Empfehlungen der SEK-Kommission umgesetzt oder Chance vertan?
14.08.2020
Minister Lorenz Caffier und Staatssekretär Thomas Lenz gaben bekannt, dass u.a. folgende Maßnahmen geplant seien:
- das SEK MV sowie die Verhandlungsgruppe und das Konfliktmanagement werden vom Landeskriminalamt (LKA) zum Landesbereitschaftspolizeiamt wechseln,
- das Mobile Einsatzkommando (MEK) verbleibt im LKA,
- das SEK wird künftig der Behördenleitung direkt unterstellt,
- in einer zukünftigen Dienstanweisung werden Verweildauer und Altersgrenzen des SEK verkürzt,
- das SEK verbleibt zunächst in Rampe, soll später nach Waldeck umziehen,
- die Auswahl neuer Mitarbeitender in den Spezialeinheiten soll zukünftig unter besonderer Berücksichtigung der Psyche und der politischen Grundhaltung der Bewerber*innen erfolgen,
Die Vorschläge hören sich gut an und werden von außenstehenden Betrachtern sicherlich als akzeptabel angesehen. Nur der weit überwiegende Teil der betroffenen Behörden und Diensteinheiten sieht die Maßnahmen durchaus kritisch.
Weshalb? Die Skepsis entwickelte sich spätestens zu dem Zeitpunkt der Nicht-Veröffentlichung und Einstufung des Gesamtberichtes der SEK-Untersuchungskommission als geheime Verschlusssache. Wir fragen uns:
"Was muss der Bericht für eine stramme Kritik an der Führungskultur in unserer Landespolizei, dem Führungsverhalten einzelner Leiter*innen und der offenbar fehlenden Fachaufsicht aus dem Ministerium heraus enthalten haben, um zur Geheimsache erklärt und nicht veröffentlicht zu werden?"
Die eingesetzte Arbeitsgruppe unter Leitung von Staatssekretär Lenz sollte im Anschluss Umsetzungsvorschläge auf der Grundlage des SEK-Untersuchungsberichtes erstellen. Dazu wurden wiederum Unterarbeitsgruppen gebildet, u.a. in den betroffenen Behörden LKA und Bereitschaftspolizei. Allerdings hatten diese Unterarbeitsgruppen, und dass erwähnt die Pressemitteilung natürlich nicht, gar keine Wahl im Hinblick auf den Umzug des SEK in Richtung Bereitschaftspolizei. Sie hatten lediglich vier Varianten zu prüfen, die alle einen Umzug des SEK mit mehr oder weniger anderen Spezialeinheiten und –kräften enthielten. Zumindest die abschließenden Berichte der Unterarbeitsgruppen LKA und Bereitschaftspolizei enthielten dann auch deutlich die Einschätzungen, dass jede sich aus den vier Varianten ergebende Veränderung eine Verschlechterung des aktuellen Zustandes darstellt.
Und von einer Umsetzung der Empfehlungen der SEK-Kommission kann auch nur eingeschränkt gesprochen werden. Ein wesentlicher Teil der Empfehlungen war eine personelle Aufstockung des SEKs um 15 weitere Mitarbeiter*innen. Nach dem Willen der Spitze des Innenministeriums soll nur ein geringer Personalzuwuchs zugelassen werden, um die Führung besser zu organisieren. Das hört sich für uns eher orakelhaft an, denn kritisiert wurden Führungskultur und Führungsfehler, und das eben nicht nur im SEK.
Das Mobile Einsatzkommando (MEK) soll im LKA verbleiben. Eine nachvollziehbare und zu begrüßende Entscheidung. Jedoch ist aus den Handlungsempfehlungen in der Kurzfassung der Kommission zu entnehmen, dass "zur Gewährleistung der organisatorischen Rahmenbedingungen für eine effiziente Aufgabenwahrnehmung und mitarbeiterorientierte Führung mehrere Veränderungen in der Aufbauorganisation" vorgeschlagen wurden.
Für Höchstalter und Verwendungszeit im SEK, Fortbildung, Karriere und Anschlussverwendung werden gerade Dienstanweisungen entwickelt. Insbesondere beim Höchstalter und der Verwendungszeit sehen wir ein größeres Konfliktpotential. Bereits kurz nach der Aufdeckung möglicher rechtsradikaler Tendenzen im SEK im Jahre 2019 wurde eine solche Anweisung im Schnellverfahren erstellt, und sie stieß umgehend auf eine weitgehende Ablehnung bei den Spezialeinheiten und –kräften. Damals war die Höchstverwendungsdauer auf zehn Jahre festgeschrieben, mit einer Verlängerungsoption um weitere fünf Jahre. Zum einen hätte das die Spezialeinheiten bei sofortiger Umsetzung fast halbiert, zum anderen trugen erfahrene, lebensältere Spezialist*innen vor, dass Einsatzbeamte ohnehin erst nach etwa fünf Jahren als vollständig ausgebildet, erprobt und im Team hundertprozentig funktionierend gelten. Wenn diese Fachkräfte schon nach weiteren fünf Jahren wieder aussickern sollen, stellt sich die Frage nach Aufwand und Nutzen einer teuren und langfristigen Aus- und Fortbildung von Spezialkräften. Nach unserer Meinung haben Verweildauer und Höchstverwendungsalter auch nichts mit einer möglichen Radikalisierung oder Kriminalisierung zu tun. Wie die SEK-Untersuchungskommission schon feststellte, wurden die radikalen Gedanken von außen, durch ehemalige Bundeswehrsoldaten in das SEK hineingetragen. Das hätte übrigens genauso in der Bereitschaftspolizei oder anderen Teilen der Landespolizei passieren können. Und ob eine Anbindung des SEKs direkt bei der Behördenleitung solches Tun verhindern kann, darf ebenfalls bezweifelt werden.
Wie zu erwarten war, wird das SEK dennoch für die nächsten Jahre am Standort Rampe verbleiben, bis in der Polizeiliegenschaft Waldeck die notwendigen Bauten errichtet worden sind. Dazu gehören Trainings- und Unterkunftsräume einschließlich der Garagen und Munitionsbunker. Hinzu kommt noch eine öffentlich nie diskutierte, intern aber stets aufgeworfene Frage nach der Betreuung des SEKs in allen Belangen der Verwaltung. Mit dem Umzug ist eben auch eine technische, personaltechnische, beschaffungstechnische und sonstige logistische Betreuung notwendig. Hierfür sind wiederum mehrere Fachkräfte erforderlich, die von der neuen Behörde zu stellen sind. Einschließlich der Kosten für einen neuen Schießplatz der Spezialeinheiten dürften diese sich vermutlich zwischen 20 und 30 Millionen Euro bewegen, wenn unser Innenminister schon zehn bis 15 Millionen Euro für den Schießstand veranschlagt. Steht dieser enorme Mehraufwand in einem vertretbaren Verhältnis zur Empfehlung der SEK-Kommission?
Es sei noch einmal daran erinnert, das Gros der Landespolizei selbst schätzt jede Veränderung bei den Spezialeinheiten als Verschlechterung des Ist-Zustandes ein.
Die Personalauswahl für einen Einsatz in den Spezialeinheiten wird nunmehr nach standardisierten Abläufen folgen. Es soll die persönliche Grundhaltung erforscht und die Auswahl durch psychologische Fachkräfte begleitet werden. Auch hier sagt die Empfehlung der SEK-Untersuchungskommission weit mehr aus. Sie regt diese Methodik auch bei allen Ersteinstellungen in die Landespolizei an, und dem können wir nur beipflichten. Es ist ohnehin nach unserer Meinung schon sehr lange erforderlich, weit mehr soziologischen und psychologischen Sachverstand in unsere Landespolizei einzubringen.
Als BDK sehen wir, dass sich etwas in der Landespolizei bewegt und die Richtung grundsätzlich richtig ist, allerdings ist unverständlich, warum man sich "nur" am SEK abarbeitet. Den Empfehlungen der Untersuchungskommission wurde nur teilweise gefolgt und es gab (noch) keine offizielle Anmerkung zu einer Ausdehnung der gewonnenen Erkenntnisse auf die gesamte Landespolizei.
Neben einigen Kritikpunkten wollen wir uns auch durchaus positiv äußern und verweisen auf die persönlichen Anmerkungen in der offiziellen Pressemitteilung des Innenministeriums:
"Wir werden gemeinsam alles dafür unternehmen, dass jegliche rechtsextremistische oder andere verfassungsfeindliche Bestrebung frühzeitig aufgedeckt und im Keim erstickt wird", so Innenminister Lorenz Caffier. Und weiter: "Der Bericht der SEK-Kommission und die Ergebnisse der Arbeitsgruppe sind kein Schlussstrich. Sie mahnen uns, weiterhin jeden Tag genau hinzusehen, zu hinterfragen und jeden Hinweis auch in Zukunft ernst zu nehmen."
Hier nehmen wir das Ministerium und den Minister gerne beim Wort und sehen mit Spannung einem weiteren persönlichen Austausch entgegen.
Der Landesvorstand