Die Verfahren gegen den Inspekteur der Polizei Baden-Württemberg
19.04.2024
Innenminister Thomas Strobl (CDU) hat das Amt des Inspekteurs der Polizei in Baden-Württemberg inzwischen abgeschafft.
Am 14. Juli 2023 kommentierte er laut dpa/SWR Aktuell: „Der Inspekteur der Polizei wird nicht in dieses Amt zurückkehren können“ und „Nicht alles, was strafrechtlich folgenlos bleibt, ist auch in Ordnung, würdig und recht.“ – die Stuttgarter Nachrichten schrieben im zugehörigen Beitrag: „An Beamte und Führungspersönlichkeiten, gerade bei der Polizei, würden hohe Anforderungen gestellt.“[1]
Das Verfahren des LG Stuttgart (Az. 19 Ks 117 Js 101869/22) wegen des Vorwurfs der sexuellen Nötigung ist beendet und hat mit der jüngsten Entscheidung des BGH jetzt Rechtskraft erlangt. Zuvor hatten Nebenklage und Staatsanwaltschaft Stuttgart Revision eingelegt – am 08.02.2024 hatte die Generalstaatsanwaltschaft die Revision noch für „erfolgversprechend“ bewertet und war laut SWR als Aufsichtsbehörde der Staatsanwaltschaft Stuttgart der Revision beigetreten.[2]
Der Bundesgerichtshof schreibt in seiner Pressemeldung vom 8. April (Beschluss vom 2. April 2024, Az. 1 StR 21/24): „Das Landgericht hat sich auch von dem in der Anklageschrift geschilderten Geschehen vor dem Lokal keine Überzeugung bilden können. Es hat die Aussage der Nebenklägerin insoweit als nicht glaubhaft erachtet und den Angeklagten deshalb aus tatsächlichen Gründen freigesprochen.“
Der Freispruch im Verfahren wegen sexueller Nötigung basiert auf dem Grundsatz in dubio pro reo, und war ein Freispruch aus Mangel an Beweisen.[3]
Anhängig ist weiterhin das Verfahren wegen des Verdachts der Bestechlichkeit in diesem Zusammenhang, das später eingeleitet wurde und das erneut die Staatsanwaltschaft Stuttgart als Anklagebehörde führt.[4]
Anhängig ist weiterhin das Disziplinarverfahren, das im Ministerium für Inneres, Digitalisierung und Kommunen geführt wird. Der BDK BW hatte im Juli 2023 gefordert, das ausgesetzte Disziplinarverfahren aufleben zu lassen (vgl. https://www.bdk.de/der-bdk/was-wir-tun/aktuelles/pressemitteilung). Wir kamen und kommen zu dem Schluss: „Dabei müssen alle zuletzt bekannt gewordenen Tatsachen in das Disziplinarverfahren einfließen. Es gilt eine ganzheitliche Betrachtung vorzunehmen, die über den konkreten Tatvorwurf im Verfahren hinausgeht und auch die Folgen für die Organisation Polizei Baden-Württemberg einbezieht.“
Das bereits angeführte Zitat „Nicht alles, was strafrechtlich folgenlos bleibt, ist auch in Ordnung, würdig und recht“, sagte MIN Strobl zur gleichen Zeit. Ihm ist zuzustimmen, zumal es neben dem Strafgesetzbuch auch das Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) gibt, das bei einer ganzheitlichen Betrachtung der Erkenntnisse einbezogen werden muss.
In den zurückliegenden Monaten wurden Disziplinarverfahren – auch im Kontext der Wertekampagne #nichtbeiuns, für die der Inspekteur der Polizei maßgeblich Mitverantwortung trug – mit hohem Anspruch und maximalen Maßstäben geführt. Beim höchsten Vollzugsbeamten des Landes können diese Maßstäbe und Ansprüche keinesfalls geringer sein, eher im Gegenteil.
Man wird im Disziplinarverfahren eine ganzheitliche Betrachtung aller Erkenntnisse der letzten Monate vornehmen müssen. Es wird um den gesamten Kanon der Beamtenpflichten gehen müssen, um Folgen für die Organisation, den Ruf der Polizei Baden-Württemberg, das nicht mehr existente Amt des Inspekteurs der Polizei und ja, es ist ein Thema der Wertekultur und Glaubwürdigkeit sowie dem Vertrauen in die eigene Organisation Polizei.
[1] Stuttgarter Nachrichten, 14.07.2023: „Trotz Freispruchs vor Gericht: SWR: Strobl schließt Rückkehr des Inspekteurs der Polizei aus“
[2] SWR.de, 08.02.2023: „Generalstaatsanwaltschaft unterstützt Revision: #MeToo-Prozess in BW: Wird Freispruch für Polizei-Inspekteur gekippt?“
[3] Vgl. auch SWR, 22.07.2023: „Betroffene und Staatsanwaltschaft fechten Urteil an: Polizei-Affäre in BW: Wird das Verfahren neu aufgerollt?“
[4] SWR.de, 13.10.2023: „Verfahren wegen des Verdachts der Bestechlichkeit: Neue Ermittlungen gegen freigestellten Inspekteur der Polizei“