Gilt die Unschuldsvermutung doch nicht für alle?

28.09.2016

Jedem angehenden Juristen oder Polizisten wird schon in der ersten Ausbildung beigebracht, dass für Verdächtige oder Beschuldigte eine Unschuldsvermutung gilt.
Gilt die Unschuldsvermutung doch nicht für alle?
by Thorben Wengert - pixelio.de

Jeder ist also so lange als unschuldig zu betrachten, bis der Beweis seiner Schuld erbracht worden ist, was in Deutschland regelmäßig im Hauptverfahren vor Gericht passiert. Doch scheinbar trifft dies auf Polizisten, besonders in den unteren und mittleren Diensträngen, weit weniger zu. Der Leser wird sich in diesem Zusammenhang sicherlich an einige Schlagzeilen seit dem 20. April 2016 erinnern, die in den Medien von einem gestopften Loch, einem Spion in den eigenen Reihen oder von einem großen Korruptionsfall in unserer Landespolizei berichteten. Dabei soll sich keinerlei Vorwurf an die Medien richten, die sicherlich nur das abdrucken, was ihnen von den Ermittlungsbehörden oder Verantwortlichen erklärt wird.

Doch wie verhält es sich mit den ursprünglichen und dann später folgenden Stellungnahmen aus dem Ministerium für Inneres und Sport oder der betroffenen Behörde? Können rechtsstaatliche Grundsätze aufgrund wahrscheinlicher persönlicher oder sicherheitspolitischer Motive unbeachtet werden lassen? Selbstredend nicht. Der Grundsatz der Unschuldsvermutung ist im geschilderten Fall aus unserer Sicht gröblichst verletzt worden und dürfte sich damit gegen die Rechte der Beschuldigten gerichtet haben. Wir gehen selbstverständlich davon aus, dass die unserer Meinung nach vorliegende Verletzung persönlicher Rechte zeitnah geprüft und notfalls geahndet wird.

Um nicht missverstanden zu werden sei gesagt, dass wir kriminelles Verhalten – auch in den eigenen Reihen – als Berufsvertretung der kriminalpolizeilich Beschäftigten keineswegs dulden. Doch muss auch die Untersuchung von möglichen Straftaten stets unter Beachtung von Recht und Gesetz erfolgen, ohne die Rechte von Verfahrensbeteiligten zu verletzen oder zu beeinträchtigen – auch wenn gegen eigentliche Strafverfolger ermittelt wird. Natürlich gelten für die Mitbeschuldigten die gleichen Rechte im Verfahren.

Wir hoffen und erwarten, dass Stellungnahmen polizeilicher oder politischer Verantwortlichen im Rahmen zukünftiger Ermittlungen gegen unsere Mitarbeiter oder andere Beschuldigte weniger tendenziell und ausschließlich unter der Beachtung rechtsstaatlicher Schranken erfolgen werden, auch wenn die Vorwürfe noch so erschreckend, spannend oder erschütternd wirken.