LAG MV zur Anordnung einer amtsärztlichen Untersuchung bei Tarifbeschäftigungen
11.08.2020
Leitsätze:
- Nach § 3 Abs. 5 Satz 1 des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) ist der Arbeitgeber bei begründeter Veranlassung berechtigt, Beschäftigte zu verpflichten, durch ärztliche Bescheinigung nachzuweisen, dass sie zur Leistung der arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit in der Lage sind.
- Eine amtsärztliche Untersuchung kann nicht nur aus Gründen der Fürsorge für den betroffenen Arbeitnehmer geboten sein, sondern auch dem Schutz anderer Beschäftigter oder sonstiger Dritter dienen, beispielsweise bei Ansteckungskrankheiten.
- Die amtsärztliche Untersuchung dient allerdings nicht dazu, die Berechtigung von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen zu überprüfen oder eine Prognose über künftige Arbeitsunfähigkeitszeiten einzuholen. Ebenso wenig hat die amtsärztliche Untersuchung den Zweck, eine Grundlage für eine evtl. beabsichtigte personenbedingte Kündigung zu schaffen.
Ergänzungen:
RN30 (zu Leitsatz Nr. 1): „Von einer "begründeten Veranlassung" ist auszugehen, wenn aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte zweifelhaft ist, ob der Arbeitnehmer seine vertraglich geschuldete Tätigkeit aus gesundheitlichen Gründen noch erbringen kann (vgl. BAG, Urteil vom 25. Januar 2018 – 2 AZR 382/17 – Rn. 29, juris = NZA 2018, 845). Solche Zweifel können sich auch aus hohen Krankheitszeiten ergeben (BAG, Urteil vom 25. Januar 2018 – 2 AZR 382/17 – Rn. 29, juris = NZA 2018, 845; LAG Nürnberg, Urteil vom 19. Mai 2020 – 7 Sa 304/19 – Rn. 25, juris).“
RN33: „Verweigert ein Arbeitnehmer unberechtigt die vom Arbeitgeber angeordnete amtsärztliche Untersuchung, verletzt er eine (Neben-)Pflicht aus dem Arbeitsverhältnis. Diese Pflichtverletzung kann den Arbeitgeber zu einer Abmahnung (vgl. LAG Nürnberg, Urteil vom 19. Mai 2020 – 7 Sa 304/19 – Rn. 24, juris) oder je nach Umständen des Einzelfalls auch zu einer außerordentlichen Kündigung berechtigen (BAG, Urteil vom 25. Januar 2018 – 2 AZR 382/17 – Rn. 27, juris = NZA 2018, 845; BAG, Urteil vom 06. November 1997 – 2 AZR 801/96 – Rn. 23, juris = NZA 1998, 326; LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 12. Mai 2009 – 5 Sa 458/08 – Rn. 41, juris = ZMV 2009, 334). Der Arbeitnehmer kann die angeordnete amtsärztliche Untersuchung aber verweigern, wenn der Arbeitgeber in seinem Schreiben an den amtsärztlichen Dienst überschießende Angaben zu Problemen des Arbeitnehmers bei der Arbeit macht oder Fragen stellt, die über eine Beurteilung der Leistungsfähigkeit hinausgehen (LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 24. August 2012 – 6 Sa 568/12 – Rn. 32, juris = EzTöD 100 § 3 TVöD-AT Ärztliche Untersuchung Nr. 1).“
Anmerkung: Da sich das Urteil auf Arbeitnehmer im Wirkungskreis des TV-L bezieht, ist es auch für Baden-Württemberg beachtlich.
Fundstelle(n):
- Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern, Entscheidung im Volltext