Personalentwicklungskonzept "Höherer Dienst" gefährdet "Fachlichkeit"

28.07.2010

Düsseldorf, 29.07.2010 - Kurz vor Ende der Amtszeit von Staatsminister a. D. Dr. Ingo Wolf brachte das Innenministerium einen Erlassentwurf auf den Weg, der die "Karrierebausteine" von Beamtinnen und Beamten des Höheren Dienstes auf dem Weg nach A15 und A 16 akribisch vorgeben soll.
Personalentwicklungskonzept "Höherer Dienst" gefährdet "Fachlichkeit"

Danach müssen Beamtinnen und Beamten in A13 und A14 mindestens zwei unterschiedliche Funktionen "direktionsübergreifend" (Stab und Linie) in möglichst zwei unterschiedlichen Behörden ausgeübt haben, um sich auf einen Funktion nach A15 bewerben zu können. Von dem, der A16 erreichen will, verlangt man zukünftig, mindestens eine weitere Funktion in einer Landesoberbehörde und/oder im Innenministerium ausgeübt zu haben. Als "Mindestverweildauer" werden jeweils 2 bis 3 Jahre als ausreichend angesehen.

Diese Art der Personalentwicklung steht unter dem Motto des ehemaligen Innenministers "Man muss auch mal über den Tellerrand schauen". Dabei verkennen die Befürworter eines solchen "Rotationsmodells" damit einhergehende höchst wahrscheinliche fachliche Defizite. Von verbindlicher Personalführung und Personalentwicklung der nachgeordneten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ganz zu schweigen.

Der BDK hat mit Schreiben vom 05.07.2010 eine Stellungnahme an den damaligen Innenminister abgegeben. Darin erhebt der BDK ganz erhebliche Bedenken gegen dieses Personalentwicklungskonzept.

Auszug: "Wenn in den Direktionsspitzen (Funktionen A 15 und A 16) grundsätzlich nur Beamte Verwendung finden können, die dem zukünftigen Entwicklungskonzept entsprechen, wird die Fachlichkeit dieser Führungskräfte darunter leiden … Ich erlaube mir, Sie an dieser Stelle an die Anhörung zum Thema "Krankenstand in der Polizei" vor dem Innenausschuss des Landtages zu erinnern. Ich habe - auch in der schriftlichen Stellungnahme - auf die immer wiederkehrende Kritik der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kriminalpolizei hingewiesen, die sich nur noch als "Karrierebausteine" ihrer Führungskräfte sehen. In diesem Zusammenhang gerät die Personalentwicklung im gehobenen Dienst (Karrieren erkennen, fordern, fördern, beurteilen) zur Farce, wenn Führungskräfte derartige Rotationen und Fortbildungen in Serie im Blick haben müssen.

Auszüge aus der Stellungnahme des BDK

... Mit der Entscheidung zur aufgabenorientierten Neuorganisation wurde offensichtlich auch großer Wert auf die fachliche Verantwortung der Führungskräfte in den Direktionen gelegt. Diese Fachverantwortung wird aus Sicht des BDK nunmehr durch den Erlassentwurf in den wesentlichen Führungsfunktionen aufgehoben.

Wenn in den Direktionsspitzen (Funktionen A 15 und A 16) grundsätzlich nur Beamte Verwendung finden können, die dem zukünftigen Entwicklungskonzept entsprechen, wird die Fachlichkeit dieser Führungskräfte darunter leiden.

Der Erlassentwurf bestimmt für Führungskräfte des höheren Dienstes, die eine Funktion der Besoldungsgruppe A 15 anstreben, die vorherige Wahrnehmung von zwei Leitungs- oder Stabsfunktionen in unterschiedlichen Funktionsbereichen der Polizei. Demnach würde es also nicht mehr reichen, dass ein Beamter des höheren Dienstes zum Beispiel in der Kriminaldirektion zwei unterschiedliche Kriminalinspektionen über einen bestimmten Zeitraum geleitet hat, sondern er müsste einen Funktionswechsel entweder von einer Linienfunktion in eine Stabsfunktion vollziehen oder aus einer Linienfunktion einer Fachdirektion in die Linienfunktion einer anderen Fachdirektion wechseln.

Von dem Bewerber wird gemäß der Formulierungen auf Seite 4 des Erlassentwurfes gleichzeitig verlangt, dass er sowohl an Fortbildungen zur Stärkung der jeweilig funktionsbezogenen Fachkompetenzen wie an solchen zur Stärkung der Führungskompetenz teilgenommen haben sollte.

Er müsste damit bei einer Tätigkeit als KI-Leiter Fachfortbildungen aus dem Aufgabenfeld Kriminalitätsangelegenheiten allgemein und aus dem Deliktsspektrum der von ihm geleiteten Inspektion speziell besuchen. Anschließend müsste er bei einem Wechsel in die Direktion Gefahrenabwehr/Einsatz, Verkehr oder auch in eine andere Funktion weitere fachliche Fortbildungsseminare besuchen, die ihm Erkenntnisgewinne für diese neue Aufgabe versprechen.

Dies bedeutet gleichzeitig, dass er prognostisch große Anteile der Erkenntnisse aus den Fachfortbildungen der Erstfunktion in der Zweitfunktion nicht anwenden kann und in der Drittfunktion, die dann in A 15 oder in A 16 angesiedelt ist, die Ergebnisse und Erkenntnisse aus beiden vorangegangenen Fachfortbildungen nur bedingt nutzen kann. Damit wird nicht nur der Sinn der kernaufgabenorientierten Organisation konterkariert, sondern es werden auch Zeit- und damit finanzielle Ressourcen, die für Fortbildungen eingesetzt worden sind, wenig effizient genutzt.

Die Führungsfunktionen in der Direktion Kriminalität sind in hohem Maße davon geprägt, qualifizierte Sachbearbeitung und damit Beweisführung in sich sehr stark unterscheidenden Deliktsfeldern zu gewährleisten. Das Aufgabenspektrum der KI-Leiter unterscheidet sich erheblich voneinander. So werden z.B. in einer Kriminalhauptstelle an den Leiter einer Staatsschutz-Dienststelle ganz andere Fach- wie auch Führungsanforderungen gestellt, als an den Leiter einer KI 1; der Leiter einer KI 2 für organisierte und Wirtschaftskriminalität benötigt andere Kompetenzen, als der Leiter einer Kriminalinspektion, die sich an Serviceaufgaben wie Erkennungsdienst, Fahndung, Kriminaldauerdienst oder auch Bekämpfung der Massenkriminalität ausrichtet.

In diesem Zusammenhang möchte ich Sie auf eine weitere bedeutsame Aufgabe der Führungskräfte der Kriminalpolizei aufmerksam machen. Die Leiter der Kriminalinspektionen und auch die Direktionsleiter befinden sich regelmäßig im Dialog mit Abteilungsleitern und Fachdezernenten der Staatsanwaltschaften, um Ermittlungsschwerpunkte und Ermittlungsstrategien bei der Bearbeitung zahlreicher Kriminalitätsphänomene abzustimmen; dies nicht nur in der allgemeinen Aufbauorganisation (AAO) sondern auch in besonderen Aufbauorganisationen (BAO) beispielsweise bei Geiselnahmen, Entführungen und Produkterpressungen. Um auf "Augenhöhe" mit der Staatsanwaltschaft zu effizienten und effektiven Strategien zu kommen, bedarf es unzweifelhaft entsprechender Fachkompetenzen bei den Führungskräften des höheren Dienstes der Kriminalpolizei.

Auch unter diesem Gesichtspunkt bestehen ausreichend Möglichkeiten, die Kandidaten für eine Führungsfunktion nach A 15 oder A 16 der Kriminalpolizei ausschließlich in den Inspektionen und Stabsfunktionen der Kriminaldirektionen zu verwenden. Dies schließt im Einzelfall Verwendungen in anderen Bereichen nicht aus, wobei dies nicht die Regel sein sollte. Gerade die Verwendungsbreite innerhalb der Kriminalpolizei rechtfertigt die Hoffnung, dass eine Führungskraft der Kriminalpolizei, die ein bis zwei unterschiedliche Kriminalinspektionen oder ein bis zwei Kriminalinspektionen und eine Führungsstelle der Direktion Kriminalität geleitet hat, in der Lage sein wird, auch eine Kriminaldirektion zu führen oder die Vertretung des Direktionsleiters einer nach A 16 bewerteten Kriminaldirektion wahrzunehmen.

Der Erlassentwurf schließt eine solche Karriere in nur einer Fachdirektion fast gänzlich aus. Er erinnert an den so genannten "Sporterlass" aus der Zeit vor etwa 15 Jahren, in der das damalige Innenministerium die Qualifikation der Mitarbeiter dann als besonders hoch bewertete, wenn in möglichst kurzer Zeit möglichst viele Verwendungen angestrebt und realisiert wurden.

Ich erlaube mir, Sie an dieser Stelle an die Anhörung zum Thema "Krankenstand in der Polizei" vor dem Innenausschuss des Landtages zu erinnern. Ich habe - auch in der schriftlichen Stellungnahme - auf die immer wiederkehrende Kritik der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kriminalpolizei hingewiesen, die sich nur noch als "Karrierebausteine" ihrer Führungskräfte sehen. In diesem Zusammenhang gerät die Personalentwicklung im gehobenen Dienst (Karrieren erkennen, fordern, fördern, beurteilen) zur Farce, wenn Führungskräfte derartige Rotationen und Fortbildungen in Serie im Blick haben müssen.

Ernst zu nehmende Unternehmensberater sehen solche Entwicklungen nicht nur skeptisch, sondern mit teils fatalen Folgen für eine Organisation. Und selbst Vertreter Ihres Hauses erklärten zu den Problemen möglicher Defizite der "fachlichen Führung", man habe doch die erfahrenen Kommissariatsleiter in A 13, um diese Defizite auszugleichen.

Haben wir uns ernsthaft die zukünftige Führung in den Direktionen so vorzustellen?

Die Kriminalitätslandschaft wird immer komplexer und gerade im Bereich der Wirtschaftskriminalität aber auch z.B. der Organisierten wie der Betrugs- und Internetkriminalität von immer neuen Tatbegehungsweisen und neuen Täterstrukturen bestimmt, die es erforderlich machen, sich in neue Kriminalitätsphänomene einzuarbeiten und zu deren Bekämpfung präventive und repressive Konzepte zu entwickeln.

Die Sicherheitsprogramme der Kreispolizeibehörden benennen in der Regel als Verantwortlichen für die Entwicklung von Konzeptionen zur Kriminalitätsbekämpfung den Direktionsleiter Kriminalität. Er kann diese Aufgabe indes nur wahrnehmen, wenn er über umfängliche Fachkenntnisse aus dem vielfältigen Spektrum der täterseits zum Teil deliktübergreifend angewandten modi operandi verfügt. Er wird sich von seinen KI- und KK-Leitern beraten lassen, wobei er die Fähigkeit haben muss, deren Argumentationen fachlich prüfen zu können; dies kann er umso weniger, je weniger Führungsfunktionen in der Kriminalitätsbekämpfung er selbst ausgefüllt hat.

Die gesamten in NRW vorliegenden Gutachten, zum Beispiel der Unternehmensberatungen Kienbaum sowie Mummert und Partner, haben gezeigt, wie stark sich die Führungskulturen und auch die Strukturen in der Kriminal- und der Schutzpolizei unterscheiden. Schon allein daraus ergibt sich, dass sich Führungserfahrungen aus der Schutzpolizei nicht zwingend auf die Kriminalpolizei übertragen lassen und umgekehrt auch Führungserfahrungen aus der Kriminalpolizei nicht auf die Führungsstrukturen der Schutzpolizei zu übertragen sind.

Dieses Modell unterliegt dem Irrglauben, dass die Führungsqualität eines Menschen durch dessen Tätigkeit in unterschiedlichen Führungsfunktionen völlig unterschiedlicher Aufgabenfelder wächst. Es ist nicht belegt, dass Verwendungsbreite über mehrere Sparten hinaus die bessere Führungskraft in Spitzenämtern erzeugt.

Die Orientierungs- und Förderphase in den ersten zwei Jahren der Ausbildung für den höheren Dienst deckt den Perspektivwechsel mit Verwendungen in LOB und IM hinreichend ab ...