Polizeiausbildung in Afghanistan ohne Aussicht auf Erfolg - BDK fordert grundlegende Neuausrichtung

08.12.2009

Die bisherigen Bemühungen zur Polizeiausbildung sind gescheitert und werden auch weiterhin scheitern und zwar auch dann, wenn es Deutschland wider Erwarten gelingen sollte, die bereits mehrfach versprochenen zusätzlichen Polizeibeamten nach Afghanistan zu entsenden.
Polizeiausbildung in Afghanistan ohne Aussicht auf Erfolg - BDK fordert grundlegende Neuausrichtung

Schuld daran sind nicht die von Deutschland und den EU Staaten entsandten hochmotivierten und in der Regel gut vorbereiteten Polizeibeamten. Auch fehlt es meist nicht an der guten Absicht der zahllosen Akteure, die sich am Hindukusch im Sicherheitsgeschäft tummeln. Wie jedoch auch im Kosovo zu beobachten, gewinnt das alte Sprichwort von den vielen Köchen die den Brei verderben, eine besondere Bedeutung.

Es gibt keine einheitliche Strategie zur Ausbildung der Afghanischen Polizei. Die Amerikaner haben dazu einen Police Development Plan, EUPOL hat einen Police Business Plan und die Deutschen verlassen sich weiterhin auf das bilaterale Engagement. Sämtlichen Plänen aber ist gemein, dass darin Standards beschrieben werden, die nicht einmal in Europa zu erreichen sind. Dazu gibt es weitere Akteure, die eigene, nicht koordinierte Ziele verfolgen (OSCE, UN, Türkei, China, Russland). Daneben ist die amerikanische, eindeutig militärische Ausrichtung der Polizeiausbildung ebenso wenig geeignet, die Probleme diese Landes zu lösen, wie der deutsche Ansatz, die afghanischen Polizeianwärter auf den hohen deutschen Polizeistandard heben zu wollen.

Die fehlende Einigkeit der internationalen Akteure, das Fehlen einer auch nur ansatzweise vorhandenen Gesamtkonzeption unter Einbeziehung von Infrastruktur, Justiz, Öffentlicher Verwaltung, Grenzschutz und Zoll, die völlig unzureichende Bezahlung der Polizisten verhindern jedweden Fortschritt. Hinzu kommen weitere landesspezifische Faktoren. Traditionell werden dort Streitigkeiten nicht von einer als korrupt, unfähig und machtlos empfunden Polizei beigelegt, sondern vom Mullah, den Taliban oder einem Stammesältesten.

Auch wurde bisher versäumt, die verantwortlichen und mächtigen Polizeigeneräle und andere hochrangige afghanische Autoritäten in die Überlegungen und die Verantwortung mit einzubeziehen. Die in einer überwiegend archaisch-traditionell organisierten Männerwelt dringend erforderlichen Fähigkeiten von Verhandlung und Meditation mit den jeweils Mächtigen spielen bei internationalem Militär und Polizei nur eine sehr untergeordnete Rolle.

Ebenso ist evident, dass je nach Landesteil bis zu einem Drittel der Polizeianwärter das erste Dienstjahr nicht überleben. Die allgegenwärtige Korruption und die damit verbundene Wahrnehmung der Polizei als zusätzliche "Checkpoint-Abkassierer" sind weitere starke Hemmnisse. Dass die Regierung Karzai nur einen geringen Rückhalt in der Bevölkerung genießt, gepaart mit dem Umstand, dass die Taliban mittlerweile große Teile des Landes beherrschen sowie die militärische Durchmischung des Polizeieinsatzes und der damit verbundene Ansehensverlust (insbesondere der an sich beliebten Deutschen) runden das hoffnungslose Bild ab.

Das gegenwärtige Engagement von EUPOL und Deutschland zur Polizeiausbildung umfasst gegenwärtig knapp 370 Polizeibeamte (ca. 100 aus D). Davon ist etwa ein Drittel wegen Urlaubs etc. ständig abwesend. Hinzu kommt dass es nicht primäre Aufgabe von EUPOL ist, die Polizeiausbildung voranzutreiben, sondern zusätzlich in diversen Projekten das Personal einsetzen, so dass letztlich für die Ausbildung nur ein kleiner Teil verbleibt. Angesichts der Größe des Landes und der fehlenden Infrastrutur wäre daher eine Aufstockung der internationalen Polizeiausbilder um das etwa 20fache erforderlich um die von der Regierung Karzai angestrebte Polizeistärke von 160.000 auch betreuen zu können, was aus vielen Gründen völlig unrealistisch ist und aus sicherheitspolitischer Sicht unvertretbar wäre. 

Aus Sicht des BDK ist auch vor dem Hintergrund der geplanten militärischen Ausweitung des Einsatzes und der damit verbundenen Gefahren für die auch "draussen" eingesetzten internationalen Polizeibeamten, eine neue ganzheitliche Strategie zwingend erforderlich:  

 

  1. Aufstellen eines umfassenden "Masterplans" (Infrastruktur, Öffentliche Verwaltung, Justiz, Polizei) mit verbindlichem Ausstieg der EU zum 01.01.2015
  2. Verstärkte Einbeziehung der afghanischen Behörden/ Autoritäten und Einziehen von erfolgsabhängigen Bedingungen (erst Verhandlungen mit den örtlichen "Schlüsselfiguren" dann Aktionen)
  3. Einführung eines "Train the Trainer" Konzepts. (Auswahl von ca. 3.000 geeigneten und bereits ausgebildeten afghanischen Polizeibeamten und deren Weiterbildung zum Polizeitrainer durch internationale Polizeibeamte (IPO). IPO werden bis zum Ende der Kampfhandlungen ausschließlich in den gesicherten Police Trainings Centern (PTC) tätig. Operative Polizeiarbeit, Training außerhalb der PTC und Monitoring werden ausschließlich durch einheimische (ausgebildete) Kräfte gewährleistet.
  4. Kampf gegen die Korruption. Zur Eindämmung der Korruption ist in einem ersten Schritt das Gehalt aller Polizeibeschäftigten zu erhöhen. Weiterhin sind Antikorruptions- und Anti-OK-Projekte wie "Crime Stoppers", Einrichtung der gemischten Organized Crime Task Force (OCTF) auf das ganze Land auszudehnen.
  5. Eine Aufstockung des deutschen und europäischen Polizeikontingents ist mit der Bedingung zu verknüpfen, dass die Punkte 1-4 verbindlich umgesetzt werden. Dabei ist in Deutschland zwingend am Freiwilligkeitsprinzip festzuhalten und ist die Fremdsprachenkompetenz dringend zu verbessern. Darüber hinaus ist für die Einsatzvorbereitung in Deutschland afghanisches Lehrpersonal zur Vermittlung der interkulturellen Kompetenz hinzuzuziehen.