Cybercrime: Und wer soll das wie bearbeiten?
14.06.2023
Die Statistik - nicht einmal Maß für tatsächliche Fallbearbeitung
Letzte Woche stellten Innenministerin Daniela Behrens und Landespolizeipräsident Axel Brockmann das Lagebild Cybercrime 2022 für Niedersachsen vor – ein deutlicher Anstieg der Fallzahlen bei Internetkriminalität, und zwar 45 Prozent in den vergangenen fünf Jahren. 1) Da fehlen aber immer noch die Fälle, bei denen die Festlegung eines Tatorts in Deutschland nicht möglich war - keine Seltenheit.
Landespolizeipräsident Axel Brockmann in der Pressemitteilung: „Cybercrime ist eines der sich am dynamischsten verändernden Kriminalitätsphänomene. Täter passen sich flexibel an technische und gesellschaftliche Entwicklungen an, vielfach gibt es internationale Bezüge. Dieses Kriminalitätsphänomen stellt eine große Bedrohung für den Staat, die Zivilgesellschaft und die Wirtschaft dar.“
Wirtschaft: Jedes 10. Unternehmen hatte Sicherheitsvorfall
Frisch veröffentlicht die TÜV Cybersecuritystudie 2023: Jedes zehnte Unternehmen hatte in den letzten zwölf Monaten einen IT-Sicherheitsvorfall: „Phishing-Attacken, Erpressung nach Ransomware-Angriffen, Aushebelung des Passwortschutzes, Social Engineering – die betroffenen Unternehmen sind mit allen möglichen Angriffsmethoden konfrontiert.“ 2)
Beispielfall: zeitaufwändig, komplex, international
Vor wenigen Wochen berichteten wir über einen Erfolg von Kripo Braunschweig und Staatsanwaltschaft Göttingen gegen international agierende Online-Anlagebetrüger nach jahrelangen Ermittlungen. 3) Der Fall belegt eindrucksvoll die mit Cybercrime verbundenen komplexen Anforderungen.
Kinderpornografie: Hunderte Durchsuchungen in Norddeutschland
Und heute die Meldung zu Kinderpornografie: Durchsuchungen in Norddeutschland, allein in Niedersachsen vollstreckten 300 Ermittler am Vormittag über 200 Durchsuchungsbeschlüsse. 4)
Präventionsarbeit macht auch Arbeit
Daneben gilt auch und gerade im Internet: Viele Straftaten lassen sich durch Präventionsarbeit verhindern. Zum einen gilt es, durch Aufklärungs- und Beratungsmaßnahmen in unterschiedlichen Deliktsfeldern Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen davor zu bewahren, Opfer von Straftaten zu werden. Zum anderen sind sich insbesondere Kinder und Jugendliche oft nicht bewusst, welche Folgen ihr „digitales Agieren“ hat und dass sie sich damit strafbar machen können. Auch diese Präventionsarbeit bindet polizeiliche Ressourcen.
Die Politik entscheidet über Effizienz in der Kriminalitätsbekämpfung
Immer wieder wiesen und weisen wir bei Kontakten auf der polizeilichen und auch der politischen Entscheidungsebene auf die erkannten Notwendigkeiten hin. Mehrfach berichteten wir über diese Kontakte und auch darüber, dass einerseits Unterstützungswille und Faktenkenntnis bereits vorhanden war, andererseits unsere Argumentation interessiert zur Kenntnis genommen wurde und auch teilweise Nachdenklichkeit ausgelöst hatte. Dies betreffend personelle Fragen als auch Ausstattung mit IT - allem voran Auswertesoftware.
Wer will schon zur Kripo - und vor allem, warum?
Besonders drängend derzeit: Nachwuchsgewinnung bei der Kriminalpolizei, mit den noch anstehenden Pensionierungen in den nächsten Jahren tritt ein erheblicher Verlust an Fachwissen ein. Warum zur Kriminalpolizei? Letztlich kommen zu absehbarem erheblichem Vorgangsdruck und Vorgangsbelastung finanzielle Verluste durch Wegfall von Zulagen und Zahlungen für Dienst zu ungünstigen Zeiten sowie Kürzungen beim Bekleidungsgeld hinzu. Eine vielleicht ins Auge gefasste und dienstlich natürlich wünschenswerte und erforderliche Spezialisierung führe zu einem absehbaren Karrierehindernis - es fehlt die Möglichkeit einer Fachkarriere.
Attraktiver werden!
Attraktiver werden für Ausbildungsplatzsuchende - die Absicht reicht nicht, konkrete Schritte sind einzuleiten. Gerade für die Bekämpfung von Cybercrime sind andere Qualifikationen gefordert als für den Einsatzbereich. Vollzug und Tarif arbeiten hier an identischen Aufgaben - scheitert qualifizierter Nachwuchs mit Vorkenntnissen eventuell an der Polizeidienstfähigkeit und startet woanders?
Interessant der Weg woanders, aus einer aktuellen Ausschreibung für akademische Seiteneinsteigende mit IT Abschlüssen: Qualifizierungsprogramm in Entgeltgruppe 9b, anschließend Start in die Beamtenlaufbahn als Kriminaloberkommissarin/-kommissar, also bereits auf der zweiten Karrierestufe in A 10 - ohne den ungewissen Weg über die Generalistenausbildung.
Verschärft wird die Nachwuchsproblematik dadurch, dass seit einiger Zeit nicht einmal die insgesamt zur Verfügung stehenden Ausbildungsplätze besetzt werden können.
BDK im Einsatz
Und auch von Seiten des BDK werden im Bereich der Bekämpfung von Cybercrime immer wieder Maßstäbe gesetzt, sei es durch hochwertige Fortbildungen über die Kripo Akademie oder wie jetzt durch die im Rahmen des Deutschen Präventionstags in Mannheim vorgestellte Präventionskampagne „Charly und die Kripo-Kids“, eine Offensive gegen Cybermobbing unter Kindern und Jugendlichen. 5)
Der Geschäftsführende Landesvorstand
1) https://www.mi.niedersachsen.de/startseite/aktuelles/presseinformationen/innenministerin-behrens-und-landespolizeiprasident-brockmann-stellen-lagebild-cybercrime-2022-vor-deutlicher-anstieg-der-fallzahlen-bei-internetkriminalitat-222869.html
2) https://www.tuev-verband.de/studien/cybersicherheit-in-deutschen-unternehmen
3) https://www.bdk.de/der-bdk/was-wir-tun/aktuelles/cybercrime-schlag-gegen-online-anlagebetrueger
4) https://www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/Kinderpornografie-Hunderte-Durchsuchungen-in-Norddeutschland,kinderpornografie278.html
5) https://www.bdk.de/der-bdk/was-wir-tun/aktuelles/tatort-internet-offensive-des-bund-deutscher-kriminalbeamter-gegen-cybermobbing-unter-kindern-und-jugendlichen