollten mit tauglichen und datenschutzrechtlichen Vorgaben entsprechenden Messenger-Systeme ausgestattet sein, um via Handy Textnachrichten, Bilder von Zielpersonen, Videos, Tondateien und Standortinformationen auszutauschen. Anders als andere Länderpolizeien setzte Hamburg auf die mit der Firma Microsoft entwickelte Software "Messenger24", die ausschließlich auf Microsoft/Nokia-Geräten läuft und nicht in der Lage ist, mit Systemen anderer Länderpolizeien zu kommunizieren. Grund: Die Hamburger Polizei hatte 900 Microsoft Lumia-Handys im Wert von rund 100.000 Euro angeschafft, obwohl Microsoft sich aus dem Handymarkt schon zurückgezogen hatte und deshalb auch die Messenger24-App niemals über eine BETA-Version hinausentwickelt wurde.
KoPERS (Kooperatives Personalmanagement): Die in Schleswig-Holstein eingekaufte Pannensoftware KoPERS soll das Personal bezahlen und verwalten. Seit Einführung der Software kommt es regelmäßig vor, dass Polizeibeschäftigten zu wenig Gehalt, zu viel Gehalt oder gar kein Gehalt ausbezahlt wird. Ferner erhalten Polizeibeschäftigte nicht selten Gehalts-/Bezügemitteilungen zugeschickt, die mehr als zwanzig Blatt umfassen und von den Betroffenen nicht mehr nachvollzogen werden können.
Untaugliche Internetzugänge: Der Polizei Hamburg als Kundin des stätischen IT-Dienstleisters DATAPORT stehen viel zu wenige Arbeitsplatzinternetzugänge zur Verfügung. Diese einzurichten würde der Stadt zu viel Geld kosten. Das bereits seit Jahren bekannte Problem führt dazu, dass zu Bürozeiten einfachste Internetabfragen, die mit herkömmlichen Internetzugängen wenigen Sekunden dauern, bei der Polizei Hamburg viele Minuten bis zu einigen Stunden Wartezeit in Anspruch nehmen. Die wenigen an den Dienststellen der Polizei Hamburg aufgestellten sogenannten Stand-Alone-PCs mit schnellerem Internetzugängen sollten und werden aus guten Gründen von den Polizeibeamten immer seltener genutzt. Zunächst besteht das Problem, dass nicht geklärt ist, wer jetzt und in Zukunft die nötigen Sicherheitsupdates auf diesen Geräten vornimmt oder ob diese überhaupt vorzunehmen sind (WINDOWS 10 Problematik s.o.). Ferner hinterlassen Ermittlerinnen und Ermittler beim Gebrauch dieser Geräte nicht nur auf den Geräten selbst, sondern auch im Internet Spuren, deren Löschung nicht gewährleistet werden kann und daher ein Problem darstellt.
Digitale Strafakte: Im Jahr 2026 wird die Staatsanwaltschaft Hamburg von der Hamburger Kriminalpolizei keine Papierakte mehr entgegennehmen. Man wird stattdessen auf die Übersendung einer digitalen Akte abwarten. Mit ziemlicher Sicherheit vergebens! Denn anders als die Staatsanwaltschaft Hamburg, hat die Polizei Hamburg noch keine ernstzunehmenden Schritte unternommen, das Ziel einer „Digitalen Strafakte“ bis zum Jahr 2026 zu erreichen!
Forensische Sicherung von sichergestellten Daten: Die für die forensische Sicherung von Datenträgern jeglicher Art zuständige Stelle der Polizei Hamburg, das LKA 54, wurde seit Jahren kaputtgespart! Die Polizeiführung hat die Hinweise des LKA 54 (vormalig LKA 39) seit Jahren unbeachtet gelassen, was mitunter dazu geführt hat, dass für die Sicherung von heute alltäglichen Speichermediengrößen (Terabyte und größer) das gleiche Personal und die gleiche Technik eingesetzt wird, wie vor 10 bis 15 Jahren. Damals besaßen Speichermedien allerdings nur ein Bruchteil der heute gängigen Größen Kein Wunder also, dass die forensische Sicherung von Daten heute beim kaputtgesparten LKA 54 regelmäßig Wartezeiten von mehreren Monaten beträgt. Die bei der Monate später folgenden Datenauswertung durch Kriminalbeamte festgestellen Beweise lassen sich für das zumeist dann häufig schon abgeschlossene Ermittlungsverfahren nicht mehr verwenden.
Das Hamburger Abendblatt hat voranstehende Presseerklärung aufgegriffen und unter nachstehendem Link öffentlich gemacht:
Auch das NDR Hamburg Journal greift die Presseerklärung des BDK auf:
Der NDR griff im HAMBURG JOURNAL erneut das vom BDK in die Öffentlichkeit getragene IT-Strukturdesaster der Polizei Hamburg auf. Bemerkenswert: Innensenator Andy Grote äußert Verständnis und kündigt Maßnahmen an.
https://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/hamburg_journal/Hamburg-Journal,hamj91804.html