Diskussionsrunde zum Thema „Luftsicherheit“ - Kein nennenswertes Einsparpotential identifziert

19.10.2016

Potsdam, 16.10.16 - Die anhaltenden Abordnungen großer Teile des Bundespolizeipersonals an die Großflughäfen, deren ständiger Expansion und der damit verbundene unstillbare Hunger nach immer mehr Personal haben auch beim BDK Bundespolizei die Frage aufgeworfen, ob und wenn ja wie, die Funktionsfähigkeit der Flughafen-Dienststellen mit deutlich weniger Personal erhalten werden kann.
Diskussionsrunde zum Thema „Luftsicherheit“ - Kein nennenswertes Einsparpotential identifziert

Damit einhergehend wollten wir die Frage diskutieren, ob die Kernaufgabe Grenzschutz und die Aufgabe Luftsicherheit voneinander zu trennen sind. Damit gepaart dann auch die Frage, ob die Luftsicherheit möglicherweise von privaten Dienstleistern oder einer Art Bundesbehörde wie die amerikanische TSA oder als eine Mischform aus Aufgaben- und Organisationsprivatisierung in Form einer AG oder GmbH praktisch als „Public Private Partnership“ (etwa wie DB AG) erledigt werden können oder eben alles so bleiben muss.

Im Rahmen seiner Vorstandssitzung vom 10.-12.10.2016 in Potsdam lud der BDK-Verband Bundespolizei am 11.10.16 in die Räume der Debeka-Landesgeschäftsstelle zu einer Diskussionsrunde ein, um dieser Frage nachzugehen und ggf. eine Lösung zu erarbeiten. Da auch Vorstandsmitglieder der DPolG BPOLG teilnahmen, lag ein besonderer Reiz in der Frage, ob ggf. gemeinsame Positionen vorhanden sind, bzw. abgestimmt werden können.

Neben den Vorstandsmitgliedern des BDK-Verband BPOL nahmen folgende Gäste an der Diskussionsrunde teil:

  • Thomas Striethörster, Präsident der Bundespolizeidirektion Berlin
  • Dr. Steffen Richter, LtPD, Bundespolizeipräsidium Potsdam, Referat 24
  • Ernst G. Walter, Bundesvorsitzender der DPolG Bundespolizeigewerkschaft Heiko Teggatz, 1. stv. BV der DPolG BPOLG
  • Franz-Eike Lange, stv. BV der DPolG BPOLG, Flughafen Frankfurt am Main Dirk Fischlein M.A., Geschäftsführer Securitas GmbH Aviation Service International
  • Michael Böhl, stv. Bundesvorsitzender des BDK

Im Rahmen der persönlichen Vorstellung erwähnte Dr. Richter, dass er bis 1991 an der Humboldt-Universität Kriminalistik studiert hatte und von der Kriminalpolizei Sachsen zur Bundespolizei wechselte. Auch Herr Fischlein konnte auf frühere Dienstzeiten bei der Kriminalpolizei Nordrhein-Westfalen sowie ein Kriminologie-Studium an der Ruhr-Universität Bochum verweisen. Michael Böhl arbeitet beim LKA Berlin im Bereich der BTM-Kriminalität, die ebenso starke Bezüge zur Luft-, aber auch Seefracht aufweist.

Thomas Mischke begrüßte die Diskussionsteilnehmer und moderierte die Runde. In seiner Einleitung betonte er, dass „Luftsicherheit“ eigentlich kein Kernthema des BDK sei. Gleichwohl müsste der BDK die schmerzlichen Abordnungsraten und die damit einhergehenden Belastungen aller beteiligten Dienstzweige der BPOL berücksichtigen und nach konstruktiven Lösungsansätzen suchen. Insbesondere der kollegiale Gedankenaustausch zwischen zwei verschiedenen Gewerkschaften könnte ggf. zu tragfähigen, gemeinsamen Positionen führen.

Präsident Striethörster verwies in seinem Impulsreferat auf die Anschläge an den Flughäfen in Brüssel und Istanbul im März und Juni 2016 sowie die Anschlagspläne eines Syrers auf einen Berliner Flughafen. In diesem Zusammenhang, der massive Gegen- bzw. Schutzmaßnahmen bedingt (z.B. mit schwerer Bewaffnung), konnte er gegenwärtig keine Kompensationsmöglichkeit durch „Private“ erkennen. Er sprach von einer konkreten Gefährdungslage, die auch das Lagebild des BKA bestätigen würde. Bei der Überprüfung der eigenen Maßnahmen falle insbesondere der erhebliche Personalmangel ins Gewicht, der erst in den nächsten Jahren sukzessive abgebaut werden wird.


Interessierte Zuhörer (v.l.n.r.: Heiko Teggatz, Ernst G. Walter, Steffen Richter, Dirk Fischlein)

Herr Fischlein stimmte dieser Einschätzung des Präsidenten grundsätzlich zu, sprach sich dennoch dafür aus, alle Möglichkeiten einer Aufgabenassistenz durch Privatfirmen auszuschöpfen.

Ernst G. Walter betonte, dass es sich bei der Aufgabenwahrnehmung im Bereich Luftsicherheit um reine „Terrorabwehr“ handle, die als hoheitliche Aufgabe auch zu 100% vom Staat wahrgenommen werden müsse. Dabei sei auch die Fähigkeit zur Verdachtsschöpfung durch Fahnder im Rahmen einer Verhaltensbeobachtung von Passagieren notwendig. Einsparpotential von Vollzugsbeamten sah er durch den vermehrten Einsatz zusätzlicher eigener Tarifbeschäftigter zur Erledigung aller administrativen Aufgaben, sei es bei der Eingabe von Anzeigen und Berichten, bei statistischen Erhebungen und Stundenerfassungen oder aber auch  bei operativen Routineaufgaben wie Durchsuchungen von Personen und Sachen, einfacher Bewachungstätigkeit, Personentransporten und ED-Behandlungen oder als auch Teil kombinierter MOT-Streifen auf dem Vorfeld.
Bei den Passagierkontrollen forderte er ein Ende der Privatisierung in diesem Bereich und sprach sich klar für eigene Luftsicherheitsassistenten aus.

Zwischenzeitlich kam das Thema Objektschutz (diverse Ministerien und der Goldschatz der Bundesbank) auf und damit verbunden die Frage, ob diese gegenwärtig durch PVB der BPOL erledigte Aufgabe nicht genauso gut in einer Mischform durch Tarifbeschäftigte/ BUK und PVB erledigt werden könne.

Thomas Mischke merkte an, dass abgeordnete Polizeivollzugsbeamte zum Teil ohne jegliche Orts-, und Aufgabeneinweisung bei der Luftsicherheit eingesetzt werden.

Dr. Richter kritisierte diese Beispiele als krasse Defizite im Führungsverhalten. Der Sinn der Luftsicherheits-Aufgabe müsse ausreichend vermittelt werden und das interessante Aufgabenfeld attraktiver gestaltet werden. Beispielsweise wurden Untersuchungen zur polizeilichen Verhaltensbeobachtung ("das auffällig unauffällige Verhalten") erwähnt, die in die Fahndungstätigkeit einbezogen werden müsste. Dr. Richter sah jedoch Einsparmöglichkeiten bei Vollzugsbeamten, die gegenwärtig vollzugsfremde, administrative Planungs- und Ausschreibungsaufgaben ausübten, auch wenn es sich hier nicht um erhebliche Personalanteile handelt.

Aus dem Vorstandskreis wurden Forderungen nach Spezialisierung, Urkunden-Fortbildung und einer verbesserten Personenerkennung (PIP, Profiling) erhoben. Bei Ausbildungsende seien die Laufbahnabsolventen nicht ausreichend qualifiziert, was u.a. auf veraltete Ausbildungspläne sowie unzeitgemäße Schwerpunktinhalte zurückzuführen sei.


Aufmerksame Diskutanten (v.l.n.r.: Thomas Striethörster, Thomas Mischke, Michael Böhl, Michael Labetzke, Christian Dreissig, Melanie Görgens, Franz-Eicke Lange)

Es folgte eine Diskussion um eine Spezialisierung gegen Ausbildungsende im Hinblick auf den Zieldienstposten. Dagegen wurde von den Gästen der hohe Personalbedarf für die Streifen- und Kontrolltätigkeit genannt. Im internationalen Vergleich sei es so, dass die Gepäck- und Passagierkontrollen entweder durch Polizisten beaufsichtigt werden oder auch nicht, was wiederum der jeweiligen Gefährdungslage geschuldet sein soll. Da Strafanzeigen im Bereich der Luftsicherheit grundsätzlich an das jeweilige Bundesland abgegeben werden müssten, sei der BPOL keine konkrete Auswertung der abgegebenen Vorgänge möglich.

Herr Fischlein hielt auf Nachfrage bewaffneten Kontrollstellenschutz der Passagierkontrollen und bewaffnete Streifentätigkeiten auch an Flughäfen durch professionelle Sicherheitsdienstleister am Beispiel Schwedens auch in Deutschland für realisierbar. Die Vertreter der DPolG setzten sich dagegen weiter für Aufsicht/Schutz der Kontrollstellen durch Vollzugsbeamte ein.

Für eine bundeseigene Institution/Behörde für die Luftsicherheit wurden zurzeit keine absehbaren Chancen gesehen, da sich das Luftfahrtbundesamt entsprechend vergrößert habe, das Verkehrsministerium von seinen Kompetenzen nichts abgeben wolle und auch die Länder, die an den nicht in der Zuständigkeit der Bundespolizei liegenden Flughäfen die Luftsicherheitsaufgaben im Rahmen der Bundesauftragsverwaltung durchführen, dem niemals zustimmen würden. Auch habe die Erfahrung aus den USA gezeigt, dass die dortige Konzentrierung aller Aufgaben in der TSA wiederrum zu anderen Problemen führte und daher wohl erneut über Änderungen nachgedacht werden müsse.

Im Ergebnis konnten – vor allem im Hinblick auf die gegenwärtige konkrete Gefährdungslage an den deutschen Flughäfen - keine nennenswerten Einsparpotentiale von PVB in der Luftsicherheit identifiziert werden.

Gegen Ende der Diskussion wurde auch die Befürchtung laut, dass selbst freigesetztes Personal in erheblichem Ausmaß, z.B. durch Haushälter, dem Rotstift gänzlich zum Opfer fallen könnte. Hier wären natürlich Behördenleitung und Berufsvertreter gefragt, den „Sparfüchsen“ nachhaltig zu erklären, dass etwaig eingespartes Personal dafür an anderer Stelle dringend gebraucht wird und somit für Streichungen nicht zur Verfügung steht; schon gar nicht in einer Zeit, in der die Personalmisere am schmerzlichsten ist und in der auch Innenpolitiker ihr Herz für die Polizei (wieder) entdeckt haben.

Die Veranstaltung klang bei einem geselligen Stehempfang mit gastfreundlicher Unterstützung der Debeka aus, bei dem der angeregte Gedankenaustausch fortgesetzt wurde. Übereinstimmend wurde die gemeinsame, kollegiale Form der konstruktiv-kritischen Lösungssuche begrüßt.

Unser Fazit:

Neben der Klärung vieler offener Fragen und der damit verbundenen Meinungsbildung im Vorstand des BDK-BPOL ging es auch darum, gewerkschaftliche Positionen untereinander, aber auch mit denen der Dienststelle auf fachlicher und persönlicher Ebene auszutauschen und zielorientiert zu diskutieren. Das ist aus unserer Sicht hervorragend gelungen und entspricht unseren Vorstellungen von Gewerkschaftsarbeit. Im Namen des gesamten BDK BPOL bedankte sich Thomas Mischke abschließend sehr herzlich bei allen, die an dieser Veranstaltung mitgewirkt haben.

Der Bundesvorsitzende der DPolG Bundespolizeigewerkschaft, Ernst Walter, begrüßte die Initiative des BDK-BPOL zu dem gemeinsamen Dialog in Fachfragen und dankte für das entgegengebrachte Vertrauen.