Öffentliche Anhörung im Innenausschuss - bekommen Polizeibeschäftigte im Ermittlungsbereich der Kinderpornographie bald Sonderurlaub ?

04.05.2023

Am 04.05.2023 fand die öffentliche und hybride Anhörung im Innenausschuss zum Sonderurlaub nach dem Vorbild Niedersachsens für Polizeibeschäftigte der Landespolizei Mecklenburg-Vorpommern im Ermittlungsbereich der Kinderpornographie statt.
clareich auf Pixabay

Der Antrag (Drucksache 8/1363) wurde von der CDU Fraktion gestellt und von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN mit einem Änderungsantrag (Drucksache 8/1400) ergänzt.

Der BDK ließ es sich nicht nehmen, seine Positionen zum Themenbereich schriftlich und mündlich darzulegen. Neben uns waren der Landesvorsitzende der GdP sowie je ein Vertreter des LKA M-V und der Kriminalpolizeiinspektion Anklam vor Ort. Per Videokonferenzsystem war der Direktor des LKA NRW zugeschaltet.


Zunächst erfolgte durch den BDK eine Bestandsaufnahme. Durch die immer steigernde Anzahl von NCMEC Hinweisen aus den USA und den daraus resultierenden erhöhten Durchsuchungen, Vernehmungen und Asservatenauswertungen werden die Polizeibeschäftigten extrem belastet. In der Sachbearbeitung hat sich in Mecklenburg-Vorpommern im Deliktsfeld der Kinderpornographie unterm Strich so gut wie nichts zum Besseren verändert. Eine Arbeitserleichterung durch technischen Fortschritt kommt bei den Polizeibeschäftigten nicht an. Es gab zwar Personalaufwüchse im LKA und in den Kriminalpolizeiinspektionen (KPIen) und einzelne beschaffte Computertechnik. Jedoch fehlt es an einem gemeinsamen Auswertenetzwerk, dass die Dienststellen untereinander verbindet. Die Steigerungen der NCMEC Hinweisen neutralisieren den Personalaufwuchs obendrein. Darüber hinaus ist das Hinweisportal netzverweis.de immer noch online und erzeugt eine Halde von Hinweisen im LKA M-V (darunter auch Kinderpornografie), die lange Zeit unbearbeitet bleiben. Die Kriminalpolizei aus Mecklenburg-Vorpommern soll also immer noch die Welt retten und Weltpolizei sein - mit einer der kleinsten Landespolizeien vom Personalkörper im Bundesvergleich.


Eine im Bundesland zentral geführte Hashdatenbank wird schon seit Jahren angekündigt, kommt aber einfach nicht produktiv zum Einsatz. Wenn überhaupt werden Hashwerte manuell an das BKA angeliefert. Bereits beschaffte Server für die vernetzte Zusammenarbeit zwischen LKA und KPIen stehen ungenutzt herum, weil ein IT-Sicherheitskonzept fehlt und der Arbeitsbereich im LKA für diese Umsetzung hoffnungslos überlastet ist. Auch eine seit mehreren Jahren angekündigte Auswertesoftware, die das LKA und die KPIen in das 21. Jahrhundert der Polizeiarbeit bringen soll, ist immer noch nicht beschafft.


Wenn es zu einer Sonderurlaubsregelung kommen sollte – was wir auf jeden Fall befürworten - empfehlen wir diese so konkret wie möglich zu formulieren. Dazu zählt eine genaue Anzahl der Sonderurlaubstage und eine genaue Benennung der Berechtigten um interne Organisationskonflikte und Interpretationsspielräume von Vorgesetzten zu vermeiden. Interpretationsspielräume gab es z. B. in der Vergangenheit bei der Auszahlung der Zulage für Polizeibeschäftigte im Ermittlungsbereich der Kinderpornographie. IT-Forensiker oder Tarifbeschäftigte haben die Zulage erst gar nicht bekommen, weil sie nicht in der Erschwerniszulagenverordnung berücksichtigt wurden.


Polizeibeschäftigte sind nach unserer Auffassung alle (Beamte/Beamtinnen und Tarfibeschäftigten) im LKA von der Ansprechstelle Kinderpornografie und in den KPIen im Fachkommissariate 1 und 6, die sich mit Kinderpornografie befassen. Dazu gehören natürlich auch die IT-Forensikfachkräfte, die mit der Asservatenauswertung beschäftigt sind.

Die Vertreter des LKA M-V und der KPI Anklam wiesen auf bereits jetzt schon vorhandene Gesprächsmöglichkeiten mit Vorgesetzten, Supervisionen als Einzel- oder Gruppensitzung und eine bereits vorhandene finanzielle Zulage von 100 Euro pro Monat hin. Der Vertreter der KPI Anklam vertrat die Position, dass ein zusätzlicher Sonderurlaub nicht notwendig sei. Er verwies darauf, dass Beschäftigte, die Sexualdelikte oder Branddelikte bearbeiten oder Tarifangestellte, welche belastende Vernehmungen verschriften auch keinen Sonderurlaub erhalten und machte als Kompromiss den Vorschlag den Polizeibeschäftigten eine Wahlmöglichkeit zwischen Sonderurlaub oder Bezahlung der Zulage zu eröffnen.

Für den Vertreter des LKA M-V ist der Sonderurlaub ein weiteres mögliches Element. Allerdings würde der  Sonderurlaub alleine zu kurz greifen, weil die Polizeibeschäftigten dann noch mehr belastet sind, wenn man parallel nicht mit mehr Stellen gegensteuert.

Der Direktor des LKA NRW führte aus, dass Polizeibeschäftigte im Ermittlungsbereich der Kinderpornographie bereits eine Erschwerniszulage von 300 Euro in NRW erhalten. Die Einführung eines Sonderurlaubs sei in NRW nicht geplant. Dem Direktor ist kein Bundesland bekannt, welches Erschwerniszulage und Sonderurlaub für Polizeibeschäftigte im Ermittlungsbereich der Kinderpornographie zusammen gewährt. Hier könnte Mecklenburg-Vorpommern Vorreiter sein. In NRW wird als weiterer möglicher Schritt für die Polizeibeschäftigten die Gewährung von Kuren zur Erholung und Gesunderhaltung der Psyche geprüft. Bereits jetzt gibt es im LKA NRW spezielle Räume für die Polizeibeschäftigten um sich kleine Auszeiten von den seelischen Belastungen nehmen zu können. Eine empathische und motivierende Führungskraft in diesem Deliktsfeld ist ein weiterer wichtiger Faktor des Erfolges. Der Personalkörper im LKA NRW wurde mit Tarifbeschäftigten (Entgeltgruppe E11) in den letzten Jahren erheblich aufgestockt um das strafrechtlich relevante Material zu kategorisieren. Einmal im Jahr ist eine Supervision in NRW verpflichtend.


Was die politischen Entscheidungsträger von den genannten Positionen und Vorschlägen umsetzen bleibt offen. Wir fordern als BDK, dass die Kriminalpolizei aus technischer Sicht endlich eine Polizeiarbeit des 21. Jahrhunderts machen kann und die Polizeibeschäftigten gehegt und gepflegt werden, damit sie gesund bleiben und ihren Job lange ausüben können. Ermittlungserfahrung ist ein wichtiger Baustein für den Erfolg und neue motivierte Nachfolger für diesen Deliktsbereich sind schwer zu finden.

Stephan Gäfke

[Update vom 06.05.2023: Nach Veröffentlichung dieses Artikels gab es einen Hinweis von einem Teilnehmer der Sitzung, dass er inhaltlich im Artikel falsch wiedergegeben wurde. Daraufhin wurde der betreffende Absatz im Artikel überarbeitet.]

Links:

https://www.landtag-mv.de/fileadmin/media/Dokumente/Ausschuesse/Innen-_Europaausschuss/Tagesordnungen-8-WP/036-Sitzung-04-05-2023.pdf

https://www.dokumentation.landtag-mv.de/parldok/dokument/54719/sonderurlaub_fuer_polizeibeschaeftigte_der_landespolizei_mecklenburg_vorpommern_im_ermittlungsbereich_der_kinderpornographie_nach_dem_vorbild_niedersa.pdf