KKI - Wer stoppt das Hamsterrad?

20.11.2018

KKI - Teil 2: Dienstagmorgen 05.30 Uhr – es scheint ein herrlicher Sommertag zu werden. Kriminalkommissar Meyer ist heute schon früh auf den Beinen, denn heute will er einen Durchsuchungsbeschluss realisieren.
KKI - Wer stoppt das Hamsterrad?

Mit Durchsuchungen ist das so eine Sache. Auf dem Stapel mit den wichtigen Sachverhalten liegen etliche Ermittlungsverfahren, für die Meyer richterliche Durchsuchungsbeschlüsse erhalten hat und die bereits seit Wochen auf Realisierung warten.

Gemeinsam mit seinem Kollegen, Kriminalhauptmeister Schulze, verlässt Meyer um 06:00 Uhr die Dienststelle. Der Beschuldigte, dessen Wohnung sie heute nach Beweismitteln durchsuchen wollen ist hinlänglich polizeibekannt, aber kooperativ. Das ist nicht immer so. Gerade in der Szene, in der Meyer ermittelt, nimmt die Gewaltbereitschaft immer mehr zu – auch der illegale Besitz von Waffen ist keine Seltenheit mehr. Um 08:00 Uhr beenden Meyer und Schulze die Durchsuchung. Sie waren erfolgreich, haben viele Sachen gefunden, die für das Ermittlungsverfahren von erheblicher Bedeutung sein werden und diverse digitale Speichermedien und zwei Mobilfunktelefone sichergestellt.

So wichtig dieses Instrument der Beweissicherung auch ist, Meyer bereitet es trotz des heutigen Erfolges unglaublichen Stress. Nach einer solchen Durchsuchungsmaßnahme sitzt er tagelang an der Dokumentation des Einsatzes. Der Durchsuchungsbericht muss geschrieben werden, die Bildanalagekarte muss gefertigt und die sichergestellten Beweismittel müssen aufgelistet, und ggf. auf Spuren hin untersucht werden. Über eine tiefgründige Auswertung, etwa der Mobilfunktelefone, aus deren Inhalt sich mit Sicherheit viele weitere Ermittlungsverfahren ergeben werden, will Meyer gar nicht nachdenken. Davon abgesehen, dass die Sicherung der Telefondaten im LKA Monate dauert, sitzt Meyer an der Auswertung der gesicherten Daten am Ende allein.
Den Inhalt eines Smartphones, auf dem heutzutage jeder sein gesamtes Leben mit sich herumträgt, in Gänze auszuwerten dauert je nach Inhalt Tage bis Wochen. Dafür hat Meyer, mit über 161 Ermittlungsverfahren im Bestand, einfach keine Zeit.

Wieder in der Dienststelle sortiert Meyer erst einmal die sichergestellten Gegenstände, schreibt Wiegeberichte, Anträge für die Mobilfunkforensik und schaut, welche Gegenstände auf weitere Spuren hin untersucht werden müssen. Die 180 Fotos, die er bei der heutigen Maßnahme gemacht hat, wird er erst in den nächsten Tagen sichten und zu einer Bildanalagekarte zusammenstellen können. Gleiches gilt für den Durchsuchungsbericht, denn um 12.30 Uhr kommt noch eine Zeugin, die am letzten Freitag um eine Terminverlegung gebeten hat. Meyer hätte sich diesen Dienstag gerne ausschließlich für seine Durchsuchungsmaßnahme freigehalten, aber für den Rest der Woche ist er komplett verplant, so dass dieser Dienstag der einzige Tag ist, an dem er Zeit für die Zeugin hat, die ohnehin schon viel zu lange auf einen Termin gewartet hat.

Meyer steht unter Dauerstress. Immer öfter hat er keinen Appetit, ist unkonzentriert und gereizt.
Dabei ist Meyer ein engagierter Kollege, der sich für seine Arbeit ins Zeug legt. Er interessiert sich für die immer wichtiger werdende Sparte der operativen und verfahrensbegleitenden Auswertung – würde sich diesbezüglich gerne fortbilden. Aber Lehrgänge sind rar und Zeit hat er dafür sowieso keine. Wenn er eine Woche wegen eines Lehrgangs fehlen würde, blieben alle seine Ermittlungsverfahren unbearbeitet liegen – und es würden neue dazu kommen. Ein Teufelskreis.

Vor langer Zeit hat Meyer einmal eine Überlastungsanzeige geschrieben. Prompt wurde er von seinem Vorgesetzten einbestellt, der ihm freundlich, aber unmissverständlich mitteilte, was er von Meyers Schreiben hielt. Nichts! Solche Überlastungsanzeigen sind bei vielen Führungskräften in der Brandenburger Polizei nicht gerne gesehen, weil nicht sein kann, was nicht sein darf.
Nach diesem Gespräch, in dem Meyer auch die ein oder andere versteckte Drohung wahrgenommen haben will, hat er seine Konsequenzen gezogen. Er hält seit diesem Vorfall einfach den Mund.

Wehmütig denkt Meyer manchmal an seine frühen Jahre bei der Kriminalpolizei zurück.
Daran, als er noch die Zeit hatte, regelmäßig persönlich an den Tatort zu fahren, um sich selbst ein Bild zu machen, Anwohner zu befragen, sich ordentlich auf Vernehmungen vorzubereiten. Eine Zeit, in der man sich mit Kollegen noch ausführlich über die einzelnen Verfahren austauschen und Vergleichsreihen anlegen konnte. Eine Zeit, in der für Mitarbeiter und Vorgesetzte in erster Linie der Aufklärungswille zählte. Ja, das waren noch Zeiten…

Nun könnte man meinen, so eine Geschichte, die gibt es doch gar nicht, die kann nur erfunden sein, aber leider ist die zuvor beschriebene Situation in vielen KKI im Land Brandenburg die nackte Wirklichkeit. Unterbesetzte Dienststellen, denen junges und qualifiziertes Personal fehlt, überlastete Kriminalisten, die die Masse an Ermittlungsverfahren nicht mehr bewältigen können und die das Gefühl haben sich in einer „Knochenmühle“ zu befinden, aus der es kein Entkommen gibt.

Der BDK  hat genau diese Situation in den KKI während der letzten Landesvorstandssitzung an Landeskriminaldirektor, Herrn Michael Scharf, herangetragen. Uns wurde zugesichert, dass man sich im Innenministerium die Problematik genau anschauen wird.
Hier warten wir sehr gespannt auf Ergebnisse!

Teil 1 der Geschichte findet Ihr hier.