Der Personalmangel im Strafverfahren und seine Folgen
07.09.2018
Am 04.09.2018 konnte der aufmerksame Leser folgende Schlagzeilen in den Spalten der Schweriner Volkszeitung und des Nordkuriers auffinden: „Ministerpräsidentin Schwesig besorgt über Situation der Justiz in MV“. Hintergrund ist die erneute Absage eines Prozesses am Landgericht Neubrandenburg, bei welchem ein Totschlag verhandelt werden sollte. Als Konsequenz wurde der Haftbefehl gegen den Angeklagten aufgehoben. Zur Absage der Verhandlung ist es gekommen, da eine längere Erkrankung und Pensionierungen dazu führten, dass kein geeignetes Richterpersonal zur Verfügung stand.
Der Richterbund forderte die Politik bereits 2016 auf mehr Personal zu gewinnen, um die anstehenden Pensionierungen und Abgänge aufzufangen. Weiter warnte der Richterbund die Verantwortlichen, dass in den nächsten 13 Jahren die Hälfte aller Richter und Staatsanwälte die Justiz aus Altersgründen verlassen werde. Starke Parallelen zum Polizeiapparat tun sich auf. Auch hier schien es unmöglich, die gerade stattfindende und noch weitere Jahre andauernde Personalknappheit durch Pensionierungen auf ministerieller Ebene vorhersehen. Das Landgericht Neubrandenburg ist dabei kein Einzelfall, auch am Landgericht Schwerin mussten aufgrund von Richterausfällen 2013 Angeklagte aus der U-Haft entlassen werden. Ministerpräsidentin Schwesig gab gegenüber der Presse an, dass die Koalition den Sicherheitspakt nun zügig umsetzen werde. Konkrete Abläufe und verbindliche Termine gibt es allerdings nicht. Vor allem bleibt die Frage ungeklärt, woher das Personal kommen soll. Bereits 2006 hat die damalige Landesregierung die Schließung der juristischen Fakultät an der Uni Rostock beschlossen. Die Folgen sehen wir jetzt. Wer glaubt, dass alle Jurastudenten an die einzig verbliebene Fakultät nach Greifswald gegangen sind, der irrt gewaltig. Viele Interessenten haben sich für Unis außerhalb des Landes entschieden und sind damit im dortigen Justizapparat bereits fest verankert und für M-V nicht verfügbar.
Wenn der Rechtsstaat geltendes Recht nicht mehr umsetzen kann, ist das nicht nur ein Armutszeugnis der Politik, es spielt vor allem populistischen Kräften in die Hände, die darauf lauern, das Schutzschild des demokratischen Staates erodieren zu sehen, um diesen frontal anzugreifen.
Der BDK fordert die Politik auf, schnellstmögliche Lösungen zu finden, um weiteren Schaden am Rechtssystem und unserer Gesellschaft zu verhindern. Absagen von Gerichtsverfahren, gerade im Bereich der Kapital-, aber auch der Wirtschafts- und OK-Delikte darf es nicht geben. Gleichzeitig ist eine Terminierung von Gerichtsterminen zeitnah nach Abschluss der Ermittlungen sicherzustellen. Verhandlungen bis zu fünf Jahre nach vorangegangenen Urteilen anderer Gerichte oder Jahre nach der Tat sind ebenfalls nicht hinnehmbar. Die Politik muss handeln, und zwar schnell.