EU-Kommission überlegt grundlegende Reform der Geldwäschebekämpfung

31.07.2019

Sollte die EU-Geldwäscherichtlinie durch eine Verordnung abgelöst werden? Benötigen wir eine EU-Financial Intelligence Unit? Einige der Schlussfolgerungen der EU-Kommission legen dies nahe.
EU-Kommission überlegt grundlegende Reform der Geldwäschebekämpfung
Foto: Sebastian Fiedler

Der Vorsitzende des Bund Deutscher Kriminalbeamter, Sebastian Fiedler, begrüßte die Vorschläge ausdrücklich: 

Eine Verordnung als unmittelbar geltendes Recht würde die Chance auf eine deutlich zügigere Harmonisierung der Geldwäschebekämpfung bieten. Die Idee einer europäischen Financial Intelligence Unit (FIU) ist nicht neu. Sie ist absolut richtig. Einer weiteren Behörde stehe ich jedoch sehr skeptisch gegenüber. Viel besser wäre es, die bereits jetzt schon vorhandenen Fähigkeiten bei EUROPOL zu einer eigenen Abteilung „FIU“ auszubauen und mit weitreichenden Analyse- und Koordinationsaufgaben zu betrauen. Das würde sehr viel Sinn machen und einen echten Mehrwert bieten. Zudem muss die neue Kommissionspräsidentin von der Leyen endlich dafür Sorge tragen, dass der Europäischen Kommission ein Vielfaches an Personal zur Verfügung gestellt wird, um die Einhaltung der Geldwäscheregeln durch die Mitgliedsstaaten aktiv überwachen zu können. Sie ist fortan die höchste Hüterin der europäischen Verträge. Ihr sollte daran gelegen sein.
 

Die neuen Vorschläge, die die Kommission nun ins Spiel bringt, sind bemerkenswert. Sie sind Ausdruck der vielen Defizite, die die Mitgliedsstaaten bei der Verhinderung und Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung haben. 

Lesen Sie im Einzelnen: 

  1. Die Supranationale Risikoanalyse (SNRA) der die Union betreffenden Risiken der Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung. 
  2. Den Bericht über die Bewertung des Rahmens für die Zusammenarbeit der Financial Intelligence Units (FIUs).
  3. Den Bericht über die Zusammenschaltung der nationalen zentralen Kontenregister.
  4. Den Bericht über die Bewertung der jüngsten mutmaßlichen Fälle von Geldwäsche, an denen EU-Kreditinstitute beteiligt waren.
  5. Ineffektivität oder Nichteinhaltung der rechtlichen Anforderungen an die Systeme und Kontrollen zur Bekämpfung von Geldwäsche/Terrorismusfinanzierung;
  6. Misserfolge bei der Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung;
  7. Fehlausrichtungen zwischen Risikobereitschaft und Risikomanagement bei Verpflichteten;
  8. ineffektive Beaufsichtigung der gruppenweiten Einhaltung von Pflichten zur Verhinderung von Geldwäsche und Terrorismusbekämpfung.

Am 24.07.2019 veröffentlichte die Kommission eine Mitteilung an das Europäische Parlament und den Rat sowie vier grundlegende Berichte über die Umsetzung des rechtlichen Rahmens der Union zur Bekämpfung der Geldwäsche und Terrorismusbekämpfung:

Mit der sich aus der 4. EU-Geldwäscherichtlinie ergebenden Verpflichtung zur Erstellung einer supranationalen Risikobewertung werden die mit der Geldwäsche verbundenen Risiken analysiert, die den gesamten EU-Binnenmarkt betreffen. In der aktuellen zweiten (270 Seiten umfassenden) supranationalen Risikoanalyse ergänzt die EU-Kommission die im ersten Bericht von 2017 identifizierten potenziell für Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung anfälligen Produkte und Dienstleistungen um weitere sieben auf insgesamt 47. Hinzugekommen sind neben einer Kategorie verschiedener Produkte (bargeldintensive Unternehmen, virtuelle Währungen, Crowdfunding und non-profit Organisationen sowie informelle Strukturen wie Hawala) die Bereiche der privaten Geldautomatenaufsteller (ATMs), Profifußball, Freihäfen und Staatsbürger- und Aufenthaltsregelungen für Investoren („goldene Pässe/Visa“). Nach wie vor kommt dem Bericht zufolge Bargeld eine zentrale Bedeutung im Rahmen der Geldwäsche zu. Große Herausforderungen bleiben u.a. die Möglichkeiten anonymer Finanztransaktionen, die Nutzung komplexer Unternehmensstrukturen (insbesondere solcher, die in Drittstaaten registriert sind), die Verschleierung tatsächlicher wirtschaftlicher Berechtigungen (auch unter Ausnutzung von Schwächen der nationalen Transparenzregister)und sektorübergreifend die Infiltrierung (von Verpflichteten) durch Kriminelle, die vereinfachten Fälschungsmöglichkeiten durch technische Entwicklungen, unzureichender Informationsaustausch zwischen dem öffentlichen und privaten Sektor, unzureichender Personalansatz und Risikobewusstsein bei Verpflichteten sowie von FinTech ausgehende Risiken.

Allgemein kritisiert der Bericht, dass die Mitgliedstaaten die Vierte EU-Geldwäscherichtlinie noch nicht vollständig umgesetzt haben und fordert die Mitgliedstaaten dringend hierzu auf.

 

In ihrem Bericht über die FIUs kritisiert die Kommission u.a. die mangelhaften Rückmeldungen einiger Financial Intelligence Units an die Verpflichteten – ein auch in Deutschland zentraler Kritikpunkt der meldenden Verpflichteten gegenüber der FIU (die aktuell geplanten Rückmeldungen, die sich primär auf die Einhaltung formeller Vorgaben beschränken, dürften den Anforderungen an qualitativ hochwertiges Feedback kaum genügen). Thematisiert werden darüber hinaus Defizite im Informationsaustausch zwischen den einzelnen FIUs (u.a. die noch sehr geringe Zahl sog. Cross-Border-Reports, d.h. Mitteilungen von FIUs an andere FIUs betroffener Mitgliedsstaaten) sowie zwischen FIUs und Aufsichtsbehörden und mit Drittstaaten. Als ein EU-weit verbreitetes Problem wird zudem der Datenzugriff der zentralen Meldestellen bezeichnet: Aufgrund von Unterschieden in ihrer Stellung, ihren Befugnissen und ihrer Organisation sind einige zentrale Meldestelle nicht in der Lage, auf relevante Informationen (Finanz-, Verwaltungs- oder Strafverfolgungsdaten) zuzugreifen oder diese weiterzuleiten, was sie daran hindert Verdachtsmeldungen ausreichend zu analysieren. 

 

Im Bericht über die Zusammenschaltung der zentralen Kontenregister bewertet die Kommission die Bedingungen, technischen Spezifikationen und Verfahren für eine sichere und effiziente Verbindung der zentralisierten Bankkonten-Register oder Datenabrufsysteme (aktuell verfügen 15 Mitgliedstaaten bereits über zentrale Bankkontenregister oder elektronische Datenabrufsysteme für Bankkonten). Der Bericht mit seinen Einschätzungen zur möglichen Vernetzung der unterschiedlichen verwendeten IT-Lösungen der Mitgliedsstaaten wird die Grundlage für eine EU-weite Vernetzung bilden.

 

Die Analyse von zehn öffentlich bekannt gewordenen Geldwäscheskandalen, an denen EU-Banken v.a. zwischen 2012 und 2018 beteiligt waren, ist Gegenstand des letzten der vier Berichte, der im Ergebnis vier Kategorien von Mängeln identifiziert:

Der Bericht kommt zu dem Schluss, dass in den analysierten Fällen zum einen Banken die Kernanforderungen der Geldwäscherichtlinie (wie Risikobewertung, Sorgfaltspflicht gegenüber Kunden und Meldung verdächtiger Transaktionen und Aktivitäten an die FIUs) nicht erfüllt haben und zum anderen Behörden erst dann eingriffen, wenn erhebliche Risiken aufgetreten waren oder wenn sie wiederholt mit Compliance- und Governance-Fehlern konfrontiert wurden. Ein Teil der erkannten Probleme ist jedoch bereits von Maßnahmen der fünften EU-Geldwäscherichtlinie erfasst und wird auch durch die im September 2018 beschlossene Zentralisierung der Aufgabe der Geldwäschebekämpfung im Finanzsektor bei der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde aufgegriffen. Auf internationaler Ebene soll die Zusammenarbeit mit wichtigen Behörden von Drittländern strukturierter und systematischer gestaltet werden.

Von besonderer Bedeutung ist der Vorschlag, die Umwandlung der Geldwäscherichtlinie in eine Verordnung zu erwägen – damit entfiele die Umsetzungspflicht in den einzelnen Mitgliedsstaaten, die aktuell zu unterschiedlichen Auslegungen und Anwendungen und damit Zusammenarbeitshindernissen geführt hatte, und würde ein harmonisierter, unmittelbar anwendbarer Rechtsrahmen der Union zur Bekämpfung der Geldwäsche geschaffen werden.

Zu prüfen sei ferner eine zentrale EU-Behörde zur Geldwäschebekämpfung/-aufsicht.