Interview:"Der Kampf gegen Dealer ist gescheitert"
03.06.2017
MOPO: Wie
aufwendig ist die Offensive gegen die Drogendealer und was bringt sie?
Jan Reinecke: Beinahe täglich werden an szenebekannten Standorten verdächtige
Personen überprüft, Aufenthaltsverbote erteilt und Festnahmen vollzogen. Es ist
ein riesiger polizeilicher Aufwand, der wenig bringt. Stattdessen gib es nur
noch mehr Konsum, mehr Dealer, stabile Preise und keinerlei
Angebotsverknappung.
MOPO: Macht die Polizei was falsch?
Jan Reinecke:Drogenszenen werden nur von einschlägigen Plätzen verdrängt, aber nicht
zerschlagen. Mit Strafverfolgung hat das wenig zu tun und ist nicht nachhaltig!
Festgenommene Dealer werden in kürzester Zeit durch neue oder andere Dealer
ersetzt.
MOPO: Warum sind Drogen jederzeit und nahezu ohne Verfolgungsdruck verfügbar?
Jan Reinecke: Da hier verbotene Rauschgifte in umliegenden Eurostaaten nahezu frei erhältlich sind, können diese uns ungehindert erreichen. Im Darknet lassen sich längst sämtliche illegalen Drogen von Onlinedealern anonym frei Haus und ohne jedwedes Risiko auf Strafverfolgung anbieten.
MOPO: Wie ließe sich das verhindern?
Jan Reinecke: Die Polizei müsste endlich anfangen, ernsthaft Organisierte Kriminalität und
Cyberkriminalität zu verfolgen und nicht nur Frontdealer, bei denen es sich
häufig selbst um Konsumenten handelt! Schwerpunkte müssten dabei auf die
Geldwäschebekämpfung und anlassunabhängige Ermittlungen, also digitale
Streifengänge im Internet gelegt werden. Aber hier will die Politik nicht
investieren. Damit bleibt der Rausgifthandel nahezu unverfolgt!
MOPO: Wäre ist nicht sinnvoller, die Kräfte der Task Force in wichtigeren Bereichen
einzusetzen?
Jan Reinecke: Wenn sie statt gegen Frontdealer in den Bereichen der höheren Rauschgifthandelsebenen, also gegen die Hintermänner oder in anderen Bereichen der Organisierten Kriminalität eingesetzt würden, so wäre der Sache deutlich mehr geholfen.
MOPO: Was erschwert die Drogenbekämpfung?
Jan Reinecke: Der Kripo brechen zunehmend bedeutende Ermittlungswerkzeuge weg. Die
Telefonüberwachung zum Beispiel. Dealer und Konsumenten verwenden
verschlüsselte Messengerdienste wie WhatsApp, die von der Polizei nicht
überwacht werden können. Genauso lassen sich die Quellen der Dealer nicht
überwachen.
MOPO: Wäre es nicht sinnvoller, Drogen wie Cannabis zu legalisieren?
Jan Reinecke: Selbst wenn der Handel mit Cannabis legalisiert würde, würden Kriminelle mit
anderen Rauschgiften wie Kokain, Heroin oder auch synthetischen Drogen weiter
Handel treiben und damit sehr viel Geld verdienen. Die durch die Legalisierung
von einer Rauschgiftart freigesetzten Kräfte müssten dann in diesen Bereichen
der Betäubungsmittelkriminalität eingesetzt werden.
MOPO: Was muss also unternommen werden?
Jan Reinecke: Jahrzehnte lang wurde fast nur auf Strafverfolgung gesetzt. Jetzt setzt die Polizei auf Verdrängung durch uniformierte Kräfte. Das Problem: Es hat
keinen Einfluss auf die Nachfrage von Drogen. Wo Nachfrage ist, ist auch
ein Angebot. Und mit Rauschgift lässt sehr viel Geld verdienen! Es müssten
nicht nur erheblich mehr Mittel in die Bekämpfung von organisierter
Rauschgiftkriminalität, sondern auch in die Prävention und in die Betreuung von
Suchtkranken gesteckt werden.
MOPO: Ist der Kampf gegen die Drogenkriminalität also gescheitert?
Jan Reinecke: In der Form, wie er praktiziert wird, definitiv ja!
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http://www.pressreader.com/germany/hamburger-morgenpost/20170602/281496456245068