Das neue Beurteilungssystem für die Polizei Baden-Württemberg

28.01.2025

Ein neues Hexeneinmaleins für die Beurteilung im Vollzug?
Akten

In einem der letzten Gesetzblätter des Jahres 2024, wurde die „Verordnung des Innenministeriums über die dienstliche Beurteilung der Beamtinnen und Beamten des Polizeivollzugsdienstes (Beurteilungsverordnung-Polizeivollzugsdienst - BeurtVO-PVD)“ verkündet und mit Wirkung vom 1. Januar 2025 in Kraft gesetzt. 

Sie ist hier zu finden: https://www.landesrecht-bw.de/bsbw/document/jlr-PVDBeurtVBWrahmen

 Demnach wird das bisherige System eines Punktesystems mit 5 Punkten und einer Abstufung bei der Gesamtbeurteilungsnote von 0,25-Punkten umgewandelt in ein 7-Punktesystem als Ganznotensystem. Die notwendige Spreizung und Unterscheidbarkeit wird durch mehrere Beurteilungsmerkmale und Untermerkmale erreicht. 

Bei der Beurteilung von Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeitern finden folgende fünf Beurteilungsmerkmale Anwendung:

  1. Arbeitsgüte,
  2. Arbeitsumfang,
  3. Arbeitsweise,
  4. Sozialkompetenz und
  5. Befähigung.

Sofern Führungsverantwortung nicht nur vorübergehend wahrgenommen wird, findet eine Ergänzung um zwei weitere Beurteilungsmerkmale statt:

  1. Personalführung und
  2. Organisationsführung.

Jedes dieser sieben Beurteilungsmerkmal hat drei Untermerkmale, die in der Anlage zur BeurtVO-PVD ausgeführt werden. So gehören zur „Arbeitsgüte“ die Untermerkmale „Qualität und Verwertbarkeit“, „Fachkompetenz“ und „Sorgfalt und Gründlichkeit“. 

Die Untermerkmale der Beurteilungsmerkmale werden mit einem Punktewert von 1 bis 7 Punkten bewertet. Daraus wird rechnerisch und gerundet der Wert für das Beurteilungsmerkmal errechnet. Die Beurteilungsmerkmale bilden wiederum rechnerisch und gerundet das Gesamtergebnis oder „Gesamturteil“ als Ganznotenzahl. Eine unterschiedliche Gewichtung der einzelnen Bereiche ist nicht vorgesehen. 

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Beispiel: „Arbeitsgüte“. Der Beamte hat je 4 Punkte im Untermerkmal „Qualität und Verwertbarkeit“ und „Fachkompetenz“ und 6 Punkte im Untermerkmal „Sorgfalt und Gründlichkeit“. In Summe 14, geteilt durch 3 = 4,66. Dieses Ergebnis wird aufgerundet auf 5 Punkte im Beurteilungsmerkmal „Arbeitsgüte“. 

Besondere Kenntnisse und Fähigkeiten sowie Förderungs- und Verwendungshinweise können erneut aufgenommen werden in die neue Beurteilung. 

Das neue Punktesystem wird erneut mit einer Quotierung umgesetzt, diese ist als Sollvorschrift mit einem Richtwert versehen (Richtwerte in Klammern): 

Mit Quotierung

  • 7 Punkte = übertrifft die Erwartungen in besonderem Maße (5 %)
  • 6 Punkte = übertrifft die Erwartungen (10 %)
  • 5 Punkte = entspricht den Erwartungen und übertrifft sie häufiger (20 %)

Ohne Quotierung

  • 4 Punkte = entspricht den Erwartungen und übertrifft sie gelegentlich
  • 3 Punkte = entspricht den Erwartungen
  • 2 Punkte = entspricht im Allgemeinen den Erwartungen
  • 1 Punkt = entspricht nicht oder nur teilweise den Erwartungen

Sofern die Vergleichbarkeit von Personen mit und ohne Führungsaufgabe notwendig ist, soll über eine Faktorisierung eine unmittelbare Vergleichbarkeit hergestellt werden. Näheres ist noch zu regeln und ergibt sich nicht direkt aus BeurtVO-PVD. 

Beurteilungen werden wie bisher alle zwei Jahre als Regelbeurteilung durchgeführt. Anlassbeurteilungen bleiben im Einzelfall möglich. Ausgenommen sind weiterhin Lehrkräfte an der HfPol und Beamtinnen und Beamte auf Planstellen des LfV BW, ferner Anwärterinnen und Anwärter im Vorbereitungsdienst. Weiterhin gibt es Regelungen für die Probezeitbeurteilung, die Fiktive Fortschreibung einer Beurteilung (bspw. Elternzeit ohne Teilzeitbeschäftigung, Beurlaubung nach Landesbeamtengesetz oder bei Freistellungen für die Personal- oder Schwerbehindertenvertretung). Auch ist eine Altersgrenze für die Regelbeurteilung vorgesehen, die aber nicht dazu führt, dass keine Beurteilung aus Anlass mehr möglich ist. 

In § 11 wird schließlich geregelt, dass das Innenministerium die weiteren Einzelheiten der dienstlichen Beurteilung durch Verwaltungsvorschrift regeln kann. Davon wird das IM mit den Beurteilungsrichtlinien Gebrauch machen, allein sind die Regelungen noch nicht getroffen, sie befinden sich in der finalen Abstimmung in den zuständigen Gremien. Das ist insofern als ungünstig zu bewerten, weil die Schulungen zum neuen Beurteilungssystem bereits begonnen haben und ohne die Ergänzungen schwerlich Beurteilungen erstellt werden können.

 

Der BDK im Anhörungsverfahren

Im Oktober 2024 wurde der BDK Baden-Württemberg zur neuen Beurteilungsverordnung für die Polizei und zugleich zu den Beurteilungsrichtlinien angehört. Aufgrund dieser Vermischung können wir uns noch nicht ausführlich dazu äußern, da bisher nur die Verordnung Wirksamkeit erlangt hat und sich unsere Stellungnahme auf beide Dokumente erstreckt. Eine der aufgeworfenen Fragen war allerdings, warum die Polizei ein eigenes Beurteilungssystem braucht und nicht auf die „Verordnung der Landesregierung über die dienstliche Beurteilung der Beamtinnen und Beamten (Beurteilungsverordnung - BeurtVO)“ zurückgreift, also die Regelungen die bspw. bereits seit 2014 für unsere Beamtinnen und Beamten in der Polizei außerhalb der Vollzugslaufbahn gelten. Die Frage wurde bis dato nicht beantwortet.

 

Hexeneinmaleins?

In Goethes Faust I deklamiert eine Hexe in ihrer Hexenküche das sog. Hexeneinmaleins beim Brauen eines Verjüngungstranks für Dr. Faust. Der Mittelteil des Reims war doch zu verlockend, als ihn hier nicht aufzugreifen: „Aus Fünf und Sechs, so sagt die Hex’, Mach’ Sieben und Acht, so ist’s vollbracht.“ 

Sowohl in der Anhörung, als auch im Untersuchungsausschuss „IdP & Beförderungspraxis“ habe ich darauf hingewiesen, dass Beurteilungen nur bedingt objektive Ergebnisse liefern. Sie sind – ohne Vorwurf – menschengemacht und die Beziehungsebene lässt sich bei der Bewertung nicht vollständig ausblenden. Zudem sind unsere Tätigkeiten in aller Regel nicht messbar. Bei der Bildung von Vergleichsgruppen, die sachrichtig sind, entstehen Problemstellungen beim Vergleich der Tätigkeit einer Kriminalhauptkommissarin in der OK-Bekämpfung mit einem Kriminalhauptkommissar in der Prävention oder in einer Stabsverwendung.

Und am Ende haben wir bisher jedes Beurteilungssystem selbst durch die Anwendung verengt (man denke jetzt an die Standardnote 3,75, davor war es die 1 Minus). Zudem haben es die Verwaltungsgerichte zuletzt immer komplizierter gemacht, die Vorschriften überhaupt anzuwenden. Das droht wohl auch unserem neuen Hexeneinmaleins. 

 

Steffen Mayer, BDK-Landesvorsitzender