Hat Mecklenburg-Vorpommern die Bedeutung der Grenzkriminalität erkannt?
12.02.2012
Jetzt scheint auch amtlich festzustehen, dass sich die Kriminalitätsbelastung im Jahre 2011 gerade auf der Insel Usedom spürbar erhöhte. Wie schon 2011 reagierte das zuständige Polizeipräsidium Neubrandenburg in eigener Regie mit einer Verstärkung der Polizeikräfte in den betroffenen Gebieten und konnte so einen lobenswerten Rückgang der Kriminalität bei einigen Kriminalitätsfeldern erzielen.
Doch ist dieses Problem so neu?
Bereits im März 2008 warnte der BDK in Mecklenburg-Vorpommern vor dem Trugschluss, dass der Wegfall der Grenzkontrollen zu einer Abnahme der Kriminalitätsbelastung führen würde, wie es offiziell aus dem Landeskriminalamt verkündet wurde. In damaligen Pressemitteilungen sprach die Behörde über einen Rückgang der Fallzahlen um etwa 25 %. Ein Irrtum, wie der BDK belegte. Tatsächlich war die durch die Polizeiliche Kriminalitätsstatistik (PKS) ausgewiesene Kriminalitätsbelastung nur unwesentlich gesunken. Bedenkt man noch die Tatsache des Wegfalls der bisher üblichen Grenzkontrollen und den damit verbundenen aufgedeckten Straftaten, hat sich folglich die tatsächliche Kriminalität noch erhöht.
An dieser Stelle: Schon 2008 vermutete der BDK, dass derartige Lagedarstellungen dazu dienen würden, der Bevölkerung den Abbau von Polizeistellen als Sicherheitsgewinn zu erklären.
Wie die Zeit beweist, hatte der BDK die richtige Sichtweise vertreten. Folglich hätte es einen Schulterschluss mit den betroffenen Behörden und der Polizeiabteilung des Innenministeriums geben sollen. Darüber hinaus hätten diese unbestreitbaren Erkenntnisse zu einer Änderung in den Plänen zur Polizeistrukturreform 2010 (PSR 2010) führen müssen. Doch leider: Der für die entsprechende Pressemitteilung verantwortliche und Hilfe anbietende Funktionär des BDK wurde ins Innenministerium gerufen, dort abgekanzelt und es wurde mit der Einleitung eines Disziplinarverfahrens „gedroht“.
Drei Jahre später haben zumindest die Verantwortlichen des neu gebildeten Polizeipräsidiums Neubrandenburg den Ernst der Lage erkannt und im Rahmen ihrer Möglichkeiten mit einer Umverteilung ihrer Polizeikräfte reagiert. Eine Umverteilung der Kräfte bedeutet jedoch bei der viel zu schmalen Personaldecke unserer Landespolizei auch das Fehlen der abgezogenen KollegInnen an anderer Stelle. Hier kann eine wirkungsvolle Hilfe nur aus dem Innenministerium kommen.
Die nach Meinung vieler Praktiker fehlgeschlagene Polizeistrukturreform 2010 (umgesetzt ohnehin erst 2011!) bleibt offiziell erfolgreich und unangetastet. Sie wird wohl lediglich zeitraubend evaluiert. Um jedoch das Übel bei der Wurzel zu packen, hilft nach unserer Auffassung nur eine notwendige Aufstockung der Polizeikräfte allgemein und bei der Kripo besonders. Haushaltsdenken darf keinesfalls die Innere Sicherheit bestimmen, wie es leider die PSR 2010 verwirklichte.
An dieser Stelle noch eine Bitte:
Auch wenn durch die aktuellen und personalintensiven Maßnahmen vermehrt polnische Tatverdächtige ermittelt werden konnten, sollte der Focus der Ermittlungen nicht nur auf Diebe gerichtet sein, die aus Polen stammen. Mecklenburg-Vorpommern war und ist in leider besonderer Weise ein Transitland für eine Vielzahl von Kriminellen. Die erfolgreiche und anerkennenswerte Ermittlung polnischer Diebe darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass unser Bundesland beispielsweise ein Transitland des Drogenhandels oder ein Rückzugsland für Angehörige der Organisierten Kriminalität ist. Und das bedeutet auch, dass nicht nur polnische oder deutsche Täter handeln, sondern auch Angehörige anderer Nationalitäten, die zumeist unerkannt bleiben.
Wir wünschen uns, dass die Polizeiabteilung unseres Innenministeriums endlich auf die tatsächliche Kriminalitätslage reagiert, die Fehler der vergangenen PSR 2010 behebt und die Grundrechte unserer Bürger soweit wie möglich und nicht soweit wie finanzierbar verteidigt.