Gefährdungsanzeige – Gefahrenanzeige – Überlastungsanzeige
19.11.2020
Allgemeine Ausführungen
Im Arbeitsschutzrecht, beziehungsweise Arbeitsrecht, sind diese Formen der Anzeige als (in aller Regel) schriftliche Mitteilungen an den Vorgesetzten oder Arbeitgeber zu verstehen, die das Ziel haben, auf eingetretene Gefährdungen, Gefahren, beziehungsweise Problemstellungen bei Personaleinsatz und/oder Arbeitsmenge, beziehungsweise Arbeitsbelastung hinzuweisen. Sie lösen dabei Prüfnotwendigkeiten und Handlungsbedarf beim Vorgesetzten oder Arbeitgeber aus und schaffen zudem bei der Überlastungsanzeige die rechtliche Möglichkeit der Exkulpation, also der Schuldbefreiung, wenn trotz rechtzeitiger und fundiert dargelegter Überlastung Fehler in der Arbeit eintreten. Die Anzeigen sind gesetzlich oder tarifvertraglich nicht konkret normiert, sie werden vielmehr aus verschiedenen Rechtsbereichen abgeleitet.
Dieser Beitrag versucht eine Einordnung, erhebt jedoch keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Gefährdungsanzeige
Im Bereich der Gefährdungsanzeige hat das Innenministerium BW, Landespolizeipräsidium, mit dem Polizeiärztlichen Dienst des Landes entsprechende Vorgaben erstellt. Die Handreichung (abrufbar im Intranet, Suche „Gefährdungsanzeige“) führt aus, dass „alle im Polizeibereich Beschäftigten, die während der Dienstausübung zu einem gewissen Zeitpunkt möglicherweise gesundheitsgefährdenden Einflüssen ausgesetzt waren, einen Meldevordruck ‚Gefährdungsanzeige‘“ ausfüllen sollen. In Abgrenzung zu einer Unfallmeldung ist die Gefährdungsanzeige auszufüllen, wenn „Beschäftigte im Polizeibereich benennbaren gesundheitsgefährdenden Einflüssen ausgesetzt waren, jedoch kein eigentlicher Unfall geschehen ist.“
Das kann beispielsweise an einem Brandort der Fall sein, bei dem es zu ungewöhnlichen Rauch- und Dampfentwicklungen kam, beim Kontakt mit unbekannten chemischen Flüssigkeiten ohne dass ein konkreter Schaden eingetreten ist oder auch beim Transport einer Person, bei der im Nachgang festgestellt wird, dass sie an Tuberkulose erkrankt ist, so das Beispiel der Handreichung.
Die Gefährdungsanzeige ist vollständig auszufüllen und dem Vorgesetzten zur Unterschrift vorzulegen. Nach Wunsch und Wahl der Betroffenen können folgende weitere Maßnahmen getroffen werden:
- Die Gefährdungsanzeige kann zu den Personalakten genommen werden.
- Eine betriebsärztliche Untersuchung/Beratung kann erbeten werden.
- Weiterleitung der Gefährdungsanzeige an Fachkraft für Arbeitssicherheit, Betriebsarzt und/oder örtlichen Personalrat.
Empfohlen wird in der Handreichung die Einbindung mindestens des Betriebsarztes.
Als Anlage sind entsprechende Vorkommnisberichte beizufügen.
Gefahrenanzeige
Wie aufgezeigt, hat die Gefährdungsanzeige das Ziel auf ein Ereignis in der Vergangenheit hinzuweisen, bei dem es zu einer möglichen Schädigung gekommen ist oder eine Schädigung erst zu einem viel späteren Zeitpunkt eintreten könnte.
Nicht abgedeckt ist bei dieser Meldung somit eine Gefahr durch eine dienstliche Aufgabe, die in der Zukunft liegt. Ein passender Begriff ist Gefahrenanzeige (wobei Begrifflichkeiten weniger bedeutend sind, als der Inhalt der Anzeige/Meldung – vielfach wird die Gefahrenanzeige als Überlastungsanzeige betrachtet). In Corona-Zeiten kommt einer Gefahrenanzeige eine besondere Bedeutung zu. Sind beispielsweise aus Sicht der/des Beschäftigten Hygiene- und Schutzmaßnahmen für eine mögliche Ansteckung mit SARS-CoV-2 nicht oder nur unzureichend getroffen worden und besteht der begründete Verdacht, dass der Vorgesetzte oder Arbeitgeber seiner Fürsorge- und (Arbeits-)Schutzpflicht und hier speziell dem Infektionsschutz nicht im erforderlichen Maße nachkommt, ist die Gefahrenanzeige Mittel zur Anzeige der Missstände.
Die Gefahrenanzeige soll aber auch auf Probleme aufmerksam machen, die beispielsweise im Bereich der Arbeitsorganisation von den Beschäftigten erkannt werden und die auf anderem, normalem Wege beispielsweise durch einen Dialog mit den Vorgesetzten nicht geklärt werden können. Oder sie dienen der Dokumentation und wir kurz ausgeführt als Mittel der Exkulpation.
Überlastungsanzeige
Bei Beamtinnen und Beamten wird die Pflicht zur Anzeige aus dem Dienst- und Treueverhältnis, Artikel 33 Abs. 4 GG, auch in Verbindung mit § 3 BeamtStG abgeleitet.
Hauptzielrichtung sind der Hinweis auf unzureichende personelle Besetzung oder Fehler bei der Verteilung von zu erledigendem Dienstgeschäft. Die Anzeige entbindet nicht von der Pflicht zur Dienstleistung oder der weiteren Erledigung der übertragenen Aufgaben.
Bei den Tarifbeschäftigten wird die Überlastungsanzeige aus den §§ 611, 611a BGB in Verbindung mit §§ 241, 242 BGB abgeleitet. Auch in einem Arbeitsverhältnis besteht also die Pflicht den Arbeitgeber rechtzeitig darüber zu informieren, dass die übertragene Arbeit nicht vollständig bewältigt werden kann oder qualitativ nur mangelhaft. Auch hier muss die Arbeit weiter geleistet werden.
Arbeitgeber dürfen auf Überlastungsanzeigen nicht mit einer Abmahnung bei Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmer reagieren, bei Beamtinnen und Beamten sind ebenso wenig negative Folgen für die Meldenden, wie beispielsweise Berücksichtigung bei der Beurteilung, rechtmäßig. Gleichwohl ist die Scheu vor einer solchen Maßnahme groß.
Arbeitsschutzrecht
Für beide Berufsgruppen besteht zudem aus §§ 15, 16 ArbSchG die Verpflichtung, den Arbeitgeber auf mögliche Schädigungen oder Gefährdungen hinzuweisen. Die Rechte der Beschäftigten ergeben sich insbesondere aus § 17 ArbSchG, auch hier ist ausdrücklich geregelt, dass aus einer entsprechenden Meldung keine Nachteile entstehen dürfen. Wird der Beschwerde durch den Arbeitgeber nicht abgeholfen, besteht zudem das Recht sich an die zuständige Behörde zu wenden. Bei unseren Behörden ist das die Unfallkasse Baden-Württemberg.
Form und Fortgang
Die Anzeigen sollten in schriftlicher Form auf dem Dienstweg vorgelegt werden. Wobei die Schriftform nicht verpflichtend ist, sich aber aus Nachweisgründen dringend empfiehlt (Ausnahme: Die Gefährdungsanzeige ist unter Nutzung des vorgegebenen Formulars zwingend schriftlich zu erstellen). Es schließt sich eine Prüfung an, die sich aus der Fürsorgepflicht ergibt (§ 45 BeamtStG bzw. § 618 BGB). Die Prüfpflicht basiert auf der Pflicht vorhandenen Missständen im Rahmen der Fürsorgepflicht entgegenzuwirken. Gegebenenfalls werden bei der Prüfung weitere notwendige, sachkundige Stellen einbezogen, wie beispielsweise der Betriebsarzt. Im speziellen Fall der Überlastungsanzeige kann es dabei auch zur Prüfung kommen, ob die Beamtin/der Beamte in der Lage ist den Anforderungen seines Dienstpostens in qualitativer und quantitativer in üblichem Ausmaß erfüllen kann. Gleiches wird für die Arbeitsleistung der/des Tarifbeschäftigten gelten müssen.
Erfolgt keine Prüfung, keine Rückmeldung oder wird dem skizzierten Inhalt der Anzeige nicht abgeholfen, besteht nach allgemeiner Auffassung der gesichteten Beiträge und der Recherche zu dem Thema die Möglichkeit, die nächste Hierarchiestufe oder/und die Behördenleitung einzubinden.
Inhaltlich wird empfohlen, dass folgende Punkte dokumentiert werden (Anmerkung: Bei der Gefährdungsanzeige sind die Daten vorgegeben, auf Vollständigkeit ist zu achten, diese Vorlage kann als allgemeine Vorlage auch für die anderen Anzeigeformen genutzt werden):
- Übergabezeitpunkt mit Datum ggf. auch mit Uhrzeit.
- Alle Personen, die die Anzeige unterzeichnen müssen eindeutig gekennzeichnet werden (siehe Gefährdungsanzeige), es empfiehlt sich eine persönliche Unterschrift aller Beteiligten.
- Die genaue Adressierung des Vorgesetzten (Dienstweg).
- Der Vermerk, an welche Stellen die Anzeige in Mehrfertigung geht oder gehen soll bzw. wer eingebunden werden soll. In Frage kommen neben Fachkraft für Arbeitssicherheit und Betriebsarzt auch Personalrat und Schwerbehindertenvertretung.
- Der Vermerk, ob die Anzeige in die Personalakte aufgenommen werden soll.
- Die Sachverhaltsschilderung konkret und ausführlich halten (Orientierung an den W-Fragen), die Bedenken und Hinweise begründen.
- Wenn möglich, ist der Beleg mit Zahlenmaterial zu führen (z. B. Erhöhung der Anzahl der zu bearbeitenden Fälle mit Vergleichszeitraum).
- Bei der klassischen Überlastungsanzeige wegen Personalnot ist zudem zu beschreiben wodurch sich Veränderungen ergeben haben, beispielsweise durch Urlaub oder (längerfristige) Erkrankung, sonstiger längerer Abwesenheit wie Fortbildung, Ausbildungs- und Betreuungszeiten von Nachwuchspersonal oder unbesetzten Stellen.
- Ebenfalls bei der Überlastungsanzeige, sollten die bereits festgestellten Auswirkungen geschildert werden bspw. Haldenbildung, Arbeitsrückstände, verlängerte Arbeitszeiten zur Bewältigung der Aufgaben oder Beschwerden von Auftraggebern.
- Sind bereits persönliche Folgen wie Erschöpfung, psychosomatische Symptome oder Erkrankungen festgestellt, sollten diese ebenfalls beschrieben werden.
- Erwartete Folgen für die Behörde sind zu skizzieren, also beispielsweise, dass nicht mehr alle Arbeiten termingerecht erledigt werden können oder die erforderliche Qualität der Arbeitsleistung nicht mehr voll erbracht werden kann.
- Gegebenfalls konkrete Vorschläge zur Abhilfe oder Gefahrenbeseitigung aufnehmen.
- Die Anzeige ist vom Adressat mit Datum ggf. Uhrzeit gegenzuzeichnen.
Rolle des Personalrats
Der örtliche Personalrat kann nach Entscheidung der/des Beschäftigten einbezogen werden. Aus dem allgemeinen Auftrag des Landespersonalvertretungsgesetzes BW ergibt sich für den Personalrat dann die Pflicht darauf zu achten, dass geltende Gesetze eingehalten werden, beispielsweise Regelungen zur Arbeitszeit. Hierfür muss er zwangsläufig eine eigene Prüfung des Sachverhalts vornehmen. Bei Punkten, die den Arbeits- und Gesundheitsschutz betreffen, ergibt sich die Aufgabe aus dem Spezialtatbestand des § 74 II Nr. 7 LPVG BW. Es handelt sich dabei um ein starkes Recht der Mitbestimmung. Dem Personalrat stehen sodann die Instrumentarien des LPVG zur Verfügung und nicht zuletzt kann er während des gesamten Vorgangs die Beschäftigten mit Rat und Tat unterstützen.
Stand und Quellen: November 2020, die Artikel der Zeitschrift „Der Personalrat“, 11-2020, Bund-Verlag zum Titel-Thema Überlastungsanzeige sowie ergänzende Recherchen in Intranet und Internet.