Kriminalstatistik 2011 - Kriminalpolizei in Nordrhein-Westfalen vor dem Kollaps
12.03.2012
Düsseldorf, 12.03.2012 - "Die Entwicklung der Kriminalität in 2011 zeigt mit über 1,5 Millionen Straftaten und einer Aufklärungsquote von nur noch 49,1 % sehr deutlich die dramatischen Personalprobleme der Kriminalpolizei in Nordrhein-Westfalen. Dabei taugen die Richtlinien zur Führung der Kriminalstatistik (PKS) nicht einmal zur Dokumentation der wahren Kriminalitätslage, wie folgendes Beispiel verdeutlicht: Im vergangenen Jahr wurden allein 2.100 „Betrügerische Datenausspähungen“ durch Trojaner auf die Computer unserer Bürgerinnen und Bürger aus der PKS gestrichen, da es sich um „Auslandstaten“ eines Ukrainers handelte, deren Erfolg allerdings in NRW eintrat. Die wochenlange Bearbeitung schlug sich weder in der PKS noch in der Personalzuweisung für die Kripo nieder ,“ erklärte der Landesvorsitzende des BDK NRW Wilfried Albishausen heute in Düsseldorf.
Die völlig unzureichende personelle Ausstattung der Kriminalpolizei unseres Landes wurde in den letzten 10 Jahren nicht nur vernachlässigt, sondern sehenden Auges durch die Politik ignoriert. Die deutliche Überalterung mit einem Durchschnittsalter von 50 Jahren und älter, ständig neu hinzugekommene Kriminalitätsphänomene und ein deutlich gestiegener Arbeitsaufwand in der Beweisführung nicht nur beim schweren Diebstahl, sondern auch vor allem in der Betrugs- und Internetkriminalität lassen eine zielgerichtete Aufklärung von Straftaten nicht mehr zu. Fast 10.000 unbearbeitete DNA-Spuren, die zu den Tätern und ihren Verurteilungen führen könnten, liegen beim Landeskriminalamt mangels Personal auf Halde.
„Jede Ermittlungskommission, jede Mordkommission bringt heute die Aufklärung von Straftaten der „Alltagskriminalität“ nahezu zum Erliegen. Wenn 8.300 Kriminalbeamtinnen und Kriminalbeamte nahezu 2 Millionen Überstunden vor sich herschieben, bedeutet dies angesichts von insgesamt 5 Millionen Überstunden in der Polizei einen skandalösen Überstundenanteil der Kripo von rund 40%“, sagte Albishausen in Düsseldorf.
Eine kontinuierliche „Arbeit am Fall“ zur Aufklärung ist schon seit längerer Zeit nicht mehr möglich. Die Ermittlerinnen und Ermittler werden zu „Springern und Leiharbeitern“ degradiert, je nach dem, wo man sie gerade benötigt. Sonderdienste u. a. bei Demonstrationen und Fußballeinsätzen, bei der Überwachung entlassener „Sicherungsverwahrter“, bei Einsätzen und Kommissionen zur Bekämpfung der Rockerkriminalität sorgen für das weitere Anwachsen der Überstunden, der Vorgangsfächer in den geschwächten Kriminalkommissariaten und zur Bearbeitung von Wohnungseinbrüchen und anderen Straftaten „wenn gerade Zeit dafür ist“. Jedem dürfte klar sein, warum die Aufklärungsquote gerade in diesen Bereichen so beschämend niedrig ist. „Kriminalisten klären auf, man muss sie nur lassen“, erläuterte Wilfried Albishausen in Düsseldorf.
Die Kreativität des Innenministeriums bleibt dabei ungebrochen. Ständig erhalten die Polizeibehörden neue, zu priorisierende Handlungskonzepte – gegen Wohnungseinbruch, gegen Computerkriminalität, gegen Rechtsterrorismus, islamischen Terrorismus – ohne Personal. Niemand sagt, was die Kripo dafür unterlassen soll.
Für die Zukunft kann man nur schwarz sehen. In den kommenden Jahren gehen 50% der Kriminalistinnen und Kriminalisten mit zum Teil mehr als 40 Jahren Berufserfahrung als Ermittler in den Ruhestand. Junger Nachwuchs und Verstärkung ist immer noch nicht in Sicht, obwohl der Innenminister die Behördenleiter im vergangenen Jahr durch Erlass angewiesen hat, für jungen Nachersatz in der Kripo zu sorgen. Statt dies konsequent umzusetzen, definieren sie den Nachersatzbedarf der Kripo auf Null und verweigern so in verantwortungsloser Art und Weise das für die Kripo notwendige Personal.
Stärkung und Spezialisierung der Kriminalpolizei
Der BDK fordert die Landesregierung nachdrücklich auf, die Kriminalpolizei - nach mehr als 10 Jahren Stagnation des Personals - in den nächsten 5 Jahren um jeweils 400 Beamte zu verstärken und zu verjüngen. Bereits im letzten und in den kommenden Jahren beenden jeweils rund 1.100 Kommissaranwärter ihre Ausbildung an der Fachhochschule für Öffentliche Verwaltung. „Es ist nicht mehr nachvollziehbar, warum aus dieser zur Zeit noch über den „Abgängen“ liegenden Zahl nicht ein deutlicher Zuwachs für die Kriminalpolizei möglich sein soll. Dies kann nur an mangelhafter Kenntnis der derzeitigen kriminalpolizeilichen Rahmenbedingungen und an der Ungeeignetheit der Polizeilichen Kriminalstatistik als „Bemessungsgrundlage“ für die Personalstärke liegen.
„Bleibt es bei der Dauerbelastung der Kriminalpolizei und der mangelnden Bereitschaft zusätzliches Personal zur Verfügung zu stellen, geht nach und nach das Licht aus, spätestens 2014 mit Beginn der steigenden Pensionierungswelle. Nicht Kriminalitätsbekämpfung ist teuer, sondern Kriminalität kommt teuer zu stehen“, erklärte der sichtlich besorgte BDK Landesvorsitzende abschließend in Düsseldorf.
Für Rückfragen:
0173/5437253
Landesvorsitzender Wilfried Albishausen