Hauptsache dagegen, und das laut?
21.05.2020
Sehr oft wird das Grundgesetz bemüht. Es gelte, die Grundrechte zu schützen, es wird „selbst denken“ in Anspruch genommen gegen die angeblich stattfindende Bevormundung, gegen eine Verschwörung. Sicher, es sind oft nur einzelne extreme Äußerungen, die höchste Empörung ausdrücken und deshalb vielleicht einseitig in Erinnerung bleiben.
Aber was bewegt eine nach eigenen Angaben fast 80-jährige Frau, vor der Kamera die derzeitigen Einschränkungen der Grundrechte mit der Zeit vor dem Mauerfall zu vergleichen? Woher hat sie ihre Überzeugung? Hat sie darüber nachgedacht, dass sie ihre derzeitige Gesundheit vielleicht genau diesen Einschränkungen verdankt? Dass ganz in der Nähe Hooligans gezielt durch provokative Verstöße gegen die Auflagen ihre Gesundheit gefährden?
Kann es sein, dass der bisher glimpfliche Verlauf der Corona-Bedrohung in Deutschland einige statt zu Erleichterung zu Übermut verleitet? Den Blick darauf trübt, womit andere Länder zu kämpfen haben? Dass in angeblichen Vorzeigeländern nur die gesellschaftliche Akzeptanz der wissenschaftlich untermauerten Empfehlungen der Regierungen Verbote vielfach entbehrlich machten - allerdings: Wie würde bei uns wohl eine ähnlich hohe Sterberate wie aktuell in Schweden kommentiert? Selbst denken!
Die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit der Problematik ist wichtig. Das Versammlungsrecht ist da ein wesentlicher Bestandteil. Aber es funktioniert nur bei Einhaltung bestimmter Regeln - und da kommt die Polizei ins Spiel. Wir können nur dazu auffordern, selbst zu denken, zu hinterfragen und Fachleute zu Rate zu ziehen. Das ist mühsam, für Einzelne kaum zu leisten. Als Alternative bleibt nur Vertrauen in die Politik und die Behörden, und damit auch in die Polizei. Die müssen sich bei Fehlern später verantworten - der laute Redner von der Straße ist dann längst verschwunden.
Matthias Karsch
Landesvorsitzender