Ein offener Brief an den Rostocker Polizeipräsidenten
02.04.2012
Sehr geehrter Präsident, Herr Laum, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
am 16. März hatte jeder Polizist des Präsidiums Rostock von seinem Präsidenten Post im Fach.
Was war passiert?
Polizisten hatten mit Hilfe der Presse ihre Führung ins Visier genommen, titelte die OZ. Einen zweiten Artikel, überschrieben mit, Polizist beklagt schlechte Personalpolitik, (ebenfalls OZ), möchte ich in meine nachfolgende Betrachtung des Themas einbeziehen. Wörtliche Bezüge auf die Artikel und den Mitarbeiterbrief werde ich kursiv deutlich machen.
Ich begrüße die Einladung meines Präsidenten und nehme sie an, mich bereits jetzt an dieser Umfrage offen und ehrlich zu beteiligen.
Ein Sichtgedanke: Herr Präsident, Sie sehen in der anonymen Medieninanspruchnahme kein(en) guter(en) Stil. Ich erkenne vor allem die offensichtlich große Not, die Kollegen zu diesem Mittel greifen ließ. Der Gedanke Volker Werner‘s, über unsere Organisation von einer Familie zu sprechen, ist sehr passend. Ich greife ihn in meinen folgenden Ausführungen gern auf. Wenn Kinder sich im Familienverband nicht trauen die Wahrheit zu sagen, ohne Furcht vor Bestrafung offen und ehrlich ihre Meinung äußern können, dann führt das zu Konflikten, die nach außen drängen, wie Dampf in einem Kessel sich zum Druck aufbaut, den der nicht mehr aushalten kann. Interessanterweise werden die Personalvertretungen, als Lieblingsonkels, um im Familienbild zu bleiben, nicht als Vertrauenspersonen angenommen. Wenig verwunderlich allerdings, wenn der Gewerkschafter Norbert Warnke keinen Überhang an Obermeistern sieht und das Thema für ihn nur nicht erfreulich ist. Auf die Furcht vor Strafe komme ich später noch einmal zurück.
Analyse der Kritiken, Schlussfolgerungen und Vorschläge
Die Kritiken berühren vier Problemfelder. Ein fünftes liegt mir noch am Herzen, der 4. Punkt.
- Beurteilung und Beförderung
- Dienstgradmaß
- Zu frühe Beförderung – Nichtinvestition in Erfahrung
- Verwalterei
- der Umgang miteinander
In meiner Betrachtung werde ich in der altvertrauten Bezeichnung der Laufbahnen bleiben.
Beurteilung und Beförderung
Die geltenden Beurteilungs- und Beförderungsvorschriften sind Instrumentarien, welche in ihrer Praxisausübung den eigenen Präambeln widersprechen, sich damit selbst in den Schwanz beißen.
Ein Anriss der Problematik:
a) Jeder der damit befasst ist weiß, eine ehrliche Bewertung ist nicht möglich. Sie scheitert an den Quoten. Eben hatte das Familienmitglied noch das Prädikat „gut“ nun muss es als „Quotenschwein“ schlecht sein. Ein Gedanke dazu: Der Polizist wird in aller Regel allein schon durch sein Erfahrungswissen im Laufe der Jahre immer besser. Wie lange, auf welche Weise und wann die Schwester/ der Bruder aus der Quotenschweinkuhle wieder raus kommen, sagt ihnen keiner. - Die Lüge setzt sich fort. Aber auch der Beurteilende wird damit in Konflikte gestoßen. Transparenz, die Sie, Herr Präsident, zu Entscheidungen und Abläufen erhöhen wollen, ist auf diesem Feld Null. Kein Betroffener weiß, welchen Rankingplatz, um es mal neudeutsch zu sagen, er inne hat. Nichttransparenz öffnet Missbrauch Tür und Tor. Transparenz ist Teil des offen und ehrlich(en) Miteinanders und das Fundament der Motivation. Gleichzeitig beugt sie unfairem Verhalten vor, gemeint ist: Wie dicht man am beurteilenden Vorgesetzten ist. Ein Beispiel dazu: Ein Familienmitglied ist für längere Zeit in Kommissionen und/oder BAO en abgeordnet. Mit dem Andauern schwindet das Interesse seiner Eltern, des unmittelbaren Vorgesetzten und des Erstbeurteilers, an der Förderung dieses Mitgliedes, denn er steht ihnen nicht zur Organisierung der Erfolge in dem übertragenen Verantwortungsbereich innerhalb der Familie zur Verfügung, und auch nicht dem damit verbundenen Aufstieg in der Familienhierarchie. Sie werden sich also auf Familienmitglieder stützen, die ihnen diese Dienste leisten können. Nur an ihrer Förderung haben sie ein, eben auch eigennütziges, Interesse. Beträgt die Verweildauer in den Abordnungen nicht mindestens ein halbes Jahr, fordern die Instrumente keine Berücksichtigung. Eine Mitarbeit in Aufrufstrukturen ist in der Ruhephase durch Qualifizierungs-maßnahmen, Übungsteilnahme und erhöhte Einsatzbereitschaft geprägt. Diese zusätzlichen Aufgaben, in aller Regel freiwillig übernommenen, werden für die ganze Familie erbracht. Aber diese, bis hin zu ihrem Oberhaupt, lässt zu, dass solche zusätzliche Leistung nicht gewürdigt wird. Eine Anerkennung sehen die Instrumentarien nicht vor. Wie soll sich das Mitglied dabei fühlen, ohne Wertschätzung seiner freiwilligen Mehrleistung im Interesse der großen Familie?
Vorschlag: Wertung als Verwendungsbreite in zu schaffenden Kriterien für die Erlangung des Status Spezieller Ermittler/Streifenführer V.
b) Die Handhabung der Instrumente frisst ungeheure Kraft und Zeit auf beiden Seiten des Tisches. Nährwert/Ergebnis: Unüberbrückbare, in der Regel lange schlummernde Konflikte bei den Familienmitgliedern, Demotivation, Frust, erhöhter Krankenstand, Langzeiterkrankungen.
Ein Instrumentarium, welches den Ansprüchen einer gebildeten, hoch motivierten Polizei kontraproduktiv gegenüber steht, muss weg. Es gilt nicht nur in unserem Bundesland, dies abzuschaffen.
Vorschlag: Etappenbeförderung auf einer Zeitschiene bis zu einem Mindestendamt. Nur Verfehlungen strecken diese Etappen. Wer treu und redlich dient, hat Anspruch auf die pensionswirksame Beförderung in das Mindestendamt, und das muss heißen: Für den mittleren Dienst die A 9. Im gehobenen Dienst die A 11, für den speziellen Ermittler der K/ den Streifenführer V in S. Haushaltstechnische Langzeitplanungssicherheit wird erreicht. Besondere Leistungen im mittleren Dienst können mit dem sogenannten „Ritterschlag“, auch ideell, gewürdigt werden.
Dieses Fürsorgeziel Mindestendamt können wir als Familie auch mit den bestehenden Instrumenten gestalten. Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg!
Unsere Familie darf ihre Kinder nicht mit einem Hungerlohn, oder anders gesagt, mit materieller Nichtwürdigung, nach in der Regel jahrzehntelangem Dienst, in ihr Leben außerhalb der Familie entlassen. Gerade durch die Wachtmeister und Ermittler wird die ständig steigende Arbeitslast in unserer Familie, in aller Regel in guter Qualität und mit hoher Einsatzbereitschaft bewältigt. Sie prägen unsere Außenwirkung.
Lösen wir diesen Kernpunkt der Kritik, Beurteilung und Beförderung, wird wieder Frieden in die Familie einkehren.
Dienstgradmaß
Bereits seit der vorletzten Polizeireform zeichnet sich das Bild einer Führung durch immer mehr angehobene Dienstgrade, eine Silber- und Goldsternschwämme ist daraus geworden. Aus den Aufgaben sich ableitende sachliche Gründe dieser Anhebung sind nicht erkennbar.
Das kostet. Wer bleibt auf der Strecke? Antwort: Die Arbeitsbienendienstposten, an der Basis von S und K. Beispiel: Obermeister. Selbst Initiative ergreifen, wie es Volker Werner sagt, ist ein Teil der Wahrheit. Der andere Teil ist die zweigeteilte Laufbahn. Danach soll es Wachtmeister geben.
Als die zweigeteilte Laufbahn eingeführt wurde hieß es: Die A 9 Z wird abgeschafft, nicht die A 9. Und, wer weiter kommen will, muss sich qualifizieren. Nehmen wir mein Beispiel: Ich habe mich qualifiziert und hänge auf der A 10 fest. Da nützte mir auch nicht der Sprung über die irgendwann eingebaute Hürde Spezieller Ermittler. Bleiben wir mal bei dem. Wenn der Sinn machen soll, ist mit seinem erreichen eine entsprechend hohe Leistung, Eignung und Befähigung nachgewiesen. (Analog Streifenführer V.) Zurück zur zweigeteilten Laufbahn. Bereits während meiner Zeit an der Schule in Güstrow wurde im Lande trotzdem weiter nach A 9 Z befördert, und wird es weiter. Ein Widerspruch.
Werden in der K die speziellen Ermittler in den Kriminalkommissariaten nicht durch befördert nach A 11, wird Kriminalpolizei für den Familiennachwuchs nicht attraktiv sein. Die Jungen werden zurück nach S abwandern, oder sich erst gar nicht für die K bewerben. Die Fachkompetenz, erworben durch Ermittlungserfahrung, wird weiter schwinden.
Zu frühe Beförderung – Nichtinvestition in Erfahrung
Junge Kollegen, gerade weil sie theoretisch gut ausgebildet sind, gehören erst einmal an die Basis der Polizeiarbeit, auf die Straße, an den Vorgang, und nicht in Stäbe. Auf der Schule stand auch zunächst Lernen auf dem Plan. Praxis läuft nicht anders. Polizeiarbeit ist Erfahrungsarbeit. „Erfahrung ist die beste Investition“ in Funktionsabläufe. Einigen Familienmitgliedern wird diese Erfolgsformel noch bekannt sein. (Das Rad muss auch bei der Polizei nicht dauernd neu erfunden werden.)
Was gegenwärtig läuft, ist Nichtinvestition von Erfahrung. Wertvolles Erfahrungswissen geht in allen Bereichen verloren. Die Folge ist jetzt schon, in unserer Familie werden verschiedene Gruppensprachen gesprochen, die jeweils die anderen Mitglieder nicht mehr verstehen. Die, die Streifenpolizeiarbeit in der Praxis nicht gelernt haben, oder beispielsweise eine Hausermittlung effektiv zu gestalten, werden diese Sprache nicht sprechen. Ich habe das Handwerk Kriminalpolizei noch von einem erfahrenen Hauptmeister gelernt.
Vorschlag: Wiedereinführung des Lehrwachtmeisters/des Lehrkommissars. Die Übertragung dieser Aufgabe an fachlich- und sozial kompetente Familienmitglieder bietet sich an.
Wer
sich an der Basis bewährt, durch Leistung hervortritt, soll und muss
gefördert werden. In diesem Sinne sind Fördergruppen kein
Widerspruch.
Ansatz der Kritik ist, dass die Auswahl dazu genau anders herum
verläuft, nämlich von der Schule in die Fördergruppe, in Stäbe.
Verwalterei
Sehr geehrtes Familienoberhaupt, Herr Präsident, mir klingen noch Ihre Worte in den Ohren, die Sie auf der Zusammenkunft im WIP-Bereich von „Hansa“ anlässlich Ihrer Vorstellung der Aufgaben in unserer neuen Großfamilie prägten: „Kriminalität“ wird zukünftig nicht bekämpft, sondern „verwaltet“ werden. Das aus ihrem Mund, war für mich nicht neu. Dieses Ziel gaben Sie schon in Ihrer Antrittsrede als Leiter der KPI Rostock an die Familie aus, also vor ca. zwei Jahrzehnten. Zum Glück haben sich nicht alle daran gehalten. Wie würde sonst unsere „geliebte PKS“ aussehen! Die Polizeiaufgabe, Straftaten zu erforschen und deren Verdunklung zu verhüten, sehe ich Jahr um Jahr weiter zurückgedrängt. Das ist verordneter Täterschutz.
Ein anderer Gesetzesauftrag steht nicht, fällt, und zwar immer tiefer, die Prävention. Beispiel Diversion: Die aktuell, wieder mal, im Munde geführte „Jugendspezifische Sachbearbeitung im Rahmen des Diversionsverfahrens“ ist mit der Organisationsstruktur, in der wir „verwalten“, nicht leistbar. Das geht schon so lange, wie dieses „Verwalten“ andauert, wir darüber reden, uns darum mühen. Jedenfalls funktioniert die Diversion nicht im Sinne der Sache, und der Richtlinie. Das sachbearbeitende Familienmitglied hat die Diversion wieder mal „an der Backe“. Die Familienführung verschafft sich einen ruhigen Schlaf mit der „Checklistenan-kreuztherapie“. An der Basis, der Arbeitsfront der Familie, wird weiter Personal geschrumpft. Die übrig bleiben, denen wird alles aufgenackt. Diese „Verwalterei“ mit hingenommenem Täterschutz und Präventionsstatisterie trübt die Freude am Tun in unserer Familie.
Es entsteht zunehmend der Eindruck, dass aus politischen Sparzwängen nicht mehr kreativ organisiert und rationalisiert wird, sondern nur noch Zahlen durchzudrücken sind.
Wer anhand der PKS die Arbeitsbelastung unserer Familie weiter messen will und daraus Sparzwänge diktiert, dem muss mit einem tatsächlichen Belastungskatalog entgegen getreten werden.
Der Umgang miteinander
Auf unserer Güstrower Bildungsakademie hatte ich im Fach Führungslehre vom kooperativen Führungsstil gehört. In der Praxis habe ich ihn nur ganz selten hervorluken sehen, wie ein Reh an der Waldkante, auf der Hut vor dem Wolf mit dem Namen „Führer geschlossener Einheiten“, der mit seinem Stiefel selbstständiges Denken und Handeln, andere Gedanken als die seinen, zertritt, getreu der alten mecklenburgischen Verfassung, in der geschrieben stand: § 1 Das Familienoberhaupt und seine Vasallen haben immer recht. § 2 Hat das Familienoberhaupt und/oder seine Vasallen einmal nicht recht, tritt automatisch § 1 in Kraft.
Im Ernst, ein höfliches und sachliches Miteinander gilt für alle Familienmitglieder, solange der Frieden der Familienvorsteher unberührt ist. Problemdiskussionen sind nur erwünscht, wenn diese von diesen selbst indiziert wurden. Aktuelles Beispiel: Die Art und Weise, wie den Mitarbeitern der K der Wegfall des „Bewegungsgeldes“ mitgeteilt wurde. Ein Leckerli ist dabei der Betrügerverdachtswink. Im vorgenannten Problemsinne charakteristisch. Weitgehend hat er ein Stillsein, keine offene Diskussion, in der Familie bewirkt. Nicht alle Lieblingsonkels melden sich zu Wort, bei diesem Psychoterror. Meiner, der BDK, ist dagegen aufgestanden. Ich legte am 29. Februar Widerspruch dagegen ein. Darüber kam ich mit Kollegen ins Gespräch. Ich kann ihre Antworten so zusammen fassen: Du kannst dir das leisten, du hast nicht mehr lange. Wir wollen nicht irgendwo hin versetzt werden. Ich will noch mal befördert werden.
Da ist sie, die Furcht vor Strafe. (Ich versprach, darauf zurück zu kommen.)
Muss man mehr über den Zustand unserer Familie wissen, wie wir miteinander umgehen? Doch: Mein Kleinfamilienführer begrüßt mich und die anderen nicht, die wir eine Etage tiefer als er wohnen, wenn er aus der Krankschreibung in der Dienststelle weilt, um seinen Urlaubsschein auszufüllen. Dabei auf seinen Obolus für ein Präsent an ein langzeit-krankes Mitglied angesprochen, überhört er das. Gegen unsachliche Verbalattacken seines Vertreters schreitet er nicht ein. Er stellt Negativbehauptungen auf, die einem Misstrauensantrag gleich kommen. Nach der Quelle solcher Erkenntnisse gefragt, konnte er diese nicht nennen. Er gibt seinen, den ihm unterstellten, Familienangehörigen die Schuld daran, dass er schlecht beurteilt wurde. Ich möchte mir nicht vorstellen, dass er an der Erstellung meiner Beurteilung mitwirkt. So greift eins ins andere!
Auch in diesem Fall fängt der Fisch am Kopf zu stinken an. Welche Umgangskultur wird von oben nach unten gepflegt, wie wird auf Missbildungen Einfluss genommen? Handeln gegen Misstöne ist angesagt.
Auf meinen Widerspruch gegen den Stopp der Zahlung des „Bewegungsgeldes“ habe ich von Ihnen, Herr Präsident, außer einer Lesebestätigung meiner Mail, noch keine Antwort.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr, Euer Nicolai Ludwig