Massive Kritik am neuen Verfassungsschutzgesetz gerechtfertigt?

29.08.2015

Alle regionalen Medien haben sich in den vergangenen Tagen dieses Themas angenommen. Für uns als Vertreter der kriminalpolizeilich Beschäftigten im Nordosten ist dabei die Tendenz wenig nachvollziehbar, den Gesetzesentwurf eher negativ zu beleuchten und offensichtlich überwiegend eigene politische Vorstellungen in die Bewertung einfließen zu lassen. Möglicherweise spielt auch der Gebrauch juristischer Fachtermini eine große Rolle, die recht unterschiedlich gedeutet werden.
Massive Kritik am neuen Verfassungsschutzgesetz gerechtfertigt?

Grundsätzlich muss selbstverständlich die Begehung von Straftaten durch Vertrauenspersonen oder verdeckt operierende Mitarbeiter auch bei unserer Abteilung Verfassungsschutz abgelehnt und im Falle des Eintretens strafrechtlich verfolgt werden. Will aber ein Bundesland seine Untersuchungen von extremistischen oder terroristischen Gruppierungen auch mit verdeckten Personen leisten, muss in begründeten Einzelfällen genau diese Ausnahme, die Begehung von Straftaten in Abwägung innerhalb der gesamten Ermittlung, zulässig sein. Manchmal ist es den Vertrauensleuten oder Verdeckten Ermittlern gar nicht anders möglich, sich überhaupt in extremistischen oder terroristischen Szenen zu bewegen und so von der Vorbereitung oder Ausführung schwerster Straftaten zu erfahren.

Für einige Kritiker scheint der unbestimmte Rechtsbegriff der „erheblichen Bedeutung“ Stein des Anstoßes zu sein. Dafür gibt es keine universell geltende Definition, jedoch findet sich dieser Terminus in so einigen Gesetzen wieder. Relative Einigkeit herrscht unter den Fachleuten und auch nach unserer Auffassung bei der Deutung, dass Straftaten von erheblicher Bedeutung Verbrechen sind oder Vergehen mit einer Höchststrafe von mehr als fünf Jahren. Aber auch bei geringerer Strafandrohung kann bereits eine Straftat von erheblicher Bedeutung vorliegen. Hier gilt die Betrachtung des Einzelfalles, wie immer im Strafrecht.

Ein Vergleich mit der Aufdeckung und Aufklärung der Verbrechen des NSU scheint uns wenig hilfreich. Hier dürfte nach unserer Meinung eher die politische Auffassung nach dem generellen Verzicht auf verdeckt agierende Personen im Vordergrund zu stehen als die Frage des rechtsstaatlichen Einsatzes jener Ermittler oder Vertrauenspersonen.

Wir sehen in dem Gesetzesentwurf, soweit es die Medien beschrieben haben, eine Stärkung der Rechtssicherheit bei verdeckten Maßnahmen unseres Inland-Nachrichtendienstes. Denn im bisherigen „Gesetz über den Verfassungsschutz im Lande Mecklenburg-Vorpommern“ gab es keine Regelung dazu.

Wir weisen auch darauf hin, dass die Arbeit unserer Verfassungsschutzabteilung der regelmäßigen parlamentarischen Kontrolle unterliegt und in jedem Fall eine klare Güterabwägung zwischen den Strafverfolgungsanspruch und dem Schutz einzelner Bürger oder der Bevölkerung vor Verbrechen vorzunehmen sein wird, wenn ein Verstoß gegen strafrechtliche Normen in Kauf genommen werden soll. Ob jetzt eine Einzelfall-Entscheidung der Spitze der Verfassungsschutzabteilung über eine in Kauf zu nehmende Verwirklichung von Straftatbeständen richtig ist, muss dahingestellt bleiben. Immerhin handelt es sich beim Verfassungsschutz um einen Nachrichtendienst, der – gewollt - anderen Kontrollmechanismen unterliegt als beispielsweise unsere Landespolizei.

Es ist aus unserer Sicht hilfreich, den Verfassungsschutz an sich und seine Arbeit nicht immer durch die Brille des NSU-Desasters zu betrachten, das ja trotz der tragischen Auswirkungen eine Ausnahme darstellt und sich hoffentlich nicht wiederholen wird. Es muss nicht immer Misstrauen sein oder die Annahme des Negativ-Falles. Manchmal reicht auch Vertrauen.