LG Tübingen zu den Voraussetzungen der Anordnung einer längerfristigen Observation bei Verfahren gegen Unbekannt

11.03.2020

LG Tübingen, Beschluss vom 11.03.2020, Az. 9 QS 28/20. Schlagworte: Observation, Videoaufnahmen, §163f, §100h.
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Im Zusammenhang mit Brandstiftungen an Kfz, die der linksautonomen/linksextremen Szene zugerechnet wurden, genehmigte die zuständige Staatsanwaltschaft den Einsatz technischer Mittel zur Observation nach § 100h StPO der Eingangsbereiche zweier Häuser, die szenebekannte Treffpunkte waren.

Gerichtlich wurde festgestellt: „Die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde ist gem. § 101 Abs. 7 S. 3 StPO zulässig und begründet.

Denn die angegriffene Maßnahme stellte - auch - eine längerfristige Observation gem. § 163f Abs. 1 S. Nr. 1 StPO dar und hätte - wenn überhaupt - gem. § 163df Abs. 3 StPO nur durch den Ermittlungsrichter angeordnet werden dürfen.

Die von der Staatsanwaltschaft Tübingen und dem Amtsgericht Tübingen vertretene Auffassung, dass nur eine - nicht dem Richtervorbehalt unterliegende - Maßnahme gem. § 100h StPO vorgelegen habe, weil sich das Verfahren gegen Unbekannt richtete, teilt die Kammer nicht.

100h, 163f StPO ist insoweit gemein, dass sich die Maßnahmen sowohl gegen einen bekannten Beschuldigten (§§ 100h Abs. 2 S. 1, 163f Abs. 1 S. 1 StPO) als auch gegen Dritte (§§ 100h Abs. 2 S. 2, 163f Abs. 1 S. 3 StPO) richten können, wobei im letzteren Fall die rechtlichen Voraussetzungen wie auch bei sonstigen Maßnahmen nach der StPO aus naheliegenden Gründen höher sind.

Die Argumentation von Staatsanwaltschaft und Amtsgericht, es habe keine Beschuldigten i.S.d. § 163f Abs. 1 S. 1 StPO und daher auch keine Dritte i.S.d. § 163f Abs. 1 S. 3 StPO gegeben, geht daher fehl. Ihre widersinnige Konsequenz wäre, dass die Observierung eines Nichtbeschuldigten geringeren rechtlichen Voraussetzungen unterläge als die Obervierung eines Beschuldigten.

Die Kammer teilt auch nicht die Auffassung, dass es sich bei der angegriffenen Maßnahme um eine bloße Objektüberwachung gehandelt habe. Erkennbares Ziel der Maßnahme war es vielmehr, im Falle eines weiteren Brandes die neue Tat, aber auch die bereits begangenen Taten mit Personen in Verbindung zu bringen, die die überwachten Gebäude tatzeitnah verlassen oder betreten hätten. Damit handelte es sich um eine längerfristige Observation sämtlicher Bewohner und Besucher der Gebäude.“

 

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