Engagement für den BDK, ein Plädoyer für gewerkschaftliche (Mit-) Arbeit
01.09.2021
Editorial - der kriminalist, Ausgabe 9/2021
An dieser Stelle müsste Sie eigentlich unser Bundesvorsitzender Sebastian Fiedler in der gewohnten Kürze und Fachlichkeit auf die neue Ausgabe unserer Verbandszeitschrift einstimmen. Wie sicher die allermeisten unserer Leserinnen und Leser wissen, bewirbt sich Sebastian Fiedler bei der anstehenden Bundestagswahl um ein Mandat für den 20. Deutschen Bundestag. Wir haben uns daher im geschäftsführenden Bundesvorstand dazu entschieden, dass die kommenden Editorials vertretungsweise durch die stellvertretenden Bundesvorsitzenden erstellt werden. Ich möchte natürlich die Gelegenheit nutzen, Sebastian Fiedler im Namen des Bundesvorstands viel Erfolg beim anstehenden Wahlkampf zu wünschen. Ich will – auch wenn es für den BDK einen herben Verlust darstellt – die Hoffnung zum Ausdruck bringen, dass er am 26.09.21 erfolgreich sein wird, um unsere Interessen künftig als Mitglied des Deutschen Bundestages in Berlin zu vertreten. Eine bessere Vernetzung ist sicher kaum möglich!
Die Flutkatastrophe – Netzwerke, Anteilnahme und Hilfsbereitschaft
Vernetzung – ein Stichwort, das jenseits der aktuell geführten Diskussionen, Prognosen und Berichterstattungen zur anstehenden Bundestagswahl am 14.07.21 ganz plötzlich in einem völlig anderen Zusammenhang so wichtig wurde. Die verheerende Flutkatastrophe in Teilen von Nordrhein-Westfalen und
Rheinland-Pfalz in der Nacht vom 14. auf den 15.07.2021 hat uns allen vor Augen geführt, wie schnell sich Prioritäten verschieben können.
Als Kriminalbeamtinnen und -beamte sind wir es doch eigentlich aus der dienstlichen Befassung gewohnt, damit umzugehen, dass Menschen von jetzt auf gleich mit einer völlig neuen Lebenswirklichkeit konfrontiert werden. Viele von uns haben in Seminaren gelernt, wie man Todesnachrichten überbringt, mit Opfern schwerer Straftaten umgeht und das Leid anderer Menschen in aktenfähigen Vermerken niederlegt.
Ich für meinen Teil habe festgestellt, dass mich die schrecklichen Bilder aus den betroffenen Regionen trotzdem tief berührt haben. Ich habe wahrgenommen, dass die Ereignisse bei unseren Kolleginnen und Kollegen – einige waren unmittelbar oder im Familien- und Freundeskreis betroffen – eine große Anteilnahme ausgelöst haben. Auch im BDK hat diese Katastrophe, insbesondere in den Landesverbänden Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz, eine große Bestürzung ausgelöst. Ich empfehle Ihnen hierzu die Lektüre der betreffenden Landesteile am Ende dieser Ausgabe!
Neben den beschriebenen dienstlichen Befassungen sind uns Meldungen zu menschlichem Leid, Tod, Flucht, Vertreibung, also Katastrophen jeglicher Art, durch die mediale Begleitung mittlerweile leider sehr vertraut. Gleichwohl, das ist für mich jedenfalls eine Feststellung, die hoffen lässt, lösen solche Ereignisse bei den allermeisten Menschen Reaktionen aus, die sich mit Mitgefühl und Hilfsbereitschaft, vielleicht auch mit Nächstenliebe, umschreiben lassen.
Die Bewältigung der Folgen dieser Katastrophe, der Umgang mit den psychischen und physischen Schäden wird lange andauern. Vielleicht werden viele Schäden auch gar nicht mehr zu heilen sein. Den Opfern und ihren Angehörigen gilt jedenfalls unser tiefstes Mitgefühl, verbunden mit der Hoffnung, dass sie in dieser schweren Zeit Unterstützung erfahren.
Uns allen sollte bewusst sein, dass die Reaktion auf solche Katastrophen und der Umgang mit ihren Folgen maßgeblich durch ein Netzwerk von haupt- und ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern, Polizei- und Rettungskräften jeglicher Couleur getragen wird, denen ich an dieser Stelle von ganzem Herzen für ihren Einsatz danken möchte und Ihnen wünsche, dass Sie gesund wieder zu Ihren Familien zurückkehren.
Wie geht es im BDK weiter?
Neben dem möglichen Ausscheiden unseres Bundesvorsitzenden stehen dieses Jahr weitere Veränderungen im BDK an, die wir anlässlich unseres Bundesdelegiertentages im November in Suhl diskutieren und entscheiden müssen. Unsere Delegierten werden einen neuen geschäftsführenden Bundesvorstand wählen, zahlreiche Anträge zu kriminalpolitischen Themen
diskutieren, aber auch den Verband im Hinblick auf seine Satzung und die damit verbundenen Strukturen und Ordnungen neu aufstellen.
Auch in unseren Landesverbänden/Verbänden gab es und wird es bis zum Bundesdelegiertentag in Suhl noch zahlreiche personelle Veränderungen in den Vorständen geben, so dass wir in der neuen Legislaturperiode zahlreiche „neue“ Kolleginnen und Kollegen im Bundesvorstand begrüßen dürfen. „Läuft ja“, so könnte das Resumee an dieser Stelle lauten. In weiten Teilen trifft diese Zustandsbeschreibung für unseren Verband auch zu, zumal alle Mitglieder des Bundesvorstands in den letzten Jahren erheblich dazu beigetragen haben.
Sehr gute Mitgliederentwicklung, Finanzen geordnet, gute Pressearbeit, hervorragende Netzwerke, neue Geschäftsstelle – alles schick. Wenn da nicht immer wieder diese Stille aufkommen würde - sie tritt häufig bei Vorstandssitzungen auf, wenn gefragt wird, wer künftig eine Funktion übernehmen möchte. Nach dem Motto, wer zuerst die Nerven verliert, braucht davon sehr viele, das neue Amt künftig neben allen anderen Anforderungen auch
auszufüllen.
Die Diagnose, ob es sich um die Generation Y oder Z handelt, hilft bei der Problemlösung nur bedingt. Wir müssen zur Kenntnis nehmen und sollten darüber zunächst auch froh sein, dass die Bedeutung von Familie und Freizeit sowie deren Vereinbarkeit mit dem beruflichen Alltag zugenommen hat. Es hilft auch die
Erkenntnis nicht weiter, dass der Beruf hier und da als ein Teil des Lebens identifiziert wird, der dafür Sorge trägt, dass die finanziellen Bedürfnisse durch ein geregeltes Einkommen für die Familie und die Freizeitaktivitäten gesichert sind. Wir müssen akzeptieren, dass die Anzahl der „Ermittlerinnen und Ermittler“, die montags zum Dienst kommen und beleidigt sind, wenn sie am Wochenende nicht verständigt wurden, als der erwartete Einsatz stattfand, rückläufig ist. Die Belastungen der kriminalpolizeilichen Sachbearbeiter/-innen und Tarifbeschäftigten haben in den letzten Jahren an Quantität und wegen des Professionalisierungsgrades krimineller Gruppierungen erheblich zugenommen. Rechtsextremismus, Sexueller Missbrauch von Kindern, Kinderpornografie, massive Zunahme der Rauschgiftkriminalität, Krypto-Handy’s – man könnte die Liste endlos weiterführen, ohne natürlich zu vergessen, dass die Folgen der Corona-Pandemie und die schrecklichen Ereignisse im Zusammenhang mit der Flutkatastrophe nicht spurlos an uns und unseren Familien vorbeiziehen. Hinzu kommen zahlreiche „Nebenämter“, deren Erledigung von uns erwartet wird. Asservatenverwaltung, Stellungnahmen zu zahlreichen Grundsatzfragen, Zusatzdienste am Wochenende, Materialverwaltung oder Beschaffung von Ausrüstung, um nur einige Beispiele zu nennen, die mit der klassischen Ermittler/-innen-Rolle nichts zu tun haben.
Und dann auch noch der BDK?
Der kriminalpolizeiliche Alltag lässt derzeit kaum Freiräume für das Ehrenamt, dessen Wichtigkeit durch Politikerinnen und Politiker so gerne herausgestellt wird, ohne die notwendigen Freiräume hierfür in dem erforderlichen Umfang gesetzlich zu normieren. Die Realität stellt sich leider eher so dar, dass mittlerweile sogar bei besonders engagierten Kolleginnen und Kollegen der Kriminalpolizei festzustellen ist, dass ihre Bereitschaft, sich über den alltäglichen Dienst hinaus in einem Berufsverband wie dem BDK zu engagieren, in den letzten Jahren tendenziell immer weiter gesunken ist.
„Ich helfe gerne aus, wenn es dienstlich passt – ein offizielles Amt will ich aber nicht übernehmen, schon gar nicht in der ersten Reihe.“
Mit solchen und ähnlichen Antworten werden wir bei der „Nachwuchssuche“ häufig konfrontiert. Sie sind in den allermeisten Fällen weniger dem Desinteresse als vielmehr der Belastung geschuldet, die derzeit dienstlich auf (zu) wenigen Schultern verteilt
wird. Vielfach besteht bei den angesprochenen Kolleginnen und Kollegen auch keine klare Vorstellung über den Umfang einer Tätigkeit für den BDK, die natürlich sehr stark vom eigenen Engagement bestimmt wird. Weiterhin ist vor allem jüngeren
Kolleginnen und Kollegen nicht klar, welche Inhalte eine solche Verbandsarbeit hat und welche Aspekte wichtig sind, um erfolgreich zu sein. Insbesondere jüngere Kolleginnen und Kollegen mit einem grundsätzlichen Interesse an einer Mitarbeit im BDK sollten wissen, dass ein Engagement zahlreiche Gestaltungsfelder bietet. Je nach eigener Interessenslage ist zum Beispiel von der Verwaltung der Finanzen als Schatzmeister/in, über die Medien- und Pressearbeit, die Mitgliederbetreuung, die Mitarbeit in unseren zahlreichen Fachbereichen und Kommissionen bis hin zu einem Vorstandsamt alles möglich. Wir freuen uns über jede Art der Beteiligung.
Das verständliche Unwissen über eine zusätzliche BDK-Funktion überwiegt leider häufig das ebenfalls vorhandene Unwissen darüber, welche Bereicherung eine solche Funktion für einen selbst sein kann. Deshalb möchte ich hier ein Plädoyer für ein Engagement im BDK auf allen unterschiedlichen Ebenen über die Bezirks-, Kreis-, Direktions- oder Orts- und Landesverbände bis hin zum Bundesverband halten. Ich hoffe, dass diese Argumentation verfängt und motiviert, den ersten Schritt in die Gewerkschaftsarbeit zu gehen.
Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland Art 9
Abs. 3 (Auszug)
(3) Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und
Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig.
Die Koalitionsfreiheit ist eines der wesentlichen Grundrechte, die
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern das Recht einräumt, zur Durchsetzung ihrer Interessen Vereinigungen zu bilden. In Art. 9 Abs. 3 GG wurde ergänzend formuliert, dass aus den Tätigkeiten in Vereinigungen, unter denen auch die
Gewerkschaften zu subsumieren sind, keine Nachteile für die handelnden Personen entstehen dürfen. Diese Formulierung wurde aus gutem Grund gewählt, da die schrecklichen Erfahrungen der Naziherrschaft eben auch zur Folge hatten, dass Gewerkschaftsarbeit für viele Funktionäre und teilweise auch für die Gewerkschaftsmitglieder erhebliche Nachteile mit sich brachte.
Was bringt mir das?
In meiner langjährigen Tätigkeit in unterschiedlichen Funktionen des BDK in Hessen und im Bundesvorstand habe ich mehrfach erleben müssen, wie versucht wurde, Gewerkschaftsarbeit schlecht zu machen. Ich wurde damit konfrontiert, dass Vorgesetzte, vor allem gegenüber jüngeren Kolleginnen und Kollegen, zum Ausdruck brachten, dass der Dienst, aber auch die Karrieremöglichkeiten, unter der Gewerkschaftsarbeit leiden.
Solche Vorwürfe kamen natürlich nur von Vorgesetzten, die speziell die Arbeit des BDK für die Kriminalpolizei, die Kriminalitätsbekämpfung und Kriminalpolitik nicht einschätzen konnten oder nicht einschätzen wollten. Leider führt auch der Verweis auf Art. 9 GG in solchen Fällen nicht immer zu einem Einsehen, zumal die betroffenen Kolleginnen und Kollegen häufig auf die Durchsetzung ihrer Rechte mit dem Hinweis „dann bin ich bei der Führung unten durch“ verzichten. Ich hatte allerdings im Laufe meiner Tätigkeit für den BDK auch vielfach die Gelegenheit, Vorgesetzte kennenzulernen, denen bewusst war, wie wichtig
Gewerkschaften für die Verbesserung der Bedingungen (kriminal-) polizeilicher Arbeit, aber auch für die Fortentwicklung einer pluralistischen Gesellschaft insgesamt und im Falle des BDK für die Kriminalpolitik sind. Ich hoffe, dass ich für alle Funktionäre/-innen im BDK sprechen kann, wenn ich feststelle, dass Politiker/-innen, aber auch die polizeilichen Führungskräfte zunehmend die Beratung und den Austausch mit Vertreter/-innen von Gewerkschaften begrüßen, sie sogar vielfach auch suchen.
Sie schätzen solche Beratungen der Fachlichkeit vermutlich auch deshalb, weil wir nicht in behördliche Hierarchien eingebunden sind, sondern die Interessen der Mitglieder unseres Verbandes vertreten. Unsere gewerkschaftliche Beratung ist immer interessengeleitet und zwar zugunsten des Arbeitsumfeldes und der Arbeitsbedingungen unserer Mitglieder. Sie resultiert vielfach aus den jeweiligen Beschlusslagen des Bundes- oder Landesvorstandes und ist daher transparent und verlässlich. Unsere Beratung unterliegt vor allem keinem politischen oder ministeriellen Zwang, der verhindern könnte, festgestellte Mängel in der Personal- oder Finanzausstattung, bei der Gestaltung des Rechts oder den Arbeitsbedingungen nicht öffentlich zu artikulieren.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Wahrnehmung einer Funktion im BDK bedeutet keine Bindung auf Lebenszeit.
Es besteht immer die Möglichkeit, zunächst nur zu hospitieren und sich nur zeitlich begrenzt in einem bestimmten Themenfeld zu engagieren. Erst hierdurch wird es möglich sein, die Chancen zu erkennen, die der BDK bietet. Voraussetzung hierfür sind aktive Bezirks-, Kreis-, Direktions- oder Orts- und Landesverbände, die einerseits Ideen entwickeln, diese dann umsetzen und vor allem zulassen, jungen Kolleginnen und Kollegen den Raum zu geben, eigene Vorstellungen einzubringen und umzusetzen.
Stärkung der Persönlichkeit
Die Verbandsarbeit für den BDK führt wegen der ständigen Beschäftigung mit unterschiedlichsten politischen, polizeilichen und gewerkschaftlichen Themen zu einer großen Erweiterung des eigenen Horizonts. Man ist nicht mehr „nur“ Sachbearbeiter/-in oder Vorgesetzte/-r in einer bestimmten Funktion, sondern vertritt relativ umfassend die sich mittlerweile auf über 50 Jahren entwickelnde
Programmatik des BDK und kann sich vielfältiger Quellen bedienen, um das eigene Wissen zu erweitern. Der BDK besteht aus einem bundesweiten Netzwerk von Experten/-innen für alle Bereiche der kriminalpolizeilichen Arbeit sowie der damit verbundenen taktischen und rechtlichen Fragestellungen. Er bietet seinen Mitgliedern insofern vielfältige Möglichkeiten, sich dienstlich weiterzuentwickeln. Unsere Verbandsarbeit, jede Diskussion in den Vorständen, mit der politischen und polizeilichen Führung, Medienvertretern/-innen u. a. erweitert das Wissensspektrum. Wir erhalten vielfältige Einblicke in politische Entscheidungsprozesse, sind bei Anhörungen zu Gesetzgebungsverfahren auf Bundes- und Landesebene beteiligt und haben somit die Möglichkeit, die „kriminalpolizeiliche Expertise der Basis“ einzubringen. Diese Tätigkeiten stellen aus meiner Sicht eine Bereicherung für einen selbst dar. Sie können auch in die Dienststellen getragen werden, in denen viele Kolleginnen und Kollegen tätig sind, die diese politischen Entscheidungsprozesse und Beratungen durch den BDK nicht kennen.
Was wäre, wenn es den BDK nicht gäbe?
Der BDK hat in seiner mehr als 50-jährigen Verbandsarbeit viele Verbesserungen zugunsten der Beschäftigten in der Kriminalitätsbekämpfung erreicht. Viele Normen der Strafprozessordnung, der Straf- und Nebengesetze haben ihre Grundlage in Initiativen des BDK. Viele Erlasse der Innenministerien, viele Entscheidungen zur Verbesserung der Personalstruktur, zur Verbesserung der Stellenpläne, zur Beschaffung von Hard- und Software, zur Verbesserung der
Arbeitsplatzgestaltung, zugunsten von Kriminaldauerdiensten, zum Home-Office, zur Stellenbewertung, Besoldung und Versorgung resultieren aus unseren Initiativen.
Der BDK hat schon in vielen Bundesländern Polizeiorganisationen mitgestaltet und muss sich dabei immer wieder den meist völlig anders gelagerten Interessen der Gewerkschaft der Polizei, aber teilweise auch der Deutschen Polizeigewerkschaft im Beamtenbund entgegenstellen.
Je stärker der BDK, je ideenreicher und vielfältiger die Zusammensetzung seiner Funktionsträger/-innen ist, umso eher werden wir uns in einer Zeit durchsetzen, in der eine wirkungsvolle Kriminalitätsbekämpfung und -prävention sich immer mehr zu einer wesentlichen gesellschaftlichen Frage entwickelt.
Es lohnt sich, für den BDK und seine Ziele zu arbeiten. Worauf also warten?
Herzliche Grüße
Ihr Dirk Peglow