Lagebild Clankriminalität: Arbeitsintensive Herausforderung für die Polizei

19.08.2024

Heute stellten Innenministerin Daniela Behrens und Justizministerin Dr. Kathrin Wahlmann das vierte gemeinsame Lagebild von Polizei und Justiz zur Clankriminalität in Niedersachsen vor. Demnach sind die vom Landeskriminalamt Niedersachsen (LKA) offiziell erhobenen und mitgeteilten Zahlen nur teilweise steigend.
Lagebild Clankriminalität:  Arbeitsintensive Herausforderung für die Polizei

 

Eine positive Trendwende? Mitnichten. Experten gehen in diesem Zusammenhang von einem sehr hohen Dunkelfeld hinter diesen offiziellen Zahlen aus, da insbesondere Straftaten im Clanmilieu durch den besonderen Zusammenhalt nur schwer zu ermitteln sind.

Immer wieder wird der Begriff "Clankriminalität" als stigmatisierend kritisiert. Es gilt allerdings, ein konkretes Kriminalitätsphänomen treffend zu beschreiben, bei dem versucht wird, sich durch Absprachen innerhalb von Familienverbünden, Beeinflussung von Zeugen, Zahlungen von Blutgeld und Einschaltung von sogenannten Friedensrichtern (Streitschlichtern) als Paralleljustiz der Strafverfolgung zu entziehen. Alternativ vorgeschlagene Begriffe wie "organisierte Kriminalität" oder "kriminelle Bande" sind für eine zutreffende Beschreibung absolut ungeeignet.

In Niedersachsen ist der Begriff "Clan" definiert als eine Gruppe von Personen, die durch eine gemeinsame ethnische Herkunft, überwiegend auch durch verwandtschaftliche Beziehungen, verbunden ist. Kriminelle Clanstrukturen sind demnach gekennzeichnet "durch die Begehung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten jeglicher Deliktsart und -schwere aus diesem Umfeld, das sich durch ein hohes kriminelles Potenzial und eine allgemein rechtsfeindliche Gesinnung auszeichnet", so das niedersächsische Landeskriminalamt.

Uns allen dürften dabei die öffentlichkeitswirksamen Auseinandersetzungen bestimmter Familien untereinander, aber auch die Angriffe gegen Unbeteiligte noch in Erinnerung sein. Sorgen bereiten in diesem Zusammenhang die immer personalintensiver und zahlreicher werdenden Einsatzlagen mit Clanbezug, aus der Pressemitteilung 1):
"…gingen bei den vier niedersächsischen Schwerpunktstaatsanwaltschaften zur Bekämpfung krimineller Clanstrukturen in Braunschweig, Hildesheim, Osnabrück und Stade insgesamt 1.404 Verfahren gegen namentlich bekannte Beschuldigte neu zur Bearbeitung ein. Damit ist ein erneuter deutlicher Anstieg der Verfahrenszahlen gegenüber dem Vorjahresberichtszeitraum um ca. 29% zu verzeichnen, nachdem der Zuwachs für das Berichtsjahr 2022 bereits bei 28% lag."

Innenministerin Behrens erklärte: 1)
Trotz ihres vergleichsweisen geringen Anteiles an der Gesamtkriminalität stellt die Clankriminalität eine ernsthafte Bedrohung für den gesellschaftlichen Frieden dar, der wir mit klaren und entschlossenen Maßnahmen begegnen. Clankriminelle zeichnen sich dadurch aus, dass sie unseren Rechtsstaat und unsere freiheitliche Gesellschaft ablehnen und verhöhnen. Ihre Taten haben das Potential, in der Bevölkerung für eine große Verunsicherung zu sorgen. Ein Aspekt, der dazu wesentlich beiträgt, ist die hohe Gewaltbereitschaft der Täter, die neben der Ausübung physischer Gewalt auch vor dem Einsatz von Waffen aller Art nicht zurückschrecken. Das können und werden wir in Niedersachsen nicht akzeptieren!

Der BDK unterstützt die von Innenministerin Behrens angesprochene Null-Toleranz-Strategie und begrüßt ausdrücklich ihre Absicht, „…diesen flexiblen und vielseitigen kriminellen Strukturen effektiv entgegenzutreten.“ Alles andere würde Rückzug des Rechtsstaates bedeuten und wäre nicht hinnehmbar.

Auch der BDK Landesverband Niedersachsen setzt sich seit Jahren dafür ein, dass die Strafverfolgungsbehörden personell, technisch und fachlich-methodisch sowie mit den erforderlichen Eingriffsbefugnissen ausgestattet werden, um die Clankriminalität erfolgreich bekämpfen zu können.

Es gilt fortlaufend zu prüfen und sicherzustellen, dass die vier eingerichteten Schwerpunktstaatsanwaltschaften und die Spezialdienststellen der Polizei tatsächlich in der Lage sind, diesem Phänomen wirksam zu begegnen.

Gerade vor dem Hintergrund des aktuellen Lagebildes möchte der BDK erneut eindringlich auf die personelle Ausstattung der Dienststellen bis hin zu Stellenbewertungen hinweisen. Nur eine gut aufgestellte Polizei kann gemeinsam mit einer starken Justiz den Kampf gegen die vielschichtige Clankriminalität effizient führen.

Die Bekämpfung der Clankriminalität stellt eine der großen Herausforderungen unserer Zeit dar. Abschottung und Verschleierung, Mobilisierung und Aggression, Macht- und Gewinnstreben, Ablehnung des Rechtsstaates sowie seiner Repräsentierenden und Ausleben eigener Normen - das sind die prägenden Kennzeichen dieses vielseitigen und gefährlichen Kriminalitätsphänomens.

 
Jörn Memenga
Stv. Landesvorsitzender

 

1) https://www.mi.niedersachsen.de/startseite/aktuelles/presseinformationen/vorstellung-des-vierten-gemeinsamen-lagebildes-von-polizei-und-justiz-zur-clankriminalitat-2023-in-niedersachsen-234730.html

 

Zum Thema:
PDF "Clankriminalität bekämpfen: Strategische Ausrichtung – nachhaltige Erfolge"
BDK-Positionspapier zum Phänomenbereich der Clankriminalität

 

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