Nebelkanonen vom Kieler „Tatort“ verderben die Sicht
17.10.2012
Worum geht es aber überhaupt? Um tote Politiker. „Vor allem um tatsächlich existierende, genauer, um einen, der vor exakt 25 Jahren leblos in einem Genfer Hotel gefunden wurde: Uwe Barschel, damaliger Ministerpräsident von Schleswig-Holstein. Sein Tod gibt bis heute Rätsel auf. Mord oder Selbstmord? Beides lässt sich weder beweisen noch ausschließen. Deswegen blühen seit Jahren die Verschwörungstheorien und hier knüpft der Tatort an …“
Der „Tatort“, seine Macher, die ausstrahlende ARD und sein Kritiker scheinen in einer anderen Welt zu leben, müssen zumindest in den letzten sechs Jahren entweder völlig abwesend gewesen sein oder nichts begriffen haben. Denn schon 2006 ist das Buch von Wolfram Baentsch „Der Doppelmord an Uwe Barschel“ erschienen und 2011 das des ehemaligen Leitenden Oberstaatsanwalts Heinrich Wille, das den ebenfalls bezeichnenden Titel trägt: „Ein Mord, der keiner sein durfte“.
Wie kann man also heute noch ernsthaft behaupten, dass Barschel’s Tod rätselhaft sei?
Und wie sieht das Fazit des Rezensenten aus? „Es ist selten, dass in Deutschland echte Fälle in fiktiven Formaten weitergesponnen werden. Der Kieler ‚Tatort’ hat es gewagt, das ist löblich.“ Man reibt sich die Augen. Was ist das denn für ein Blödsinn! Was kommt raus und kann nur rauskommen, wenn man statt lückenloser Aufklärung und Wahrnahme der Verantwortung von Politik und Justiz in (nur offiziell) ungeklärten Fällen einfach rumspinnt? Um es ausnahmsweise einmal drastisch, aber dem Niveau des Tatorts durchaus angemessen, auszudrücken: verquirlte Sch...!
Einen winzigen Funken kritischer Betrachtung gibt es dann aber doch: „Auch wenn es in der Natur der Sache liegt, dass der Krimi keinen Beitrag zur Lösung des wahren Falls Barschel liefern konnte und wollte“. Aber was lieferte er dann?
Vor allem Nebel, der die Sicht verhindert! Je mehr Nebel, je mehr Unklarheiten beim Zuschauer, der am Ende nicht mehr im Detail unterscheiden kann, worin die wahren Fakten bestehen und welche fiktiven Umstände und Geschichten hinzugefügt wurden, um so besser können „Verschwörungstheorien“ aufrechterhalten und eine wirkliche Aufklärung verhindert werden.
Das gelingt dann besonders gut, wenn man Journalisten, die den wahren Fall in einem Buch aufklären wollten, als Verbrecher darstellen kann. Im Tatort war es das Paar, das den Koffer mit den 10 Millionen Schweigegeld, die für Barschel bestimmt waren, stahl. Und sie tötete auch ihren Ex und überfuhr sogar noch den an den Recherchen beteiligten Fotoreporter …
Was für eine herrliche Ablenkung vom realen Fall. Und was für ein schlechtes Licht, das auf möglichst gleich alle Buchautoren fällt, die Tatversionen staatlicher Behörden anzweifeln oder gar widerlegen!
Das war also der Beitrag eines öffentlich-rechtlichen Senders zum 25. Jahrestag der Vertuschung eines Mordes. Beifall kommt bestimmt von Politik, Justiz und Geheimdiensten (der vom Rezensenten des STERN ist ja schon da); vom BDK ganz sicher nicht.
Am Ende bleibt für den Verfasser nur noch eine Frage: Warum hieß der Tatort „Borowski und der freie Fall“? Wer oder was ist denn alles (frei) gefallen? Nur die Journalisten und der Minister, den der Kritiker als Biedermann beschreibt („optisch eine Mischung aus Christian Wulff und Guido Westerwelle“) oder auch die politische Kultur, das kriminalistische und juristische Niveau der Verbrechensbekämpfung und der Glaube an den Rechtsstaat? Für den Verfasser ist das Fragezeichen entbehrlich.
Vom Verfasser wurde bereits ein spezieller Beitrag zu diesem Thema unter dem Titel „Ein Ende des Kieler Intrigantenstadls ist nicht in Sicht“ am 21.07.2009 auf dieser Seite veröffentlicht.
Zuletzt erschien von ihm am 25.04.2012 dort auch „10 Jahre nach dem Erfurt-Massaker noch keine Aufklärung“.