Das Kreuz mit dem Betrieblichen Eingliederungsmanagement
09.04.2015
Das zur Umsetzung des BEM gut aus- und fortgebildete Beschäftigte des Arbeitgebers und der Interessenvertretungen notwendig sind, scheint dabei selbstverständlich und wird vorausgesetzt.
Mit dem Inhalt der Rahmendienstvereinbarung geht die Landespolizei in Mecklenburg-Vorpommern nun offenbar weit über die Inhalte des § 84 des SGB IX hinaus. Als Zwecke unseres BEM werden auch der Erhalt und die Förderung der Beschäftigungsfähigkeit, die Steigerung der Zufriedenheit und die Motivation am Arbeitsplatz oder die Reduzierung beeinflussbarer krankheitsbedingter Fehlzeiten benannt. Das Betriebliche Eingliederungsmanagement soll dabei bei allen Beschäftigten Anwendung finden, die innerhalb der letzten zwölf Monate mindestens 42 Kalendertage ununterbrochen oder wiederholt insgesamt 30 Arbeitstage krank waren. Das primäre Ziel soll allerdings eine umfassende Wiedereingliederung der Beschäftigten in die Arbeitsabläufe der Landespolizei sein.
Soweit die Rahmenbedingungen - nutzen wir jetzt einmal den Zeitpunkt zu einem Rückblick bzw. dem Stand der Dinge.
Bereits angedeutet wurde der grundlegende Konflikt zwischen dem Sinn des § 84 SGB IX und der in Rede stehenden Dienstvereinbarung. Das Sozialgesetzbuch will Menschen mit Behinderung helfen oder vermeiden, dass eine Behinderung eintritt und gegebenenfalls der Arbeitsplatz verlustig geht. Die polizeiliche Dienstvereinbarung will allen Mitarbeitern Hilfe anbieten, die in den vergangenen zwölf Monaten längerfristig krank waren, sie motivieren und fördern. Und genau an dieser übersteigerten Auslegung gesetzlicher Vorgaben scheiden sich in der Landespolizei von Mecklenburg-Vorpommern schon die Geister.
Betroffene, weil im Sinne des BEM angeschriebene Beschäftigte reagierten zum Teil empört oder sehr ungehalten über die eigentlich als Angebot formulierten Schreiben, weil sie
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längst wieder gesund ihren Dienstpflichten nachkommen,
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mit Krankheiten krankgeschrieben waren, die voraussichtlich keine Spätfolgen nach sich ziehen werden,
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nicht einmal die erforderliche Zeit krankgeschrieben waren,
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eine „Ausspähung“ ihrer Krankheitsgründe vermuten oder
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die zur Verfügung stehenden Ansprechpartner nicht akzeptieren konnten.
Somit wurden die Interessenvertretungen und die Gewerkschaften mit Anfragen und dem Unmut der Betroffenen überhäuft. Und tatsächlich, keiner der Beschwerdeführer war noch aktuell krankgeschrieben oder war von einer Behinderung bedroht. Mehrere Beschäftigte waren auch nicht 30 Tage krankgeschrieben. Übergreifend wird am Sinn der genannten (Wieder)Eingliederung gezweifelt.
Nun haben wir als Berufsvertretung nicht vor, die gute Idee der Dienstvereinbarung anzugreifen. Aufgrund der zahlreichen Beschwerden und festgestellten Mängel werben wir aber dafür, erneut über einzelne Inhalte der Dienstvereinbarung nachzudenken und besonders die Herangehensweise an tatsächliche Hilfebedürftige dringend zu überarbeiten.
Nicht jeder, der längerfristig erkrankt ist oder war, muss mit einem auch noch in Teilen missverständlichen Schreiben konfrontiert werden. Hier ist viel mehr Fingerspitzengefühl erforderlich. Dazu kommt, dass viele Mitglieder von Integrationsteams des BEM noch gar keine Qualifizierung erfahren haben. Was passiert, wenn diese Mitglieder um Hilfe ersucht werden? Die Literatur spricht von besonders geeigneten und hochqualifizierten Vertretern der Arbeitgeber. Nach unserer Meinung trifft das generell wohl nur auf die Beauftragten des arbeitsmedizinischen Dienstes und die Schwerbehindertenvertreter zu. Hier hätte vor dem Abschluss der Dienstvereinbarung bereits ein Plan existieren müssen, wie die Mitglieder aller Teams der Landespolizei schnell und ausreichend fortgebildet werden sollen.
Und um eine weitere Frage zu beantworten. Mitarbeiter der Personalabteilung sind wegen eines möglichen Interessenkonflikts wirklich keine geeigneten Mitglieder für ein Integrationsteam. Die Dienstvereinbarung spricht denn auch von einem Beauftragten der personalführenden Stelle. Das ist jedoch nicht die Personalabteilung, sondern die Dienststelle als solche. Darüber hinaus sind auch die Sozialen Ansprechpartner, die Suchtkrankenhelfer oder bestellte Vertreter keine Mitglieder des Integrationsteams, welches laut Dienstvereinbarung lediglich aus fünf Mitgliedern besteht. Das Integrationsteam kann allerdings in Einzelfällen zu Beratungen weitere Personen hinzuziehen.
Das BEM soll eines nicht erledigen, die Aufgaben der Suchtkrankenhelfer, Sozialen Ansprechpartner oder etwa die der Vorgesetzten. Wir sehen hier eine übergroße Gefahr der unzulässigen Vermischung der Aufgaben und Zuständigkeiten zu Lasten des BEM-Teams. Übrigens hat keiner der Beschwerdeführer berichtet, dass sein Vorgesetzter mit ihm ein (Wieder)Eingliederungsgespräch geführt hat.
Der Gedanke der generellen Gesundheitsprävention darf und muss weiterverfolgt werden. Aber dies darf nicht unter dem Namen des BEM geschehen.
Die Einführung des längst vorgegebenen Betrieblichen Eingliederungsmanagements erfolgte nach unserer Auffassung überstürzt und führte zu den genannten Fehlern und Irritationen. Nach einem Jahr sollte genügend Zeit ins Land gegangen zu sein, um korrigierend einzugreifen und grobe Fehlentwicklungen schnellstens zu beenden. Denn das Betriebliche Eingliederungsmanagement ist eine wunderbare und notwendige Sache zum Schutze der Beschäftigten, wenn es denn korrekt und gesetzeskonform durchgeführt wird.