Migranten, Menschen, Emotionen, Sachlichkeit
07.09.2015
Verfolgt man die Berichterstattung und deren Kommentierungen zu den aktuellen Migrationsströmen, kann man den Eindruck gewinnen, dass eine gewisse Tendenz zur segmentartigen Wahrnehmung besteht: Viele scheinen, je nach Weltbild, nur einen ausgewählten Blickwinkel einnehmen zu wollen und blenden dabei viele andere Facetten dieses hochkomplexen Themas einfach aus: von den diversen Migrationsursachen bis zu den gesellschaftlichen Auswirkungen in den Aufnahmestaaten. Das Bemühen um eine sachgerechte Differenzierung zwischen verschiedenen Aspekten scheint vergleichsweise gering ausgeprägt zu sein. In unserer schnelllebigen Gegenwart müssen offenbar einfache Lösungen in Form von Patentrezepten her – aber die gibt es nicht.
Wer dagegen um eine umfassende Betrachtung bemüht ist und naturgemäß einen Aspekt nach dem anderen abhandeln möchte, läuft Gefahr, unversehens in eine unpassende Schublade gesteckt zu werden – z.B. mangels Sachkenntnis oder der fehlenden Bereitschaft zum Zuhören.
Es gibt Migranten, die einen moralisch-rechtlichen und humanitären Anspruch auf Schutz vor Verfolgung haben sowie Qualifizierte und Ausbildungswillige, die pragmatisch in unsere Wirtschaft integriert werden könnten. Es gibt aber auch Migranten, die sich in verschiedener Hinsicht nicht so selbstverständlich mit unserer Rechts- bzw. Werteordnung anfreunden wollen oder erst gar kein Asyl beantragen bzw. keine Verfolgungsgründe nach dem Gesetz geltend machen können.
Im Ergebnis gibt es also im Hinblick auf Migranten, wie bei anderen Menschen auch, kein „entweder – oder“, sondern ein „sowohl – als auch“. Unsere geltenden Gesetze kriminalisieren keine Menschen, sondern Verhaltensformen. So beginnen z.B. Straftatbestände mit „Wer...“ Damit ist individuelle Verantwortung gleichermaßen normiert. Kriminologisch und juristisch wird ohnehin berücksichtigt, warum sich jemand selbst „kriminalisiert“.
Insbesondere die Bundespolizei, aber auch die betroffenen Dienststellen der Länder, haben meistens den menschlich berührenden aber auch belastenden Erstkontakt zu den verschiedenen Migranten und damit die authentische Erfahrung, wen sie jeweils tatsächlich vor sich haben.
Für die strapazierten Flüchtlingsfamilien bringen Polizisten zum Teil Kinderspielzeug oder Wickelunterlagen von zu Hause mit. Die Schleuser müssen dagegen weiter entschlossen verfolgt werden, insbesondere diejenigen, die die „Geschleusten einer das Leben gefährdenden, unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder der Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung aussetzen.“ (AufenthG) Die menschenverachtende und -gefährdende Schleusungskriminalität ist immer noch eine z.T. tödliche Realität, die wir, vor allem zum Schutz der Menschen, bekämpfen müssen. Inwieweit ihr ggf. noch politisch bzw. rechtlich der Nährboden entzogen werden kann, wird sich noch zeigen. Die Bundespolizei ist bei ihren Bekämpfungsmaßnahmen bereits aus ethischen Gründen gehalten, eine weitere Gefährdung der Geschleusten durch die Täter unverzüglich zu unterbinden.
Es ist zutiefst demokratisch, unterschiedlicher Ansicht zu sein und zu streiten, ohne sich gegenseitig zu diffamieren. Nur in einem sollten wir uns trotz aller Meinungsvielfalt einig sein: in dem Wunsch, dass die „Täter unter uns“ ermittelt und konsequent bestraft werden, die als Deutsche in Deutschland, mit deutschen Mitteln erbauten Wohnraum für Menschen mit blindem Hass in Brand setzen. „Verbrannte Erde“, bevor etwas einem imaginären „Feind“ in die Hände fällt? Dabei sind die Zeiten des Volksempfängers vorbei. Man darf schon lange wieder „Radio London“ hören. Die heutige Informationsvielfalt muss nur genutzt werden. Aber dann müsste man sich ja Zeit nehmen, nachdenken, Dinge hinterfragen, vielleicht sogar sich selbst, zuhören, diskutieren, dazu lernen... - statt dem eigenen Volk Schande zu machen.