Kompetenzzentrum für Risikobewertung im LKA
30.09.2023
Im Juni dieses Jahres kündigte Innensenator Andy Grote medial unter großem Tamtam ein weitreichendes Maßnahmenpaket als Konsequenz auf die Amoktat Deelböge am 9.März 2023 an[1]. Neben Maßnahmen zur Stärkung der Waffenbehörde proklamierte der Innensenator zudem unterstützende Maßnahmen, wie etwa
- den Aufbau eines Kompetenzzentrums für Risikobewertung
- die Stärkung der bereits vorhandenen Risikobewertung durch die Einrichtung eines Single Point of Contact
- Informationsbeschaffung (OSINT).
Diese Aufgabenwahrnehmung soll dem Landeskriminalamt zufallen, um eine allgemeine Stärkung des Risikomanagements der Polizei Hamburg zu bewirken.
Die aufgeführten Maßnahmen können zweifelsfrei dazu dienen, das Risiko einer vergleichbaren Tat künftig zu reduzieren. Grund für den BDK, das angekündigte Maßnahmenpaket ausdrücklich zu begrüßen und die Initiative als wegweisend für andere Länder darzustellen[2].
Der Enthusiasmus für den angeschobenen Prozess leidet jedoch unter dem Kommunikationsverhalten der Polizeiführung. Da wird das Maßnahmenpaket als Ergebnis einer „beauftragten internen Überprüfung“ der Arbeitsabläufe innerhalb der Waffenbehörde (J 4) und der Polizei Hamburg deklariert – ohne zuvor das Landeskriminalamt zu konsultieren.
Dies blieb nicht unbemerkt, eindrucksvoll aufgedeckt durch die Große Anfrage von CDU-Bürgerschaftsabgeordneten vom 26. September 2023[3].
Die Antwort des Senats enthält zahlreiche Vertröstungsfloskeln wie, „nach derzeitigem Planungsstand“, „sind vorgesehen“, „zeitnah geplant“ und „aktuell noch in der Ausplanung“. Hier wird mit der Wucht der Behauptung Machbarkeit proklamiert, obwohl bislang lediglich Türschilder beschriftet wurden – für die Flure des LKA. Bürgerinnen und Bürger dürften den scheidenden Polizeipräsidenten Ralf Martin Meyer hier zu Recht fragen: Wie lautet denn das Ergebnis der Überprüfung konkret? Ist das Maßnahmenpaket, welches das LKA ins Aufgabenheft diktiert bekommt, hinreichend faktenbasiert? Es mangelt hier ganz offensichtlich an Transparenz.
Dabei finden sich unter den proklamierten Maßnahmen aus kriminalistischer Sicht durchaus vielversprechende Ansätze. So wird u.a. die Notwendigkeit benannt, Informationen durch qualifizierte „Open-Source-Intelligence–Recherchen“ (OSINT) zu gewinnen. Echt jetzt? Sollte die Polizei Hamburg tatsächlich nicht länger mit dem Internet fremdeln, die „Kreidemalerei an Höhlenwänden“ einstellen und professionelle Wege beschreiten? Leider nein! Auch in diesem Zusammenhang verfährt die Polizei Hamburg wie das fiktive Bankinstitut in einem bekannten Anti-Werbespot: „Wir machen das mit den Fähnchen“. Es wird nämlich keine zentrale OSINT-Dienstelle für Hamburg geben, wie sie in zahlreichen anderen Bundeländern bereits existiert. Hamburg wird demnach weiterhin nicht in der Lage sein, den dynamischen Entwicklungen im OSINT-Bereich zu folgen. Eine Servicedienststelle, die anderen Organisationeinheiten zur Verfügung steht? Keineswegs. Hamburg wird unverdrossen auf die eine fachlich qualifizierte Lehrkraft der AK setzen, welche seit dem Jahr 2021 ganze 202 Polizeivollzugsbeamte und Tarifbeschäftigte in einem OSINT-Lehrgang, zudem 54 Polizeivollzugsbeamte und Tarifbeschäftigt über einen „Aufbaulehrgang OSINT“ zu vermeintlichen OSINT-Experten beschult hat - immerhin. Hoffentlich wird diese Lehrkraft niemals krank, macht Urlaub, nimmt ein Sabbatical in Anspruch oder geht in den Ruhestand!
Liebe Behördenleitung, liebe Polizeiführung, hört auf die Beschäftigten der Polizei Hamburg für dumm zu verkaufen. Politische Türschilder mögen bei Bürgerinnen und Bürgern, vielleicht auch bei Bürgerschaftsabgeordneten verfangen, bieten jedoch nur einen kurzen Aufschub. Die „Geheimniskrämerei“ mit dem Verweis auf einsatz- und ermittlungstaktische Belange fällt spätestens in sich zusammen, wenn man die Türen hinter den Schildern öffnet und in die erstaunten Gesichter der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schaut.
Der BDK wird auch das Thema „Maßnahmenpaket in Konsequenz der Amoktat Deelböge“ weiterhin aufmerksam verfolgen. Politische Türschilder kann man auch wieder abhängen, um sie ggf. durch „echte“ Türschilder zu ersetzen.
[1] https://www.hamburg.de/contentblob/17205366/09a25d5f9ec27a67544fe6f032b8f4a8/data/2023-06-20-massnahmenkatalog-handout.pdf
[2] https://www.bdk.de/der-bdk/was-wir-tun/aktuelles/konsequenzen-nach-amoktat-in-hamburg-1
[3] https://www.buergerschaft-hh.de/parldok/vorgaenge/84743/1
Beitrag des NDR zur Forderung des BDK, Landesverband Hamburg: