Kinderschutz?
06.04.2017
In einem Interview zum Thema „Sexueller Missbrauch von Kindern“ wird von der Sachgebietsleiterin einer „Fachberatungsstelle für Familien mit Gewalterfahrung“ an Eltern oder sonstige Zeugen von Verdachtsfällen des sexuellen Missbrauchs die Empfehlung gegeben:
„Ganz wichtig ist, dass man bei einem Verdacht nicht zur Polizei gehen sollte“.
Dieser Ratschlag wird damit begründet, dass der Täter durch die polizeilichen Ermittlungen vom gegen ihn bestehenden Verdacht erfahre, was dann „schlimme Konsequenzen für das Kind haben“ könne. Damit wird suggeriert, dass während eines strafprozessualen Ermittlungs-verfahrens ein mutmaßliches Missbrauchsopfer weiterhin dem ungehinderten Zugriff und Einfluss eines Tatverdächtigen ausgesetzt wird, solange dieser nicht rechtskräftig verurteilt sei.
Dabei dürften gerade einer langjährig im Bereich des Kinderschutzes tätigen Mitarbeiterin
die in einem solchen Verfahren obligatorischen und aufeinander abgestimmten
Opferschutzmaßnahmen von Polizei, Staatsanwaltschaft und Jugendämtern bereits
im Zuge der ersten Interventionen hinlänglich bekannt sein.
Angesichts der herausragenden Bedeutung des
Themas wirken nach Auffassung des BDK zwei Faktoren besonders schwer.
Zum einen tritt in diesem Interview eine als
Expertin vorgestellte Vertreterin aus dem Bereich nichtstaatlicher
Opferschutzeinrichtungen auf, was die Wirkung auf Laien, insbesondere auf die
sich ohnehin in einer psychischen Ausnahmesituation befindlichen Angehörigen
von Missbrauchsopfern, erheblich verstärken dürfte.
Zum anderen ist davon auszugehen, dass in
ihrem Verantwortungsbereich die Beratungstätigkeit im Sinne ihrer Empfehlung ausgeübt
wird, was aus polizeilicher Sicht problematisch erscheint.
Nach kriminalistischer Erfahrung handelt es sich bei Triebverbrechen wie dem sexuellen Missbrauch von Kindern nahezu nie um Einzeltaten, sondern um über längere Zeiträume erstreckende Tatserien, von denen oftmals mehrere Opfer betroffenen sind.
Die Identifizierung von Missbrauchstätern, die Aufdeckung ihrer Übergriffe sowie deren wirksame Sanktionierung durch die Justiz stellen als präventiver Opferschutz eine wichtige gesellschaftliche Aufgabe dar.Anerkanntermaßen helfen sie ehemaligen Opfern bei der Bewältigung ihrer Traumata.
Der BDK wird sich auch weiterhin dafür einsetzen, dass im Sinne eines effektiven Opferschutzes missbrauchte Kinder im Rahmen strafrechtlicher Ermittlungen dem Zugriff der Täter entzogen werden.Der Landesvorstand
RP ONLINE; Online-Ausgabe „Rheinische Post“ vom 16.03.2017
„Bei Verdacht sollte man nicht zur Polizei gehen“[1]
[1] http://www.rp-online.de/leben/gesundheit/psychologie/bei-verdacht-sollte-man-nicht-zur-polizei-gehen-aid-1.6693187