G9-Initiative versandte offenen Brief zu den Sparbeschlüssen der Bundesregierung

07.07.2010

Offener Brief an die Abgeordneten des Deutschen Bundestages zu den geplanten Einsparungen und deren Auswirkungen auf die Sicherheitsbehörden des Bundes:
G9-Initiative versandte offenen Brief zu den Sparbeschlüssen der Bundesregierung

Sehr geehrte Frau Abgeordnete,
sehr geehrter Herr Abgeordneter,

wir vertreten die Beschäftigten bei den Behörden und Organisationen des Bundes mit Sicherheitsaufgaben. Mit weit mehr als 300.000 Menschen organisieren wir neben einer großen Anzahl von Beamtinnen und Beamten des Bundes bei Bundespolizei, Zoll, Bundeskriminalamt, Bundesamt für Verfassungsschutz, Bundesnachrichtendienst und Bundeswehrverwaltung Soldatinnen und Soldaten.

Für die innere und äußere Sicherheit sind unsere Kolleginnen und Kollegen in Deutschland und in vielen Teilen der Welt neben dem Kampf gegen immer komplexere Formen von Kriminalität zur Terrorbekämpfung Tag und Nacht unter ständig schwieriger werdenden Bedingungen im Einsatz. Sie leisten einen unverzichtbaren Beitrag zur Erhaltung von Frieden und Freiheit und stellen durch ihr Verwaltungshandeln zur Erhaltung der Infrastruktur unserer Gesellschaft die notwendigen Staatseinnahmen sicher.

Mit ihrem Kabinettbeschluss zur Haushaltskonsolidierung vom 7. Juni 2010 bekräftigt die Bundesregierung ihre Absicht bis 2014 in der Bundesverwaltung bis zu 15.000 Arbeitsplätze zu vernichten. Dazu soll das Parlament in den Haushaltsgesetzen bis 2014 pauschale Stellenkürzungen für die Bundesverwaltung beschließen. Ferner wird der Bundesminister der Verteidigung beauftragt bis Ende des Jahres ein neues Strukturkonzept für die Bundeswehr vorzulegen und darin zu untersuchen, wie die Bundeswehr massiv personell reduziert werden kann. Außerdem ist beabsichtigt, die mit dem Dienstrechtsneuordnungsgesetz bereits gesetzlich beschlossene tabellenwirksame Gewährung des Weihnachtsgeldes ab 1. Januar 2011 weiter auszusetzen.

Wir wenden uns heute ganz persönlich an Sie, um Ihnen aufzuzeigen, welche gravierenden Auswirkungen von den vorgesehenen Kürzungen ganz konkret für die innere und äußere Sicherheit unseres Landes ausgehen. Ihnen muss bewusst sein, dass Sie mit Ihrer Zustimmung zu diesen Sparbeschlüssen nicht nur nachhaltig die Effizienz der seit Jahren unter Konsolidierungsdruck stehenden Bundesverwaltung belasten, sondern auch ganz konkret über die zukünftige Leistungsfähigkeit der Sicherheitsbehörden des Bundes entscheiden.

Die im Rahmen des vorgesehenen Sparpaketes bis zum Jahr 2014 geplanten Stelleneinsparungen treffen mit Bundespolizei, Zoll und Bundeskriminalamt ganz direkt auch die Innere Sicherheit. Im Bereich der äußeren Sicherheit trifft es mit voller Wucht das Personal der Bundeswehr und damit unmittelbar die militärischen Fähigkeiten der Streitkräfte zur Landes- und Bündnisverteidigung.

Nach den Reduzierungen der letzten Jahrzehnte treten bereits heute Besorgnis erregende Schwachpunkte zu Tage:

Bei der Bundespolizei werden bereits jetzt trotz wachsender Aufgaben Planstellen gestrichen, Reviere tageweise geschlossen und notwendige Aufgaben nicht mehr in vollem Umfang erledigt. Zunehmend ist die Bundespolizei in wichtigen internationalen Missionen gefordert, ohne dass diese Auslandseinsätze materiell oder personell abgedeckt sind. Anstelle der nun geplanten Einsparungen bedürfte es für diese wichtige zusätzliche Aufgabe eines deutlichen Zuwachses an Personal und Ausstattung.

Weitere Stelleneinsparungen in den unverzichtbaren Aufgabenbereichen des Zolls zur Sicherung der Steuereinnahmen, zur Unterbindung der Steuerflucht, zur Bekämpfung des Drogen- und Waffenschmuggels, zur Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung, zur Verhinderung illegaler Atom- und Rüstungsexporte sowie des Verbraucherschutzes bei der Einfuhr von Lebensmitteln und anderen risikobehafteten Waren führen zu einer eklatanten Schwächung der Kontroll-, Fahndungs- und Ermittlungsdienste. Den vermeintlichen "Einsparungen" im Bereich der Personalkosten stünden ungleich höhere Verluste im Bereich Steuern und Sozialabgaben sowie Folgekosten der Zoll- und Wirtschaftskriminalität gegenüber.

Beim Bundeskriminalamt stehen bereits jetzt schon durch die sicherlich notwendige Konzentration auf den von Glaubensfanatikern ausgeübten Terrorismus und auf internationale Finanzkriminalität nicht mehr genug Kräfte zur Verfügung, um andere Felder des organisierten Verbrechens mit der notwendigen Konsequenz bekämpfen zu können.

Durch zunehmende Aufgabenverdichtung ist im Bundesnachrichtendienst schon jetzt eine Überlastung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu beobachten. Wegen steigender Anforderungen durch Begleitung von Auslandseinsätzen der Bundeswehr, wachsender organisierter Kriminalität, verbreiteter Proliferation von Massenvernichtungswaffen und wachsender Terrorgefahr, deren Ausgang in anderen Ländern liegt, ist auf absehbare Zeit keine Entlastung sichtbar. Ein Personalabbau beim Bundesnachrichtendienst kann daher nur den bewussten Verzicht auf Erkenntnisse über mögliche Gefahren für die Bundesrepublik Deutschland und damit auch die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes bedeuten.

Massive Auswirkungen wird das Spardiktat der Bundesregierung auf den Bereich der Bundeswehr haben, sowohl auf das dort beschäftigte Personal als auch auf die Fähigkeiten der Streitkräfte. Allein in den letzten zehn Jahren hat die Bundeswehr über 100.000 zivile Arbeitsplätze, in den letzten zwanzig Jahren den Umfang der Streitkräfte um die Hälfte reduziert. Der Technische Dienst der Bundeswehrverwaltung verzeichnet ein Fehl von fast 900 Technikern und Ingenieuren. In der Vergangenheit wurde stets versäumt, den Aufgabenumfang an die reduzierte Personalstärke anzupassen. Stattdessen haben die Aufträge der Bundeswehr - der sicherheitspolitischen Lage und den Bündnisverpflichtungen Deutschlands geschuldet - kontinuierlich zugenommen. Die damit einhergehende Belastungsverdichtung sowohl im Auslandseinsatz als auch im Inlandsbetrieb übersteigt bereits gegenwärtig die Grenzen des Zumutbaren.

Mit der jetzt bevorstehenden Reduzierung auf voraussichtlich nur noch 150.000 Zeit- und Berufssoldatinnen und -soldaten und der daraus folgenden Verringerung des zivilen Personals in den Streitkräften und der Bundeswehrverwaltung werden Rahmenbedingungen geschaffen, die weder sicherheitspolitisch noch mit Blick auf die unmittelbar Betroffenen verantwortbar erscheinen. So muss angesichts der Stellung Deutschlands innerhalb Europas sowie der NATO bezweifelt werden, dass seitens der Verantwortlichen die Bereitschaft besteht, den Anspruch an die Leistungsfähigkeit der Bundeswehr gleichermaßen zu reduzieren. Eine einzig aufgrund politischer Vorgaben und ohne vorgeschaltete Aufgabenkritik vorgenommene Kürzung des Personalumfangs wird zwangsläufig zu einer weiteren Zunahme der Arbeitsbelastung auf jedem Dienstposten und darüber hinaus dazu führen, dass einzelne militärische Fähigkeiten nicht mehr aufrechterhalten werden können.

Auch die zu erwartende Aussetzung der Wehrpflicht wird gravierende Folgen nicht nur für die Rekonstitutions- und Regenerationsfähigkeit der Streitkräfte, sondern aufgrund des Zusammenhangs mit dem Zivildienst auch auf zahlreiche gemeinnützige und soziale Einrichtungen haben. In Relation zu dem nur möglicherweise zu realisierenden Einsparpotenzial sind die sicherheits- und gesellschaftspolitischen Auswirkungen einer Aussetzung der Wehrpflicht aus unserer Sicht nicht absehbar.

Den Beamtinnen und Beamten des Bundes sowie den Soldatinnen und Soldaten wurde zudem seit 2006 als befristeter Beitrag für die Konsolidierung der Staatsfinanzen das Weihnachtsgeld zeitlich befristet gekürzt. Die betroffenen Beschäftigten haben damit nach zwei Arbeitszeiterhöhungen und der Streichung des Urlaubsgeldes bisher ihren erheblichen Beitrag zur Konsolidierung der Staatsfinanzen im Umfang von etwa 8 Milliarden Euro geleistet. Es galt stets die Zusage von Bundesregierung und Deutschem Bundestag, dass diese Kürzung des Weihnachtsgeldes auf fünf Jahre befristet werde. Diese Zusage soll nun einseitig zurück genommen werden. Dieser Vorgang stellt eben nicht nur den Verzicht auf eine geplante Erhöhung um 2,44% sondern einen in der Geschichte der Bundesrepublik noch nicht da gewesenen Vertrauensverlust dar. Auch müssen wir darauf hinweisen, dass die Masse der betroffenen Beamtinnen und Beamten, Soldatinnen und Soldaten in den unteren Besoldungsgruppen bis A 8 zu finden sind.

Es ist ein Teil Ihrer Verantwortung, das in den vergangenen Jahren auf eine harte Probe gestellte Vertrauensverhältnis zwischen der Regierung, dem Parlament und seinen treuen und loyalen Beamtinnen und Beamten, Soldatinnen und Soldaten nicht leichtfertig aufs Spiel zu setzen.

Wir fordern Sie deshalb heute auf: Setzen Sie sich dafür ein, dass nicht auf Kosten der Beamtinnen und Beamten, Soldatinnen und Soldaten und bei der inneren und äußeren Sicherheit gespart wird.

 

Thomas Mischke
Vorsitzender BDK-Verband Bund

gez. Klaus H. Leprich
Bundesvorsitzender BDZ - Deutsche Zoll- und Finanzgewerkschaft

Rüdiger Reedwisch
Bundesvorsitzender Bundespolizeigewerkschaft - verbund innere sicherheit (bgv)

Ulrich Kirsch
Bundesvorsitzender Deutscher Bundeswehr Verband 

Hans-Joachim Zastrow
Vorsitzender DPolG Fachverband Bundespolizei

Josef Scheuring
Vorsitzender GdP Bundespolizei

Jürgen Vorbeck
Vorsitzender GdP Bezirk BKA

Wolfram Kamm
Bundesvorsitzender des VBB

Hans-Ulrich Benra
Bundesvorsitzender Verband der Beschäftigten der obersten und oberen Bundesbehörden im dbb beamtenbund und tarifunion

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