Fachtagung Neue Formen sexualisierter Gewalt –„Die Kölner Silvesternacht“ und ihre Folgen
23.09.2016
Nach der Begrüßung durch den BDK-Landesvorsitzenden Christian Soulier schilderte Kollegin Anja Huhmann von der KI Idar-Oberstein eindrucksvoll einen problematischen Fall, der sich in der dortigen Aufnahmeeinrichtung zugetragen hat.
Die beiden Beraterinnen vom Psychosozialen Zentrum Pfalz, Pfarrerin Britta Geburek-Haag und Sozialpädagogin Beate Guttenbacher, gaben Einblick in grausame Erlebnisse, die ihnen von Migrantinnen geschildert wurden. Selbst das anwesende Fachpublikum überraschte das Ausmaß, da 54% der betreuten Frauen in ihrer Heimat, auf ihrer Flucht oder im Ankunftsland Opfer sexueller Gewalt wurden. Die sicherlich nicht unerhebliche Dunkelziffer wurde dabei noch gar nicht berücksichtigt.
Gespannt lauschten die mehr als 80 Teilnehmer den Ausführungen des Kollegen Ralf Dubendorff, Leiter der EG Neujahr beim PP Köln, zu den Ereignissen der Silvesternacht in Köln und den Schwierigkeiten in der Beweisführung.
Trotz der verbesserungsbedürftigen Qualität der öffentlichen Videoüberwachung am Kölner Hauptbahnhof konnten opferbasierte Videoauswertungen durchgeführt und fast 300, hauptsächlich aus Nordafrika stammende, Tatverdächtige ermittelt werden. Bei dieser sehr komplexen Auswertung fanden die Kölner Kollegen Unterstützung von Super-Recognizern (Anm.: auf Gesichtserkennung spezialisierte Fachleute) ausgeliehen von Scotland Yard. In Relation zu den insgesamt 1610 erfassten Strafanzeigen - davon 550 mit Sexualbezug - war dies ein beachtlicher Ermittlungserfolg.
Auch im Nachgang betrachtet waren die Ereignisse überraschend und für die Polizei so nicht vorhersehbar. Entgegen anderer Berichterstattung waren die Täter in keiner Weise organisiert und eine Vielzahl der Taten geschah als „Kombi-Tat“, bei der sexuelle Angriffe als Ablenkung zur Durchführung von Taschendiebstählen dienten.
Oberstaatsanwältin Carola Jacobs von der Staatsanwaltschaft Dortmund referierte über die geplanten Gesetzesänderungen im Sexualstrafrecht und stellte – teils kritisch, teils bewusst überspitzt – die möglichen Schwierigkeiten bei der künftigen Rechtsauslegung dar. Die neue Rechtsprechung mit der Zusammenfassung vieler Tatbestände in einem äußerst komplexen und unübersichtlichen Paragrafen führe zu einer Entwertung schwerwiegenderer Taten.
Zum Abschluss der Veranstaltung wurde das breite Spektrum der behandelten Themen durch den Vortrag von Dr. Dorothea Dienstbühel von der Hochschule Darmstadt über „Gewalt gegen Frauen in patriarchalischen Strukturen / kulturell legitimierte Gewalt gegen Frauen“ abgerundet.
Sie erklärte sehr interessant und lehrreich, historische, religiöse und kulturelle Hintergründe, die das Leben der Migrantinnen entscheidend beeinflussen. Die Familie ist die wichtigste soziale Einheit, deren Erhalt oberste Priorität genießt.
Nach der gut 4-stündigen Fachtagung konnten die Teilnehmer bei einem anschließenden Sektempfang nochmals das Gehörte Revue passieren lassen und ausgiebig darüber diskutieren.