Praktiker kritisieren die Gerichtsreform
13.08.2015
Vorangestellt werden muss, dass es Frau Kuder hoch anzurechnen ist, sich als politisch Verantwortliche und im Vorfeld wiederholt auch gerügte Politikerin einer solchen Debatte zu stellen, in der sie sich bzw. ihr Ministerium und die Reform wohl eher verteidigen durfte. Dafür sorgte schon Anklam als Austragungsort dieser Erörterung, da das Amtsgericht Anklam als erstes Gericht im Land im Oktober 2014 zu einer Zweigstelle gewandelt wurde. Und da es wohl in der Natur des Menschen liegt, dass zufriedene Menschen nicht oder viel weniger kritisieren, sah sich die Ministerin offensichtlich denn auch eher den Gegnern des Gerichtsstrukturneuordnungsgesetzes vom 11.11.2013 gegenüber.
Die in der Diskussionsrunde ausgetauschten Argumente reihten sich nahtlos in den bisherigen Streit um die Gerichtsreform ein. Die betroffenen Mitarbeiter der Justiz sprachen von „erheblichen Problemen“, seit der Umwandlung in eine Zweigstelle herrsche „pures Chaos“ in und um das justizielle Anklam. So würden Beschlüsse erst nach Monaten zugestellt werden, Vergütungen in Betreuungssachen durch die Justizverwaltung seit Oktober ausstehen und, dieses Argument brachte auch der BDK mehrfach vor, Wege und Zeiten für Anfahrten und damit auch die Kosten hätten sich gravierend erhöht.
Justizministerin Kuder hielt dagegen, dass es sich um Startschwierigkeiten handeln würde, die beschriebenen Probleme an kleineren Gerichten schon zuvor aufgetreten und größere Gerichte leistungsfähiger seien. Darüber hinaus gehe es nicht in erster Linie um die Verringerung von Ausgaben sondern um eine Steigerung der Effizienz von Gerichten. Frau Kuder stellt die sichergestellte zügige Bearbeitung eines Verfahrens vor kürzere Wege zum Amtsgericht.
Als Berufsverband sind wir der Meinung, dass die in der Diskussionsrunde vorgebrachten Argumente der Reformgegner stichhaltig, nachvollziehbar und vor allem belegbar scheinen. Die Erwiderungen der Ministerin erinnern nach unserer Auffassung eher an politisches Pathos als an Gegenargumente. Wo bleibt der Beweis, dass größere Gerichte effizienter sind, falls sich ein derartiger Beweis überhaupt erbringen lässt? Spielen nicht immer bei einer Reform die finanziellen Einsparungen die Hauptrolle? Was hat eine sicherzustellende zügige Verfahrensbearbeitung mit der Entfernung zum Gericht zu tun? Kann man noch von Startschwierigkeiten sprechen, wenn die aufgetretenen Schwierigkeiten voraussehbar und vorausgesagt waren? Und traten die von den Reformgegnern beschriebenen Probleme zuvor an den kleinen Gerichten in der gleichen Intensität auf oder waren sie weitaus geringer?
Aus unserer Sicht lohnt es sich sehr, diese Fragen von den offenbar wenigen Befürwortern der Gerichtsstrukturreform einmal beantworten zu lassen. Die Antworten dürften zahlreiche Teilnehmer des Volksentscheides am 6. September 2015 bei ihrem Votum beeinflussen.
Wir glauben die Antworten schon zu kennen und rufen deshalb alle Stimmberechtigten auf, mit „Ja“ zu stimmen, gegen die Gerichtsreform und damit für den Gesetzesentwurf der Reformgegner von Richterbund MV und dem Verein “Pro Justiz” sowie ihren zahlreichen Unterstützern, zu denen auch der BDK-Landesverband in Mecklenburg-Vorpommern zählt.