Personalversammlung 2018: Grußwort des BDK
01.11.2018
„Sehr geehrter Herr Senator Grote,
sehr geehrter Herr Staatsrat Krösser,
sehr geehrte Vertreterinnen und Vertreter der Polizeiführung,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
ich freue mich darüber, für den Bund Deutscher Kriminalbeamter, der auch im Personalrat Eure Interessen vertritt, hier ein kurzes Grußwort entrichten zu dürfen.
In meinem Grußwort möchte ich zunächst auf die vielfach gepriesenen, niedrigen PKS-Fallzahlen und deren vermeintliche Folgen für die Polizei eingehen.
Natürlich freuen wir uns über sinkende Fallzahlen in der Polizeilichen Kriminalstatistik! So dürfte diese positive Entwicklung vor allem ein Erfolg aller Beschäftigten der Polizei Hamburg sein.
Besonders die Ergebnisse der Sonderkommissionen „Castle“ und „Schwarzer Block“ zeigen uns, Kriminalitätsbekämpfung kann erfolgreich sein, wenn die Kripo vernünftig ausgestattet und aufgestellt wird.
Wenigstens für die Deliktsfelder Wohnungseinbruch und Politisch-Motivierte-Kriminalität „links“ wissen wir jetzt ziemlich genau, wieviel Personal und welche Technik eingesetzt werden muss, um die Aufklärungsquote in diesen Bereichen positiv zu beeinflussen.
Ach wenn wir nur genügend Mittel zur Verfügung hätten, allen anderen Kriminalitätsbereichen eine entsprechende Beachtung zukommen zu lassen!
Aber wir waren ja bei sinkenden Fallzahlen - amtlich attestiert durch die jährliche PKS - ! Einige glaube ja, dass sinkende Fallzahlen automatisch eine Arbeitsentlastung für die Polizei Hamburg zu Folge haben müssten, dass hierdurch eigentlich erhebliche Ressourcen freigesetzt würden.
Gegenteiliges scheint jedoch der Fall zu sein. Vorgangsrückstellungen - um nicht das böse Wort der „Halden“ in den Mund zu nehmen -, Mehrarbeit und Überstunden fallen an. Überall und trotz sinkender Fallzahlen.
Doch was könnten die Gründe hierfür sein?
Hier einige Ideen…
Nehmen wir beispielsweise die zunehmende Betrugskriminalität im Internet. Weil deren Tatorte regelmäßig nicht ermittelt werden können, wird die immerfort ansteigende Flut an Straftaten in der PKS nicht erfasst. Dennoch kostet die Bearbeitung dieser Fälle ein erhebliches Maß an „Mehr-Arbeit“.
Eine weitere Idee wäre der immer mehr zunehmende Bürokratieaufwand, den Ermittlerinnen und Ermittler neben Ihrer eigentlichen Fallsachbearbeitung zu leisten haben.
Herr Senator, weil wir glauben, dass Ihnen dieses praktische Beispiel für einen vollkommen entgleisten Bürokratieaufwand noch nicht vorgeführt wurde, möchten wir Ihnen einmal kurz darstellen, was es heute im Jahr 2018 heißt ein Beweismittel sicherzustellen:
So werden stoffliche Beweismittel im Vier-Augen-Prinzip u.a. in solche Asservatentüten verpackt. D.h. die Sicherstellung muss durch zwei Mitarbeiter vorgenommen werden. So weit, so gut! Auf den Asservatentüten werden handschriftlich die Namen und Unterschriften der sicherstellenden Beamten, deren Dienststellen und Dienstnummern, das Verfahrensaktenzeichen, Name, Vorname und Geburtsdatum des Beschuldigten, eine Beschreibung des Beweismittels und ein Barcode aufgebracht.
Natürlich erfolgt dieses nicht nur bei Sonnenschein und Windstille, sondern auch in dunklen Kellern oder bei Regen auf einer Parkbank.
Zudem wird die Tüte mit einen Siegelklebeband verschlossen, was ebenfalls durch die zwei Beamten mit Unterschriften versehen wird. An der Dienststelle erfolgt dann die Eingabe des Beweismittels über das Vorgangsbearbeitungssystem ComVor. Dafür muss zunächst eine „Maßnahme“ angelegt werden unter welcher u.a. die handschriftlichen Daten von der Asservatentüte nochmals händisch in das Vorgangsbearbeitungssystem eingegeben werden, natürlich wieder unter dem Vier-Augen-Prinzip! Ganz besonders ärgert einen dabei die Eingabe der 13stelligen Barcodenummer, weil der Barcode im Vorgangsbearbeitungssystem nicht eingelesen werden kann. Im Anschluss versendet man den Datensatz an das Elektronische Verwahrbuch. In diesem angekommen, muss es wieder im Vier-Augen-Prinzip durch die Beamten virtuell übernommen und einem Lagerort zugewiesen werden. Ist das geschehen, muss das Beweismittel nun stofflich zum Lagerort gebracht werden.
Herr Senator, zu diesem Zeitpunkt ist nur die Sicherstellung des Beweismittels abgeschlossen. Soll das Beweismittel beispielsweise zur Untersuchung an die Kriminaltechnik weitergegeben werden, so würde der dann losbrechende Antragsgang, meine Redezeit hier vollends sprengen.
Herr Senator und jetzt machen Sie das mal 80 Mal, denn eine derartige Beweismittelsicherstellungsmenge ist an vielen Tatorten durchaus normal.
Deshalb kommt nicht selten vor, dass mehrere Beamte nach einem Einsatz oder Durchsuchung mehrere Tage mit der Eingabe von Beweismitteln beschäftigt sind.
Muss das so sein? Gibt es da nicht bessere Verfahrensweisen? Vielleicht kann man sich ja mal bei der Lager- und Logistikwirtschaft oder gleich bei Amazon einen Rat holen.
Herr Senator, vielleicht haben Sie ja jetzt einen ersten Eindruck gewonnen, warum wir einfach zu wenig Personal haben.
Erwähnt werden muss in diesem Zusammenhang auch die generell unerträglich veraltete IT, die die kriminalpolizeiliche Sachbearbeitung so sehr lähmt. Vielleicht ist es ja kein Zufall, dass die IT auch örtlich hinter dem Polizeimuseum untergebracht ist.
Die zeitgemäße Auswertung von Massen- und Bewegungsdaten, Funkzellenauswertungen, Kommunikationsüberwachung, eine fehlende Diktiersoftware, ja die digitale Akte… alles reine Wunschvorstellungen…
Herr Senator, das waren die 80´er. Sie erinnern sich… Die gute alte 5 ¼ Zoll Diskette mit 0,08 bis 1,2 MB Speichervolumen. Mein Handy hier hat einen 128 Gigabytespeicher, die an Durchsuchungsorten sichergestellten Datenträger haben regelmäßig ein Speichervolumen in Terrabytegrößen. Um ein mit meinem Handy gemachtes Foto zu speichern, hätte man in den 80´ern vier dieser Disketten benötigt. Mein Handy hat die Speicherkapazität für ca. 30.000 Fotos.
Herr Senator, die Hardware, die derartige Massendaten im Auftrag der Staatsanwaltschaft auszuwerten hat, sitzt um Sie herum auf den Stühlen in diesem Saal. Die Beschäftigten der Polizei Hamburg! Updates gibt es in Form von Lehrgängen und Fortbildungen, die derzeitig aber aufgrund des Ausnahmezustands an der Akademie regelmäßig ausgesetzt werden.
Herr Senator unser BIOS ist veraltet oder wurde bei vielen Kolleginnen und Kollegen noch gar nicht programmiert.
Herr Senator für die Auswertung von Massendaten, steht uns heute der gleiche Personalkörper zur Verfügung, wie der, der 80´er Jahre.
Wen wundert es da, dass das Personal hinten und vorne nicht reicht.
Herr Senator, IT Soft- und Hardwareanwendungen, in der Wirtschaft seit Jahrzehnten gebräuchlich, sind bei der Hamburger Polizei schon sehr, sehr lange Zukunftsmusik und werden dies wohl auch noch sehr, sehr lange bleiben. Wie passt dies zum Hamburger Prestigeprojekt der „Digitalen Stadt“?
Apropos: Personalkörper
Herr Senator, Ihnen selber ist nicht entgangen, beim Personalkörper der Polizei Hamburg hat sich einiges verändert. In den 80´er Jahren bestand der Personalkörper der Hamburger Polizei überwiegend aus Männern. Schwangerschaften, Teil- und Erziehungszeiten waren absolute Ausnahmen und unter Sabbat verstand man im besten Fall einen jüdischen Feiertag.
Schwangerschaften, Teil-, Erziehungs- und Sabbatauszeiten sind heute nicht mehr die Ausnahme, sondern die Regel und dass hat auch gute Gründe. Nur müssen auch die dienstlichen Aufgaben verrichtet werden können, fragt sich häufig nur von wem?
Herr Senator an vielen Hamburger Kripodienststellen finden Sie ab 15 Uhr nur noch die Dienststellenleitung und den Tagesdienst vor.
Wann beschäftigen wir endlich so viel Personal, dass der Dienst nicht mehr darunter leidet?
Herr Senator, das EO 300+ Paket und die darin enthaltenen 70 Stellen für die Kriminalpolizei sind auf alle Fälle der erste Schritt in die richtige Richtung und mal ein Lob wert. Allerdings werden diese 70 Stellen bei weitem nicht ausreichen, wenn unsere Arbeitsprozesse nicht durch eine spürbare Entbürokratisierung und eine taugliche IT-Ausstattung entlastet werden.
Ich hätte noch viele Gründe mehr aufzählen können, warum sinkende Fallzahlen für uns keine Arbeitserleichterung bedeuten, dennoch freuen wir uns über diesen Erfolg, denn ohne diesen, wäre die Situation für uns sicher noch viel, viel schlimmer.
Vielen Dank“