Demokratie und Konsens

19.11.2020

Demokratie ist nicht einfach. Das zeigte sich gerade in Berlin - im Parlament und auf der Straße. Das Ringen um die beste Lösung kann regelmäßig unterstellt werden - aber wie lange soll das dauern und welche Mittel sind akzeptabel?
Demokratie und Konsens

Hannover, den 19.11.2020

Der Gesetzgebungsverlauf ist klar: Entwurf, Debatte und Abstimmung. Bis zur Abstimmung haben alle die Möglichkeit, Einfluss zu nehmen. Leider zeigt sich manchmal eine extreme Bereitschaft, die eigene für richtig gehaltene Überzeugung anderen aufzwingen zu wollen. Oftmals umso extremer, je näher die eigene Abstimmungsniederlage heranrückt. Immer weniger spielt eine Rolle, dass die andere Lösung vielleicht die bessere sein könnte, dass die eigene Einschätzung der künftigen Entwicklung genauso unsicher ist wie die der anderen.

Erschreckend die Härte, mit der auch ansonsten eher vernunftbegabte Menschen ihre Überzeugung auf der Straße durchzusetzen versuchen. Es tritt eine oft nicht nachvollziehbare Radikalisierung zutage. Sicher trägt auch die Digitalisierung der Lebenswelten dazu bei: Tastatur und Touchscreen sind kalt und herzlos, sie nehmen jedes Wort entgegen und übertragen es - die direkte Reaktion des Menschen auf der anderen Seite fehlt. Vor allem schnell: Keine Chance, die Wirkung wie bei einem Brief vor dem Einwurf in den Briefkasten nochmal zu überdenken, keine Chance zum vielleicht unfreiwilligen Faktencheck.

Der derzeit gebotene Abstand und die hierdurch entfallene direkte Kommunikation scheint ein Übriges dazu beizutragen: Lässt die Bereitschaft nach, der demokratisch legitimierten Mehrheit die gleichen guten Absichten zuzugestehen, wie man sie für sich selbst reklamiert, und deren Entscheidung zu akzeptieren? Ja, sie kann falsch sein - die eigene aber auch!

Manchmal entdeckt man diese Härte auch im eigenen Umfeld, auch bei sich selbst: Am nächsten Tag gelesen oder in Kenntnis der Wirkung schon des ersten Absatzes ginge mancher Text so nicht auf die Reise: Das Porzellan ist zerschlagen. Wie schrieb schon Eugen Roth: „Doch bleibt vergeblich alle Schrift, wenn man zuerst danebentrifft“.


Matthias Karsch
Landesvorsitzender

 
 

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