Offener Brief zu Impfprioritäten
09.03.2021
Sehr geehrte Frau Dr. Sütterlin-Waack,
sehr geehrter Herr Wilksen,
die gesamte Polizei trägt in der pandemischen Situation dazu bei, dass grundlegende Funktionen des Staates wie Gewaltmonopol, Strafverfolgung und Gefahrenabwehr aufrechterhalten werden. Aus gegebenem Anlass möchte sich der BDK Schleswig-Holstein in diesen schweren Zeiten, in denen wir uns irgendwo zwischen Lichtblick und bangem Abwarten befinden, u.a. in der Frage der dienstlichen Covid-19-Schutzimpfungen mit einem offenen Brief an Sie wenden.
Vor kurzem hat der Impfrat der Polizei bekannt gegeben, welche Prioritäten für das Impfen in unserer Organisation festgelegt werden. Dabei wurde entschieden, dass „Angehörige der Ermittlungsdienststellen, der Stäbe/des Innendienstes, der polizeilichen Bildungseinrichtungen, der Polizeiabteilung des MILIG pp.“ lediglich in die Gruppe der „erhöhten Priorität“ eingeordnet werden und damit innerhalb der Landespolizei in die zeitlich nachgeordnete Gruppe.
Es steht außer Frage, dass Angehörige der Hundertschaften und des Präsenzdienstes in die vorrangige Gruppe mit „hoher Priorität“ gehören.
Trotzdem gibt es bei diesem sensiblen Thema innerhalb der Kriminalpolizei gerade in der Fläche teils erheblichen Unmut, den wir hier aufgreifen und erläutern wollen. Wir halten die aufgeführte pauschale Zuordnung der Kriminalpolizei in die nachgeordnete Gruppe für falsch. Insbesondere in vielen Sachgebieten und Kommissariaten vor Ort wird Dienst mit intensivem Bürgerkontakt geleistet, dessen tägliche Wahrnehmung eine höhere Impfpriorisierung erfordert.
Auch eine erhebliche Anzahl von Kriminalbeamt*innen begeben sich häufig in Wohnräumlichkeiten von Bürger*innen, um Durchsuchungsbeschlüsse zu vollstrecken, Tatorte zu dokumentieren, Beschuldigte aufzusuchen oder den Haftrichter*innen vorzuführen oder führen ED-Behandlungen, Todesermittlungen, stundenlange Vernehmungen durch – bei sensiblen Zeug*innen videodokumentiert in kleinen Räumen – und müssen dabei vielfach, z.T. engen Kontakt zu potenziell oder tatsächlich infizierten Personen/Kontaktpersonen ersten Grades in Kauf nehmen, um unaufschiebbare Maßnahmen treffen zu können. Diese Liste ließe sich problemlos fortsetzen.
Somit stellt sich die Frage, wie die Arbeit vieler der Kriminalbeamtinnen und Kriminalbeamten im Lande eigentlich wahrgenommen wird. Leider hält sich gerade bei vielen Verantwortlichen in der Landespolizei offenbar seit Jahren ein Vorurteil: Die kriminalpolizeiliche Ermittlungsarbeit erfolge bei sporadischem Bürgerkontakt ähnlich der Stabsarbeit in der Zeit von 07:30 – 16:12 Uhr nahezu ausschließlich vom Büro aus. Oder wie eine betroffene Kollegin es auf den Punkt bringt: „Es entsteht der Eindruck, dass unsere Arbeit als Kriminalitätsverwaltung zwischen Aktenbergen (und ja, die Berge gibt es leider trotzdem) und Druckerstaub wahrgenommen wird.“
Mit Vorurteilen kann und muss man leben. ABER: Wenn Vorurteile in einem sensiblen Bereich, wie dem Schutz der körperlichen Unversehrtheit im Zusammenhang mit der Wahrnehmung dienstlicher Aufgaben, offenbar handlungsleitend werden, um Schutzmaßnahmen falsch zu priorisieren, dann ist eine Schwelle überschritten, die nicht hingenommen werden kann. Es drängt sich der Verdacht auf, dass dies hier geschehen ist.
Für die in Frage kommenden „Angehörigen der Ermittlungsdienststellen“ ist die Aussicht, nach jetzigem Stand mindestens weitere zwölf Wochen ohne Impfschutz arbeiten zu müssen, obwohl dieser erforderlich und möglich ist, kaum zu ertragen und im höchsten Maße demotivierend.
Wir bitten Sie und erwarten zugleich von der Landespolizei, dass nach dem Prinzip „wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich“ die entsprechenden Kommissariate und Sachgebiete der Kriminalpolizei identifiziert und der bisherigen Gruppe mit „hoher Priorität“ gleichgestellt werden. Klar ist auch, es werden nicht alle sein, aber mehr als manche denken.
Über ein Gespräch zu den angesprochenen Themen freuen wir uns jederzeit.
Mit kollegialen Grüßen,
Der Landesvorstand